Bud Light: Kulturkampf um die Redneck-Plörre
„Why do you give a fuck?“
Das konservative Amerika ist mal wieder im Empörungsmodus. Im Fokus steht diesmal eine Werbekampagne der Redneck-Plörre Bud Light, für die der Anheuser-Busch-Konzern Transaktivistin Dylan Mulvaney gewinnen konnte. Das Ziel des Unternehmens ist dabei klar: das schwachgehopfte Hillbilly-Kaltgetränk für breitere Bevölkerungsschichten attraktiv zu machen.
Während Konservative zum Boykott aufrufen, zeigen Umfragen, dass die auf den ersten Blick schwer nachvollziehbare PR-Strategie des Konzerns so dumm möglicherweise gar nicht gewesen ist. Laut einer Umfrage des Rasmussen-Instituts geben 33 Prozent der befragten Amerikaner in der Altersgruppe zwischen 18 und 39 Jahren an, durch die Kampagne in Zukunft eher zu einer Flasche Bud Light greifen zu wollen. 35 Prozent stehen der Werbekampagne indifferent gegenüber, und nur 26 Prozent in dieser Altersgruppe wollen deswegen einen Bogen um das Getränk machen. Nur in der Altersgruppe der 40- bis 64-Jährigen stoßen die Boykott-Pläne auf Zustimmung.
Mir ist schleierhaft, was Menschen dazu bewegt, Budweiser zu trinken. Als Hobbybrauer mit intakten Geschmacksnerven würde ich damit nicht mal meine Blumen wässern. Aber nehmen wir einmal an, dass eine meiner Lieblingsbrauereien plötzlich mit einem Transgender-Model werben würde. Würde ich deswegen aufhören, mein Lieblingsbier zu konsumieren? Sicher nicht!
Am besten brachte es der freigeistige Talkshow-Moderator Joe Rogan in seiner sympathischen direkten Art auf den Punkt: „Why do you give a fuck?“ Rogan fällt es schwer zu verstehen, wie so viele Menschen angesichts der tatsächlichen Probleme in den USA ihren ganzen Unmut auf eine Biermarke projizieren können. Zudem wies Rogan auf die doppelten Standards vieler derer hin, die jetzt zum Boykott aufrufen. „Ich denke, es ist verrückt, wenn sich die Leute über sowas aufregen, denn das sind dieselben Leute, die Freiheit so sehr wertschätzen und ihr Leben nicht von irgendjemandes Regeln bestimmen lassen wollen.“
Selbstverständlich hat jeder das Recht zu boykottieren, was auch immer er boykottieren möchte. Und selbstverständlich kann und darf man den Trans-Hype der woken Agenda kritisieren, der selbst vor dem Frauensport nicht haltmacht. Unterscheiden sollte man dabei aber schon zwischen einer politischen Agenda und dem einzelnen Menschen, der sich möglicherweise in seinem Geschlecht nicht zu Hause fühlt.
Dafür verantwortlich ist sicher auch eine Überbetonung geschlechtlicher Unterschiede und Geschlechterstereotypen, die nicht nur unter konservativen Amerikanern noch weitverbreitet sind. Jeder Mensch hat Eigenschaften, die bedauerlicherweise von der Gesellschaft sofort entweder als weiblich oder männlich identifiziert werden. Junge Menschen dazu zu ermutigen, ohne chirurgisches Rumschnippeln am eigenen Körper diese Eigenschaften ungeachtet gesellschaftlicher Vorurteile und Erwartungen auszuleben und sich selbst zu finden, scheint mir eine bessere Strategie, der woken Agenda den Wind aus den Segeln zu nehmen, als diese Leute lächerlich zu machen oder herabzuwürdigen. Dazu gehört für mich auch, Individuen mit den von ihnen gewünschten Pronomen zu adressieren. Das ist einfach eine Frage der Höflichkeit und des Respekts. Und nein: Selbstverständlich sollte niemand juristisch belangt werden, der dies nicht tut.
Nun hat auch das politische Amerika das Thema für sich entdeckt, und Politiker kochen darauf ihr Wahlkampfsüppchen. Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, erklärte auf Twitter, er werde „nie wieder Bud Light trinken“. Nicht weniger übertriebene Reaktionen kommen vom anderen Ende des politischen Spektrums. Der Kongressabgeordnete Ted Lieu aus Kalifornien ließ sich auf Twitter mit einer Flasche Bud Light ablichten. Die hielt er allerdings derart unbeholfen, dass es nicht schwerfiel zu erkennen, dass Lieu wohl noch nie in seinem Leben ein Budweiser getrunken hat.
Der frühere Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, kommentierte das Foto treffend: „Zu sagen, dass man noch nie Bud Light getrunken hat, ohne zu sagen, dass man noch nie Bud Light getrunken hat.“ Lieu räumte später ein, dass das Foto gestellt war. Der Geschäftsführer von Anheuser-Busch, Brendan Whitworth, ließ inzwischen mitteilen, es sei nie die Absicht des Konzerns gewesen, „Teil einer Debatte zu sein, die die Menschen spaltet“. Als ob man bei Anheuser-Busch nicht genau wusste, was man hier tut und welche Reaktionen man damit auslöst. Eine solche Kampagne wird schließlich nicht von einem Praktikanten lanciert.
Doch ein Gutes könnte der Kulturkampf ums Bier haben. Vielleicht greift der ein oder andere konservative Amerikaner in Boykott-Stimmung beim nächsten Einkauf mal zur Flasche oder Dose einer der vielen Craft-Beer-Brauereien. Denn entgegen der Wahrnehmung hierzulande braut man in Amerika mittlerweile besseres Bier als selbst in deutschen Bierregionen wie Franken. Die Bierkultur in Amerika könnte ein möglicher Gewinner der Trans-Debatte um Bud Light werden. Zumindest darf man sich das wünschen.
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