06. Mai 2023

Christliche Feiertage Staatsreligion ohne Gott

Den Glauben zu Tode geschützt

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: FooTToo / Shutterstock Fronleichnamsprozession in Benediktbeuern: Einer von vielen gesetzlichen Feiertagen in Bayern

Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Fronleichnam: Der Kalender in Deutschland, und besonders in Bayern, ist voll mit christlichen Feiertagen. Als jemand, der im ländlichen Oberfranken aufgewachsen ist, habe ich das nie hinterfragt und mich über einen schul- oder später arbeitsfreien Tag gefreut. Anders meine amerikanische Frau, die erst seit ein paar Wochen in Deutschland lebt und zum ersten Mal in ihrem Leben mit einer Flut religiös begründeter Feiertage konfrontiert ist. „Ist das Christentum in Deutschland denn Staatsreligion?“, fragte sie mich neulich, als dieses Thema wieder einmal aufkam. 

Der einzige öffentliche Feiertag in den USA, den man christlich herleiten kann, ist Weihnachten. Dieses Fest wird allerdings mittlerweile auch von vielen nicht religiösen oder gar andersgläubigen Amerikanern gefeiert und hat heute eher eine kulturelle Bedeutung. 

Wäre hierzulande mit den Feiertagen, anders als in den USA, nicht der Zwang zum Ladenschluss und andere staatliche Schikanen verbunden, könnte man dies als verkrusteten Spleen eines Landes abtun, das doch an anderen Stellen seine christlichen Wurzeln längst gekappt hat. In den USA dürfen Geschäfte selbstverständlich an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr geöffnet haben. Die Vorstellung, dass die Regierung privaten Ladenbesitzern diktiert, wann sie ihr Geschäft auf- und zusperren müssen, ist für die freie amerikanische Seele eine Zumutung – zumindest galt das bis Covid. 

Im bayerischen Gesetz über „den Schutz der Sonn- und Feiertage“ heißt es zudem: „An Sonntagen und den gesetzlichen Feiertagen sind öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen, verboten.“ Mit anderen Worten: Die Regierung verbietet einem an diesen Tagen sogar das Rasenmähen auf dem eigenen Grundstück. So was kann man einem Amerikaner nicht erklären. 

Doch damit nicht genug: An sogenannten stillen Tagen wie Karfreitag oder Allerheiligen sind in Bayern „öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“. Also statt tanzen und fröhlich sein, Leichenbittermiene qua Gesetz. Nicht dass einem das mit Blick auf das heutige Bayern schwerfällt. Auch an den nicht stillen Tagen gibt es zwischen Hof und Garmisch-Partenkirchen mittlerweile nicht mehr viel zu lachen. In den USA wäre eine vergleichbare Regel niemals mit dem Ersten Verfassungszusatz in Einklang zu bringen.

Fairerweise muss man anmerken, dass es sich bei solchen „stillen Tagen“ nicht nur um kirchliche, sondern auch um zivilreligiöse Feiertage wie etwa den Volkstrauertag handelt. Dieser müsse ein „stiller Tag“ sein, um nicht nur den Weltkriegstoten, sondern auch den „59 in Afghanistan gefallenen Bundeswehrsoldaten weiterhin in Ehrfurcht und Würde“ zu gedenken, hieß es vor zwei Jahren dazu aus der Fraktion der Freien Wähler. Meinetwegen soll die Bundeswehr im Bendlerblock in Berlin den jungen Männern gedenken, die den Lügen ihrer Regierung geglaubt und dabei am Hindukusch den Tod gefunden haben. Ich will damit jedenfalls nichts zu tun haben.

Besonders ulkig wird es dann, wenn sich viele Bayern über die wiederholten und im gegenwärtigen Kontext durchaus nachvollziehbaren Forderungen von Muslimen nach einem eigenen Feiertag empören. „Bayern ist ein christliches Land“, werden dann bierselig gerne die Worte des bayerischen Ministerpräsidenten aus dem Winter 2020 nachgeplappert, der immer wieder „die Ehrfurcht vor Gott“ als „Erziehungsziel“ der bayerischen Verfassung betont. Eine Ehrfurcht, die man dem Ministerpräsidenten mit Blick auf die vergangenen drei Jahre auf ganzer Linie absprechen muss.

Als gläubiger Christ, für den der Kirchenkalender wenig Bedeutung hat, liegt es mir fern, die religiösen Gefühle anderer Christen zu verletzen. Ich mähe am Karfreitag keinen Rasen, und selbst an Allerheiligen halte ich mich als Protestant zurück (übrigens eine Zurückhaltung, die am Buß- und Bettag in meinem katholischen Dorf keine Erwiderung findet). Ich tue dies allerdings freiwillig und würde nie von einem Nichtchristen erwarten, dass er an diesen Tagen auf meine Befindlichkeiten Rücksicht nimmt. Und schon gar nicht mache ich mir als Christ den Staat zunutze, um meine religiösen Überzeugungen der Allgemeinheit überzustülpen und ein ganzes Land in die Geiselhaft meiner christlichen Weltanschauung zu nehmen. Wo bleibt hier der Respekt vor Nichtgläubigen?

Sie mögen sich an dieser Stelle vielleicht fragen, welche Feiertage ich denn vorschlage, da ich doch offenkundig die Streichung aller christlich motivierten fordere. Die Antwort lautet: gar keine. Freie Tage sollten ganz ohne staatliche Mitwirkung zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber ausgehandelt werden. Da werden dann vielleicht manche etwas mehr Wert auf Freizeit und andere Arbeitnehmer etwas mehr auf den Verdienst legen, so wie es für jeden individuell passt. Wann ein Einzelhändler seinen Laden öffnet, geht den Staat nichts an! Private Schulen sollen schulfreie Tage selbst festlegen, und Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft können von mir aus gerne auch noch an Mariä Empfängnis zusperren oder was Katholiken halt sonst noch so feiern. Die staatlichen Indoktrinationsanstalten braucht kein Mensch.

Der christliche Glaube benötigt keinen staatlichen Schutz. Man muss sich nur anschauen, wie Kirchen in Amerika ganz ohne gesetzliche christliche Feiertage florieren und welch armseliges Bild das Christentum in Deutschland abgibt. Glaube ist Privatsache. Das enge Miteinander von Staat und Kirchen hierzulande hat den Glauben nicht gestärkt – es hat ihn zerstört.


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