Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE): Es nützt wenigen und schadet vielen
Wer kriegt die Wohnung: Maria oder Ali?
von Stefan Blankertz
Das bedingungslose Grundeinkommen war einmal ein Gedankenspiel des neoliberalen Wirtschaftsprofessors Milton Friedman. Nähmen wir alles das zusammen, sagte er vor mehr als einem halben Jahrhundert, was an Umverteilungsgeld an die wirklich oder scheinbar Armen gezahlt werde, und teilten es durch die Bezugsberechtigten, könnten wir ihnen weit mehr geben als bisher und gleichwohl noch eine ganze Menge einsparen. Damit wollte er deutlich machen, wie viel die Verteilungsbürokratie kostet, die nach den komplizierten Schlüsseln der Berechtigung das Geld verteilt und dabei selber mehr Geld verschlingt, als sie an die Bedürftigen weitergibt. Heute sähe diese Rechnung noch krasser aus, denn bekanntlich sind die Sozialausgaben seit jener Zeit unermesslich gestiegen. Ob Friedman jemals meinte, sein Gedankenspiel solle als bedingungsloses Grundeinkommen umgesetzt werden, ist eine akademische Frage, die nicht mehr interessiert, denn inzwischen steht er als Neoliberaler sowieso auf der Schwarzen Liste, während sein bedingungsloses Grundeinkommen auf der guten, der „linken“ Seite angekommen ist. „Warum es nicht einmal ausprobieren?“, heulen die ökonomisch naiven Befürworter heute.
Um die ökonomische Naivität aufzuzeigen, greife ich ein Beispiel heraus, das zumindest in den Großstädten ein wesentlicher Punkt der Diskussion ist: die Wohnungsfrage. Die Befürworter des BGE gehen davon aus, dass diejenigen, die derzeit Schwierigkeiten haben, die Miete für eine anständige Wohnung aufzubringen, mit dem BGE im Rücken zu glücklichen Mietern der erträumten Wohnung würden. So einfach wäre das! Die naive Kalkulation lautet: Der Haushalt mit kleinem Einkommen verfügt mit dem Zusatz des BGE über genügend Geld, um sich eine bescheidene, aber schöne Wohnung zu leisten. Schön wäre es. Aber ist es so einfach? Die harte Realität sieht anders aus.
Betrachten wir die Situation unter Zuhilfenahme von zwei harten Fakten, die sicherlich niemand wird bestreiten können, nämlich erstens: Hohe Mietpreise drücken eine Knappheit relativ zur Nachfrage nach Wohnraum in einer bestimmten Region aus (zum Beispiel München oder Berlin). Wenn relativ zur Nachfrage in einer bestimmten Region ein Überangebot an Wohnraum besteht, sind die Mieten niedrig (so in vielen ländlichen Regionen und Kleinstädten).
Und nun das zweite harte Faktum, dass die Befürworter des BGE ständig geflissentlich übersehen (oder aufgrund ihrer Naivität nicht zu sehen vermögen): Durch das BGE wird keine einzige zusätzliche Wohneinheit in der Region mit Knappheit zur Verfügung gestellt. Noch einmal zum Mitschreiben: keine einzige! Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bleibt völlig konstant.
Um es ganz anschaulich zu machen: Da gibt es in der Gartenstraße die kleine schnuckelige Einraumwohnung. Die junge Grafikdesignerin Maria, blond und blauäugig, gerade mit dem Studium fertig und in ihrem ersten hochdotierten Job bei einer angesagten Werbeagentur, hat sich in sie verguckt und möchte dort einziehen – genauso wie Ali, Vater zweiter halbwüchsiger Kinder, die Frau hat er während der Flucht ans Meer verloren, verzweifelt, schwarzhaarig, hager, traumatisiert, aber für seine Kinder kämpfend. Er wäre zufrieden mit dieser Einraumwohnung, irgendwie würden sie es schon hinkriegen auf so wenigen Quadratmetern. Doch wie soll er sie finanzieren?
Das BGE wird ihm helfen. Denn nun kann er mit Maria mithalten und die geforderte Miete zahlen.
Allerdings: Die Idee des BGE besteht darin, dass jeder den gleichen Betrag erhält, ohne Ansehen der Person. Denn alles andere würde ja in die teure Verteilungsbürokratie zurückführen; denn in diesem Fall müssten wieder Ansprüche geprüft werden und so weiter, was Unmengen an Geld verschlänge, die durch das BGE eingespart werden sollen. Was heißt das nun bezogen auf unseren konkreten Fall? Genau. Maria erhält zusätzlich zu ihrem eh schon vergleichsweise üppigen Lohn das BGE, genau wie Ali. Sie ist dementsprechend bereit und in der Lage, deutlich mehr für die Wohnung zu bieten.
Die naiven BGE-Befürworter sitzen der Geldillusion auf: Sie glauben, Geld regiere die Welt und schaffe Wohlstand. Aber sie sind nicht allein. Die große Mehrheit der ökonomischen Pseudowissenschaft verkündet die Geldillusion seit Jahrzehnten; oder ist inzwischen bereits ein Jahrhundert voll? In Wirklichkeit schafft nur Arbeit Wohlstand. Nur Arbeit schafft Wohnraum. Nur mehr Arbeit verschafft mehr Wohnraum. Jeder, der Arbeit abschreckt, schadet den Armen. Jeder, der Arbeit fördert, nützt den Armen. Nützt Ali und seinen Kindern; wohlgemerkt: ohne dabei Maria zu schaden. Das ist das Wunder des Marktes.
Neben der Geldillusion treibt eine zweite Illusion die BGE-Befürworter um, und das ist die Illusion des festen Preises. Anscheinend glauben sie, dass der Mietpreis wie jeder andere Preis eine feststehende Größe zu einem gegebenen Zeitpunkt sei. Haben wir für die besagte Wohnung vor der Einführung des BGE einen bestimmten Preis, würde der Preis nach der Einführung des BGE der gleiche bleiben. Aber das macht keinen Sinn. Da nun jedermann und auch jedefrau über genau den Betrag des BGE mehr verfügt, müssen die Preise von allem und jedem in Summe um genau den Betrag des BGE steigen. Warum? Weil der Betrag des BGE die Nachfrage steigert. Wenn die Preise stabil blieben, würden die ersten Nachfrager zwar zum alten Preis befriedigt, aber die letzten Nachfrager stünden vor leeren Regalen – oder in Fall meines Beispiels: vor bereits vermieteten Wohnungen.
Das BGE nützt wenigen.
Es schadet vielen.
Natürlich engagiert sich Marie für das bedingungslose Grundeinkommen. Denn sie will ja, dass es auch Ali gut geht. Nur diese Wohnung, tut mir leid, Ali, in die habe ich mich verguckt. Durch das BGE aber bist du in der Lage, eine andere schöne Wohnung für deine Kinder und dich zu kriegen. Maria, blond und blauäugig – was für eine Heuchlerin du bist.
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.