02. Mai 2023 20:00

Praxeologie Was bedeutet Herrschaft?

Es gibt kein „Gewaltmonopol“, das die Selbst-Souveränität der Einzelnen aufheben könnte

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Zwang ist nicht Zustimmung: Und dennoch die Hauptsäule des Staates

Oftmals lesen Sie in den Medien über das „Gewaltmonopol“ des Staates und wie wichtig dies sei. Doch was ist mit diesem „Gewaltmonopol“ letztlich gemeint? Dass nur die Menschengruppe „Staat“ Gewalt hat, kann wohl nicht gemeint sein. Selbst nach positivem (gesetztem respektive erzwungenem Recht) Recht „dürfen“ die Menschen sich und andere in Notwehrsituationen verteidigen. Mit „Gewaltmonopol“ ist gemeint, dass die Herrschaft über die Menschen, also diese zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen zu zwingen, dass diese Macht letztlich bei der Menschengruppe „Staat“ konzentriert ist – oder sein sollte. Doch was bedeutet Herrschaft aus handlungslogischer Sicht?

Zunächst bedeutet Herrschaft nicht, dass die jeweilige Herrschergruppe die Gewalt über die Untertanen hätte wie etwa ein Maschinenbediener über seine Maschine – so sie denn einwandfrei funktioniert –, denn Maschinen versuchen nicht, ihre Unzufriedenheit zu vermindern, Handelnde tun dies aber. Auch bedeutet Herrschaft nicht, dass die Herrschergruppe es in ihrer Gewalt hätte, jedes Individuum „auszuschalten“, denn nur weil man etwas „kaputtmachen“ kann, beherrscht man es noch nicht.

Herrschaft im engeren Sinne bedeutet handlungslogisch, einen anderen unter Einsatz von Täuschung und/oder Zwang zu einer Handlung oder Unterlassung bringen zu können, die er ohne die Täuschung oder den Zwang nicht ausgeführt oder unterlassen hätte. Einerseits psychisch, indem mit Täuschung, also Indoktrination und Propaganda, den Menschen Fehlvorstellungen „antrainiert“ werden sollen, die sie bestenfalls dasjenige, was man von ihnen will, vorgestellt aus „eigenem Willen“ tun lassen. Da man sich hier aber nie so sicher sein kann, setzen Herrschergruppen andererseits auf physische Dominanz. Das heißt, den Unterworfenen wird für den Fall der Zuwiderhandlung ein Übel angedroht. Üblicherweise sind dies Zwangsgeld, Zwangshaft und unmittelbarer Zwang, also letztlich Gewalt.

Im Fall der Bedrohung der Betroffenen treffen diese jedoch selbst die Wahl, wie sie das angedrohte Übel im Vergleich zu dem Übel bewerten, das sie erfahren, wenn sie „gehorchen“. Es liegt kein Automatismus vor, die Herrschergruppen haben keine „Fernbedienung“ für diese Entscheidung der Einzelnen. Jeder entscheidet selbst. Man kann eine Maschine in diesem mechanistischen Sinne beherrschen oder ein Handwerk, aber wollende Wesen: Nie.

Einer Maschine ist der Zweck von außen beigelegt durch ihren Erbauer oder Verwender. Ein Lebewesen ist handlungslogisch Selbstzweck, das heißt, es entscheidet stets selbst, was seine Unzufriedenheit am meisten vermindert. Man kann natürlich versuchen, den Willen des Individuums psychisch zu manipulieren, aber am Ende des Tages bleibt der Betroffene in dem Sinne „Herr im Haus“ seines Geistes, weil er durch eigenes Denken und Handeln seine Einstellungen und Überzeugungen selbst ändern kann und dann gemäß dem eigenen Willen entscheidet.

Auch andere Lebewesen können nicht in dem Sinne beherrscht werden wie Maschinen. Wenn mir jemand auf der Hundewiese sagt, sein Hund beiße nicht, ist seine Aussage a priori falsch. Denn aus der Erfahrung kann er höchstens wissen, dass sein Hund bisher nicht gebissen hat, aber nicht, dass dieser auch künftig nicht beißen wird. Der Hund entscheidet selbst in jedem Moment, was seine Unzufriedenheit am meisten vermindert, und wenn ihm ein anderer Hund derart missfällt, dass er dieses Mal lieber zubeißt, wird er es tun. Natürlich versucht der Hundebesitzer ebenso durch psychologische Manipulation und physischen Zwang auf das Verhalten „seines“ Hundes einzuwirken, damit dieser den Befehlen des „Herrchens“ gehorcht. Aber bei Hunden ist das zuweilen eben schwieriger als bei Menschen.

Ein „Gewaltmonopol“ respektive Herrschaft bedeutet also nicht, dass die „Souveränität“ der Einzelnen, also ihre Letztentscheidungs-Kompetenz bei einer Gruppe von Menschen konzentriert wäre – das ist unmöglich. Die Souveränität des Einzelnen ist tatsächlich „unveräußerlich“. Das Lateinische „Individuum“ kommt von „in-dividere“, also unteilbar. Das bedeutet nicht, dass der Mensch in dem Sinne unteilbar wäre, weil er stirbt, wenn man ihn in der Mitte durchschneidet – obgleich auch das der Fall ist. Es bedeutet, dass sich der menschliche Geist nicht vom Körper „abteilen“ lässt, sondern unteilbar mit dem physiologischen Phänomen verbunden ist.

Man kann einer Herrschaft zustimmen, dann ist dies die eigene souveräne Entscheidung. Stimmt man aber nicht zu, dann wird man nicht in quasi mechanistischer Art und Weise „beherrscht“, sondern schlicht bedroht, und jedermann bleibt souverän, zu entscheiden, wie er mit der Drohung umgeht. Der Einzelne mag zwar ohnmächtig sein, sich gegen eine „Herrschergruppe“ zu wehren. Aber er ist nicht ohnmächtig, zu erkennen, dass ihm nie seine Souveränität in dem Sinne genommen werden kann, dass andere es in ihrer Gewalt hätten, ihm ihren Willen „überzustülpen“.

Ein „Gewaltmonopol“ in dem Sinne, dass Herrschaft bedeuten würde, man habe die Entscheidungen der anderen „in seiner Gewalt“, kann es also nicht geben. Menschen sind eben keine Maschinen. Und so betrachtet leuchtet auch Immanuel Kants (1724–1804) Schlusssatz in seiner Schrift „Was ist Aufklärung“ (1784) ein: Dass der Mensch einen eigenen Willen hat (Kant: einen „Hang zum freien Denken“), werde dereinst auch auf die „Grundsätze der Regierung“ zurückwirken, und die Regierung werde es „ihr selbst zuträglich“ finden, „den Menschen, der nun mehr als Maschine ist, seiner Würde gemäß zu behandeln.“

Quellen:

Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? – Zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)


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