21. April 2023 08:00

Umverteilung Die Reichen arm machen, macht die Armen nicht reich

Genaue Analyse statt Schlagworte

von Stefan Blankertz

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Zwischen der Forderung nach (totaler) Enteignung und derjenigen nach Umverteilung (einer Teilenteignung sozusagen) scheint ein fließender Übergang zu bestehen. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzusehen.

Die staatskommunistische Forderung nach totaler Enteignung mag von der ökonomischen Theorie her falsch und in der praktischen Konsequenz fatal sein, sie ist aber zunächst einmal in sich logisch stimmig: Unter der Voraussetzung, dass Reichtum erstens unrechtmäßig sei und zweitens Armut verursache, ist es logisch stimmig, die (totale) Enteignung zu fordern. Allerdings ist diese Forderung aus praktischen Gründen im 21. Jahrhundert fast völlig aus der politischen Landschaft verschwunden, nachdem sie vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt des Einflusses erreicht hatte (Russische Oktoberrevolution, Chinesische Revolution, Kubanische Revolution).

Dass die Forderung nach totaler Enteignung bis auf extremistische und einflusslose Randgruppen verschwunden ist, hat einen guten Grund: Der versprochene Beginn eines neuen Goldenen Zeitalters, in der alle wie im Schlaraffenland leben – gleich, glücklich und mit vollen Bäuchen –, kehrte sich dramatisch um in Hungersnöte, Armut, Umweltzerstörung und damit einhergehend in eine tiefe Kluft zwischen einfachen Bürgern und den Bonzen in Partei und Staat.

Mit diesem praktischen Ergebnis der totalen Enteignung erledigte sich auch die Theorie. Es keimte die Einsicht, dass Reichtum notwendig ist, um Wohlstand für alle zu schaffen. Die sozialdemokratische Variante setzte sich durch. Heute ist sie das Credo aller Parteien und fast aller politischer Bewegungen; Unterschiede gibt es nur noch bezogen auf die Höhe der Umverteilung und auf die Gruppen, denen genommen, sowie den Gruppen, denen gegeben werden soll. Die Überlegung hinter diesem sozialdemokratischen Credo lautet: Damit die Reichen den Wohlstand schaffen, um den Armen ein besseres Leben zu ermöglichen, lassen wir sie ex ante produzieren; weil ihnen jedoch die Tendenz eignet, ihren Reichtum für sich zu behalten, nehmen wir ihnen ex post von ihrem Reichtum und verteilen ihn an die Armen.

Aber während die Forderung nach totaler Enteignung unter der Voraussetzung, ihre Prämissen seien richtig, logisch stimmig ist, ist es die nach Umverteilung nicht. Es gibt gleich zwei gravierende Unstimmigkeiten. Erstens ist moralisch-theoretisch zu fragen: Warum sollte, wenn der Reichtum legitim ist, es dann legitim sein, ihn zu beschneiden? Und zweitens ist praktisch-ökonomisch zu fragen: Wenn der Reichtum zur Schaffung des Wohlstands auch der Armen beiträgt, warum sollte es dann ein Beitrag zur Reduktion von Armut sein, den Reichtum zu reduzieren?

Da das Credo der Umverteilung also unstimmig ist, steht zu untersuchen, warum es sich dennoch so hartnäckig hält. Insoweit die Armen durch den Reichtum profitieren, wer profitiert dann durch die Umverteilung? Die paradoxe Antwort lautet: die Reichen.

Doch ist diese Antwort noch zu undifferenziert. Weder die überlebte staatskommunistische noch die aktuelle sozialdemokratische Version berücksichtigt eine wichtige analytische Unterscheidung. Reichtum ist nicht gleich Reichtum. Es gibt Reichtum, der dadurch generiert wird, dass der Reiche via Markt den Mitmenschen Gutes tut. Er bietet Waren an, die sie brauchen oder mögen. Er bietet sie günstiger an als bisher. Er bietet Innovationen an, die sie bisher noch nicht kannten und die ihre Leben leichter oder schöner machen. Er organisiert als Unternehmer ihre Arbeit so, dass sie produktiver sind, wovon sie als Mitarbeiter in Form höherer Gehälter profitieren. Dieser Reichtum dient den Armen, er begründet überdies ein legitimes Eigentum: Seine Tätigkeit nimmt niemandem, sondern bietet vielen etwas. Für diesen Reichtum gilt genau nicht das Hebelgesetz von Bertolt Brecht, „Wärst du nicht reich, wär’ ich nicht arm“, sondern: Wärst du nicht reich, wär’ ich noch ärmer.

Doch gibt es eben auch anderen Reichtum, den Reichtum, der durch Raub entsteht. Bei einer direkten Beraubung leuchtet jedem sofort ein, dass der, der sich des Eigentums seines Nächsten bedient, seinen Reichtum auf dessen Verarmung gründet. Komplexer wird die Sache, wenn es sich um strukturellen Raub handelt, um Raub durch die Staatsgewalt. Die Staatsgewalt schanzt Begünstigten Vorteile zu, verleiht Monopolrechte, subventioniert Unternehmer, die nicht in der Lage sind, auf dem Markt Erfolg zu haben, und so weiter. Schließlich schafft sie gut dotierte Jobs im Bereich von Politik und Verwaltung, die gänzlich aus der Beute (vornehm „Steuern“ genannt) finanziert werden. Genauso eindeutig, wie die erste Gruppe der Reichen via Markt den Armen dient, gehört die zweite Gruppe der Reichen via staatlich organisierten Raub zu denen, die Armut schaffen.

Der Staatsgewalt wohnt die unweigerliche Tendenz inne, die Quelle des Reichtums vom Markt auf den Raub zu verlagern, sie mindert den Reichtum, von dem die Armen profitieren, und mehrt den Reichtum, der ihnen schadet. Nun ist es durchaus anstrengend, Reichtum auf dem Markt zu generieren und aufrechtzuerhalten. Die Reichen haben einen starken Anreiz, die Verlagerung vom Markt auf den Raub zu unterstützen und damit ihre eigene Position zu festigen. Das Argument, sie würden die Staatsgewalt ausbauen, um den Armen zu helfen, ist der perfekte wahltaktische Kniff, um zu demokratischen Mehrheiten zu gelangen.

Um die ganze Tragweite dieses Kniffs zu durchschauen, müssen wir einen weiteren Schritt der Komplexität heranziehen. Durch den Raub, den die Staatsgewalt organisiert und legalisiert, entsteht wie gesagt Armut, etwa durch die Induktion von Arbeitslosigkeit. Wenn die Staatsgewalt aus ihrem Raubgut (also den Steuern) die auf diese Weise zur Selbsthilfe unfähig gemachten Menschen unterstützt, macht sie aus ihren Opfern willige Wähler, denn sie haben den Eindruck, die Staatsgewalt sei es, die sie füttert, während sie die Reichen als ihre Feinde ansehen – was ebenso falsch wie richtig ist.

Fast kein Unternehmer wehrt sich gegen die populäre Zuschreibung, Unternehmer seien per se Ausbeuter, die staatlich reguliert und geschröpft gehören. Warum nicht? Weil sie es sind, die in Wahrheit von dem System profitieren. Durch das Narrativ vom bösen Unternehmer und dem guten Staat, verbunden mit der Subventionierung der Armut, werden die Opfer zu Lämmern und das System stabilisiert sich.


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