30. April 2023 20:00

Der nachlassende Sog des Westens Wandel durch Handel

Was ist von den ehemals freiheitlichen Systemen noch übrig?

von Stephan Unruh

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Früher glaubte man, dass die Strahlkraft des Westens, befeuert durch die dort herrschenden Freiheiten und den Wohlstand, ausreichend wäre, um nach und nach einen so großen Sog zu erzeugen, dass alle Menschen und somit auch deren Gesellschaften nach diesem Ideal strebten. So sollten sich Freiheit, Handel und Wohlstand – sprich (in westlicher Wahrnehmung) Demokratie und Marktwirtschaft – über die ganze Welt zum Wohle aller verbreiten.

Wenn ich mich nicht täusche, prägte Egon Bahr als damaliger Leiter des Presseamtes des Landes Berlin das Wort vom „Wandel durch Handel“, um die von Willy Brandt angestrebte neue Ostpolitik zur rechtfertigen. Auch der legendäre Daimler-Chef Edzard Reuter verwendete den Slogan mit Bezug auf Südafrika, als sich die Daimler AG den Sanktionen gegen das Land am Kap wegen der dortigen Praxis der Rassentrennung nicht anschließen wollte.

Tatsächlich war das Konzept nicht ohne Erfolg: Die Sowjetunion kollabierte, und die ehemalige Kapkolonie entledigte sich der Rassentrennung und gründete sich als „Regenbogennation“ neu – Letzteres sicherlich nicht wegen dortiger Mercedesverkäufe, aber der Zusammenbruch der Sowjetunion war eben nicht alleine der völlig maroden Wirtschaft geschuldet, sondern auch dem Umstand, dass die Menschen dort sahen, wie ungleich besser es den Menschen im Westen ging. Ganz besonders trifft dies auf die DDR zu – jeder wusste dank Westfernsehens und oftmals auch dank der eigenen Verwandtschaft, dass Honecker und Co schlicht abgefeimte Lügner waren und im Westen Wohlstand im Überfluss herrschte, während es im Osten an quasi allem mangelte (außer vielleicht an der Sättigungsbeilage). Deng Xiaoping war sich dessen ebenfalls bewusst, andernfalls hätte er  1979 nicht den Westwind hereingelassen. Er hatte erkannt, dass, falls China weiterhin das Armenhaus der Welt bliebe (zu dem es der Massenmörder und Psychopath Mao gemacht hatte), die Herrschaft der KP nur von kurzer Dauer bliebe. Weil China begann, sich frühzeitig zu reformieren, herrschen in Peking – anders als in Moskau – immer noch die Kommunisten.

Schade eigentlich, aber zurück zum Thema: Ich bin im meinem Leben inzwischen auch etwas herumgekommen, habe in Mexiko und Malaysia gelebt und viele Länder bereist. Wo immer ich war, träumten die Menschen davon, in den Westen zu gehen. Bemerkenswerterweise oftmals eben jene, die eigentlich gar nicht so schlecht gestellt waren. Aber ihnen war eben besonders bewusst, dass sie in einem freiheitlichen System mit rechtsstaatlichen und vertrauenswürdigen Institutionen am allermeisten profitieren würden.

Genau das hat sich geändert. Der Westen hat an Strahlkraft und damit auch an Sog verloren. Sicher, es stauen sich immer noch Millionen von Afrikanern und Arabern an den südlichen Küsten des Mittelmeers, um das restliche Leben auf Kosten der deutschen Zahler zu verbringen, und Ähnliches gilt für die Südgrenze der USA (allenfalls mit dem Abstrich, dass in den USA der Steuerzahler noch nicht komplett für die Migranten aufkommt). Und, ja, auch die meisten Chinesen schicken ihre Kinder noch zum Studium in die USA … Aber da wird der Unterschied schon augenscheinlich: Denn die meisten von ihnen gehen nach ein paar Jahren im Ausland zurück nach China. Reich an Erfahrung und Wissen fangen sie nun an, in der Heimat etwas aufzubauen. Sie kommen zurück, weil sie in China plötzlich mehr und bessere Chancen sehen, um ihre Träume zu verwirklichen. Weil sie hier schneller ihre Unternehmen aufbauen können. Weil sie hier in der Regel Unterstützung durch die lokale Politik erfahren und nicht wegen eines Lurchs im Dorfbrunnen plötzlich eine Milliarde US-Dollar abschreiben müssen …äh … dürfen.

Es ist aber nicht nur der Umstand, dass man nun plötzlich in China, Vietnam, Thailand oder auch Brasilien schneller reich und insgesamt erfolgreicher werden kann als in Nordamerika oder Europa. Durch die „Umwertung aller Werte“ im „Wertewesten“ verliert er auch den Wettbewerb um die gesellschaftlichen Ideen: Für die allermeisten Menschen ist es eben nun einmal nur recht wenig attraktiv, sich von ebenso hysterischen wie ungebildeten Klimawandelweibern gängeln lassen zu müssen, insbesondere dann, wenn die Anführerin derselben zum einen mäßig attraktiv und zum anderen offenkundig geistig etwas zurückgeblieben ist (mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass die zahlreichen Männer schon genug mit der besseren Hälfte daheim zu kämpfen haben). Auch hält eben jener Teil der Menschheit die Vorstellung, dass man sich seines Geschlechts einfach so entledigen und stattdessen eines von 756 eingebildeten annehmen könnte, eher für absurd als für nachahmenswert und vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass das hohe Lied auf die Homosexualität, wenn überhaupt, im Schlafzimmer und nicht in der Öffentlichkeit zu singen ist. Eine gute Milliarde Mohammedaner übrigens – man kann es nicht oft genug betonen – halten dieses Lied für todesstrafenwürdig. Auch will das Gros der Menschheit nicht auf zuverlässige Elektrizität und Ähnliches verzichten. Südostasiaten mögen gegenüber dem Konsum von Insekten aufgeschlossen sein, aber warum sollten sie dann überhaupt die Heimat verlassen? In Europa gezüchtete Kakerlaken sind gewiss nicht billiger als die frei verfügbaren Geschöpfe in der Heimat …

Bemerkenswerterweise aber schielt man im Westen nun schon seit geraumer Zeit in Richtung anderer, zunehmend erfolgreicher Staaten, insbesondere China, und meint sich in mancher Hinsicht auch an diesen orientieren zu können oder gar zu müssen. Leider aber nicht in Sachen Leistungsbereitschaft, Bildungshunger oder Stellenwert der Familie – vielmehr gedenkt man jene Aspekte zu importieren, die so gar nichts mit Freiheit und Marktwirtschaft zu tun haben.

Schon vor Jahren wurde davon fabuliert, dass China ja zeigen würde, was man mit einem „wohlwollenden Diktator“ alles erreichen könne (Chinas aktueller wohlwollender Diktator sperrt 2,5 Millionen Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft in KZs). Während der Plandemie orientierte sich die gesamte Welt an den absurden und völlig nutzlosen Lockdowns und Abschottungsversuchen Chinas und warf jegliche Rechtsstaatlichkeit über Bord. Verträge gelten für die Staaten des Westens auch nur noch dann, wenn (metaphorisch gesprochen) die Sonne scheint: Das römische „Pacta sunt servanda“ scheint in Brüssel ähnlich unbekannt wie in Peking, und es überrascht wohl kaum, dass in der EUdSSR ständig über „Social-Credit-Systeme wie in China“ berichtet und das Overton-Fenster damit in die entsprechende Richtung geschoben wird, obwohl es derartige Systeme im Reich der Mitte gar nicht gibt (zumindest nicht in der Form, wie das in westlichen Medien kolportiert wird – ich schreibe dazu mal etwas in einer meiner kommenden Kolumnen).

Und so bleibt festzuhalten: Wandel durch Handel funktioniert, aber das Konzept beschreibt – vermutlich sogar zur Überraschung ihrer Erfinder – keine Einbahnstraße. Als Deng sich damals dem Westen öffnete, versuchte er behutsam die Erfolgskonzepte der westlichen Länder zu kopieren und zu implementieren. Je mehr der Westen jedoch in die Verliererstraße einbiegt, desto mehr scheinen dessen „weise“ Führer geneigt, die politischen Konzepte totalitärer Aufsteiger zu übernehmen, anstatt sich damit zu beschäftigen, was den Westen einst groß machte und was ihn nun klein macht …


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