15. April 2023

Neuanfang im Ausland Die Menschen machen den Unterschied

Mentalität statt Politik

von Thorsten Brückner

Ich schätze es immer sehr, Texte zu lesen, die nicht notwendigerweise meine Meinung widerspiegeln, aber mich zum Nachdenken bringen. Reichlich Stoff zum Reflektieren bieten mir dabei auch die Kolumnen anderer Autoren hier auf Freiheitsfunken, die ich mit großem Interesse lese. Lange hat mich in der vergangenen Woche eine Kolumne beschäftigt, in der der Autor unter anderem übers Auswandern schreibt.

Es ist ein Thema, das mich persönlich betrifft. Fast eine Viertelmillion Deutsche haben 2021 das Land verlassen. Ich war einer von ihnen. Ich erinnere mich bis heute daran, als mich meine Eltern damals zum Memminger Flughafen gefahren haben. Es war das einzige Mal, dass ich außerhalb eines medizinischen Kontexts eine Maske aufgesetzt habe. Das war es mir wert, um Deutschland zu verlassen.

„Auswandern bringt doch nichts, ist doch überall auf der Welt genauso schlimm“, hörte ich in der deutschen Debatte über die Covid-Restriktionen und die Sinnhaftigkeit des Auswanderns in den folgenden zwei Jahren immer wieder. Wer so argumentiert, macht meiner Meinung nach einen entscheidenden Denkfehler. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren in drei Ländern gelebt: Ungarn, Kroatien und Albanien. Auf dem Papier waren die Restriktionen dort entweder ähnlich schlimm oder sogar noch etwas schärfer. Den Unterschied aber machten die Menschen.

Am positivsten stach hier Albanien heraus, wo 98 Prozent den damals bestehenden Maskenzwang in Innenräumen und im Freien schlicht ignorierten. In Kroatien wurde der Covid-Wahnsinn schlimmer, je weiter man nach Norden fuhr, und auch von der Folgsamkeit der Ungarn war ich negativ überrascht. Auf Zuruf des Fidesz-Führers setzten die Menschen zwischen Szombathely und Debrecen mit nur ganz wenigen Ausnahmen am 1. November 2021 brav den Gehorsamslappen im öffentlichen Nahverkehr auf. Noch tags zuvor hatte man kaum Maskenträger gesehen.

Und doch gab es einen gravierenden Unterschied zu Deutschland. Wenn ich, natürlich unmaskiert, in Kroatien oder später in Ungarn ein Geschäft betrat, hatte ich entweder Glück und ich wurde bedient oder ich wurde, mal mehr, mal weniger freundlich, aus dem Laden hinauskomplimentiert. Nie jedoch haben sich andere Kunden über mein nacktes Gesicht beschwert oder gar die Polizei gerufen. Gleiches gilt für den öffentlichen Nahverkehr. Man kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten. Die Freude daran, andere zu denunzieren, ist den Ungarn und Kroaten fremd. Und wer in Albanien seinen Nachbarn bei der Polizei anzeigt, kann genauso gut gleich das Viertel verlassen, in dem er wohnt. Freunde wird er dort keine mehr finden. Wie niederträchtig sich viele Deutsche bisweilen verhalten, wurde mir erst durch den Kontrast im Ausland so richtig bewusst.

Die Covid-Jahre sind vergangen und die Beweggründe fürs Auswandern haben sich geändert. Damals wie heute macht einen Fehler, wer Pläne zum Auswandern rein von politischen Faktoren abhängig macht. Regierungen wechseln, Gesetze ändern sich. Viel sinnvoller ist es daher, der Mentalität der Menschen im Zielland ein großes Gewicht bei seiner Entscheidung beizumessen. Nie etwa hatte ich in Albanien Angst, die Regierung könnte einen allgemeinen Impfzwang erlassen und durchsetzen. Nicht, weil ich dem Regime von Edi Rama nicht jede Schäbigkeit zutraue, sondern weil ich wusste: Die Albaner würden so etwas nie akzeptieren. Die Toleranz der Menschen gegenüber einem übergriffigen Staat ist auf dem Balkan wesentlich geringer als in Zentraleuropa.

Doch Auswandern muss nicht für jeden das Richtige sein. Als Single ohne Kontakte im Zielland und ohne Kenntnisse der dortigen Sprache kann es für manche sehr schnell sehr einsam werden, wie ich aus leidvollen Erzählungen anderer Expats erfahren musste. Wer Freiheit nur in der Ferne sucht, reduziert den Begriff zudem unweigerlich auf seine äußeren Aspekte. Ich bin in den vergangenen zwei Jahren freier geworden, als ich es jemals zuvor gewesen war. Dies war allerdings weniger dem Auswandern als einem fundamentalen Bewusstseinswandel geschuldet, den ich am ehesten mit einer christlichen Wiedergeburtserfahrung vergleichen würde, was allerdings das Thema einer anderen Kolumne wäre. Eine große Rolle hat für mich dabei gespielt, damit aufzuhören, Nachrichten zu verfolgen. Durch die mediale Dauerberieselung schaffen es die Herrschenden, dass man sich ständig mit ihnen und ihren Bösartigkeiten auseinandersetzt, was einem viel Energie rauben kann und Reflexionsprozesse außerhalb des geistigen Hamsterrads erschwert. Sich dem zumindest so gut es geht zu entziehen, ist für mich ein großer Schritt in Richtung innere Freiheit. Selbst eine Stunde auf der PlayStation zu spielen, ist eine bessere Investition der eigenen Lebenszeit, als sich eine Polit-Talkshow im BRD-Staatsfernsehen reinzuziehen.

Auswandern kann eine großartige Erfahrung sein, die ich noch mehr Deutschen wünsche. Aber es muss keine Entscheidung für immer bedeuten. Lebensumstände können sich ändern. Als meine Frau vor wenigen Wochen unser erstes Kind zur Welt gebracht, der Kleine mich angeschaut und zum ersten Mal meinen Finger mit seiner kleinen Hand gedrückt hat, da war es plötzlich nicht mehr so wichtig, in welchem Land ich leben will. Mein Zorn auf Deutschland zerschellte am breiten Lächeln meines Babys. Ich hatte in meiner Kindheit das Privileg, mit liebevollen Großeltern aufwachsen zu dürfen. Möchte ich meinem Sohn diese Möglichkeit wirklich vorenthalten? Ich war selbst überrascht, wie leicht mir die Antwort auf diese Frage fiel. Eine Heimat ist Deutschland für mich nicht mehr und wird es wohl nie wieder sein. Aber das macht nichts. Als Christ ist meine Heimat ohnehin nicht diese Welt. Und als freiheitlich denkender Mensch auch ganz sicher kein Staat – egal welcher. Und für den Fall, dass die Deutschen wieder dem Wahnsinn anheimfallen, bleibt das Auto gepackt. 


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