09. Mai 2023

Praxeologie Immer dieselben! Die radikalisierte „Mitte“?

Haltungsfragen

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Mittel der Zwangsherrschaft: Von Panik-Narrativ zu Panik-Narrativ

Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen, dass nach den Zwangsmaßnahmen, die mit Corona begründet wurden, sich nahtlos solche anschlossen, die mit Krieg oder dem Wandel des Klimas begründet werden. Bei den Menschen, die sich für solche Narrative und die damit begründeten Zwangsmaßnahmen begeistern können, scheint es große Überschneidungen zu geben. Viele, die den Impf- oder Maskenzwang gutfanden, können sich auch für erzwungenen Atom- oder Verbrenner-Ausstieg oder erzwungene Sanktionen im Energiesektor begeistern. Der „aktuelle Aufreger“, also das Narrativ, ändert sich, die Anhänger des Narrativs bleiben weitgehend dieselben. Da die Tat der Idee folgt, letztlich also die Haltungen der Menschen zu sich und der Welt maßgeblich sind für ihr Denken und Fühlen und damit für ihr Handeln, wollen wir uns kurz ansehen, welche Haltungen solche Menschen haben müssen, denn man kann vom Handeln auf die – oft unbewussten – Haltungen zurückschließen.

Ungünstige Haltungen: Schuld, Ungenügen und Angst vor Trennung

Eine kennzeichnende Haltung ist, dass sich Menschen schuldig fühlen, auch wenn sie sich selbst zu nichts verpflichtet haben. Sie glauben dann beispielsweise, ein einseitig aufgezwungener Befehl zum Tragen einer Maske sei eine „Maskenpflicht“. Sie glauben auch an „Wehrpflicht“, „Schulpflicht“ oder dergleichen, an einen einseitig aufgezwungenen fiktiven „Gesellschaftsvertrag“ und so weiter. Ursächlich für diese Haltung ist – in aller gebotenen Kürze einer Kolumne und mit Hinweis auf vertiefende Quellen am Ende des Artikels –, dass ihnen dies in der Kindheit so antrainiert wurde, sowohl von Eltern als auch von amtlichen Erziehern sowie durch Narrative in den vorgeblich berichtenden Medien und in den Unterhaltungsmedien. Die Narrative, dass man einer Autorität Gehorsam schuldig sei, reichen bis zum Anbeginn der Zivilisation zurück und dienen der Festigung der Macht durch eine psychische Grundlegung im Denken der Betroffenen. Vom Pantheon der Oligarchen, dem Götterhimmel, über das Boss-Gott-Narrativ der Amtskirche des Mittelalters und die Idee des aufgezwungenen fiktiven Gesellschaftsvertrages bis hin zum politischen Szientismus, dass Herrschaft wissenschaftlich begründbar sei.

Die Haltung, dass der Mensch im Prinzip ein Schuldiger sei, ein Schuldner oder gar Sünder, wurde mit Propaganda und Indoktrination erkämpft, mit Narrativen wie beispielsweise der Erbsünde in der West-Kirche, und diese Haltung wurde nach Auffassung mancher auch im 13. und 14. Jahrhundert instrumentalisiert und diente dem aufkommenden Teilreserve-Kreditwesen als Narrativ zur „Rechtfertigung“ von Krediten an Zwangsherrscher und Staatsanleihen. Der Mensch sei ja seinem Wesen nach schließlich ein Schuldner und deshalb sei auch nichts Schlimmes an der Verschuldung. Und das Schuld-aus-dem-Nichts-heraus-Narrativ wirkt heute noch in Menschen, die meinen, andere schuldeten ihnen etwas, auch wenn diese anderen sich ihnen gegenüber zu gar nichts verpflichtet haben. Menschen mit solchen Haltungen glauben, dass ihnen friedliche andere, die ihnen nichts getan haben, ja die sie noch nicht einmal persönlich kennen, dass ihnen diese anderen tatsächlich etwas schuldeten, etwa einen Anteil ihres Einkommens, das Tragen von Masken oder Dulden einer Injektion – bis hin zu Vorstellungen wie „die Welt“ schulde ihnen „Gerechtigkeit“ oder dergleichen.

Eine weitere verbreitete Haltung ist die des Ungenügens. Man erkennt sich selbst nicht als notwendiges Ergebnis von Ontogenese, Phylogenese und Weltgeschehen, also jemanden, der nicht anders werden konnte, als er es eben wurde, und der gar nicht anders kann, als immer sein Bestes zu geben in jeder Situation. Man negiert also die Schlussfolgerung der Handlungslogik, dass das, was geschieht, unvermeidlich geschehen musste, und wähnt sich – und auch die Welt und die anderen – als ungenügend. Auch diese Haltung wurde Kindern antrainiert, wenn man ihnen sagte, dass sie sich erst noch entwickeln müssten und man ihnen dabei auch noch Vorschriften machte, wie und wohin sie sich zu entwickeln hätten, um zu genügen. Und in der Schule bekommt das Kind dann auch tatsächlich ein „mangelhaft“ oder gar „ungenügend“ attestiert, wenn es nicht mit-tickt.

Wer diese Ungenügen- und Schuld-Narrative als Grundhaltungen angenommen hat, der kann sich damit depressiv verstimmen, wenn er sie gegen sich selbst richtet. Oder er kann in narzisstisch, psychopathisch oder soziopathisch anmutender Art und Weise agieren, wenn er die Narrative gegen andere richtet: Ungenügend sind immer die anderen! Schuld sind immer die anderen! Oder er kann die Narrative kombiniert gegen sich und andere richten.

Eine weitere elementare Haltung ist die Angst vor Trennung, die letztlich die Angst vor dem Tod ist. Auch diese Haltung ist infantilen Ursprungs, wäre das Kleinkind doch ohne die umsorgenden Eltern verloren. Diese Menschen möchten gemocht werden, und Personen, die diese Angst auch noch im Erwachsenenalter haben – und wer ist schon ganz frei davon – und die meinen, dass sie diese Angst nicht ertragen könnten und die das nicht reflektieren können, sind leicht aus der Fassung zu bringen. Sie wollen sich nicht ängstigen. Sie haben Angst vor der Angst. Sie haben Angst, dass sie in Panik geraten könnten – und Panik, also Kontrollverlust über die Funktionen des Ichs, ist quasi der Gipfelpunkt der Angst.

Diese Angst vor Trennung wird bei Kindern und Erwachsenen noch vertieft, wenn man ihnen beibringt, sie wären als Individuen nicht integraler, konstitutiver Teil dieses Universums beziehungsweise des Seins, sondern irgendwie in diese Welt hineingesetzt, isoliert: Da ist das Universum, ein willenloser, mechanistischer Vorgang aus Energiewirbeln, und darin bist du. Anstatt zu sagen, du bist als Teil des Seins auch das Sein selbst, und da du konstitutiver Teil des Universums bist, ist es keineswegs ein lebloses Universum, sondern ein wollendes, fühlendes. Sie trennen sich im Gedanken sogar von der sie umgebenden Umwelt ab, deren integraler Bestandteil sie sind: Da ist der Mensch und dort ist die Umwelt, die Natur. Der Mensch verschmutzt die Umwelt! Sie trennen sich auch von ihren Mitmenschen ab: Da bist du und dort ist der Andere, anstatt zu sagen: Du bist in deiner Ontogenese und Phylogenese beides: Verbunden mit den anderen in Sprache und Mensch-Sein und einzigartige Ausprägung des Seins aus einer einmaligen Perspektive.

Diese drei Kern-Narrative: Schuld, Ungenügen und Angst vor Trennung und Tod lassen sich nun einerseits instrumentalisieren, andererseits kann sich auch eine Eigendynamik aus diesen Fehlhaltungen ergeben, die sich durchaus auch gegen diejenigen richten kann, die mit Narrativen diese Fehlhaltungen befeuern oder in eine gewisse Richtung lenken möchten, um ihre Sonderinteressen durchzusetzen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das wusste schon Immanuel Kant (1724–1804) und drückte dies in seiner Schrift „Was ist Aufklärung“ (1784) aus. Und Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) ließ seinen Zauberlehrling (1797) sagen: „Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“

„Bereichshaltungen“

Es gibt nun Menschen, bei denen diese Haltungen ausgeprägter sind, und Menschen, die diese Haltungen besonders in gewissen Bereichen haben, in die sie ihr Leben einteilen, beispielsweise „im Dienst“ oder im Einsatz für eine gewisse Sache, etwa für das Klima. Die FAZ berichtete, dass „Klima-Aktivisten“ ihren Flug nach Thailand damit „verteidigt“ hätten, dass sie den Flug „als Privatleute gebucht“ hätten, „nicht als Klimaschützer. Das muss man auseinanderhalten.“ Solche „Bereichshaltungen“ findet man beispielsweise auch bei Menschen, die mit dem Aufzug ins Fitness-Center fahren, um dann eine Dreiviertelstunde auf dem Stepper Treppensteigen zu simulieren.

Besonders aktiv können die vorbenannten ungünstigen Haltungen im Übrigen werden, wenn die Menschen, die sie ausagieren, sich ihrer gar nicht bewusst sind, wenn sie ihr Denken und Fühlen nicht zurückverfolgen können zu ihren zugrundeliegenden Einstellungen und Überzeugungen.

Menschen im Hyper-Dauer-Angst-Modus

Wir beobachten heute, dass es größere Überschneidungen bei den Gruppen von Menschen zu geben scheint, sowohl personell als auch vom Weltbild her betrachtet, die sich durch die jeweiligen zu Anfang beschriebenen Narrative in einer Art Hyper-Dauer-Angst zu befinden scheinen. Der Krisenmodus als Normaleinstellung. Eine Hyper-Angst beispielsweise vor einem dräuenden Weltuntergang durch eine Klimakatastrophe oder vor einer Mega-Katastrophe durch eine Krankheitswelle. Sie agieren dann ihre Schuld- und Ungenügen-Haltungen an sich selbst und ihren Mitmenschen aus: Selbst- und fremdzerstörerisch wirkt ihr Handeln von außen betrachtet und ihr ersehntes Mittel ist stets der Zwang gegen andere, also letztlich Gewalt. Dem anderen soll es keineswegs freigestellt sein, sich nicht von der Hyper-Angst hinreißen zu lassen oder sich von denen in Panik abzusondern oder in Ruhe gelassen zu werden, sondern ihre Haltung zu den anderen ist: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“, wie Goethe seinen Erlkönig (1782) sagen ließ.

Fazit

Wenn man sich eine friedliebendere Gesellschaft wünscht, dann müsste man bei den Haltungen der Menschen zu sich und der Welt ansetzen und ihnen freundlichere Haltungen vorschlagen. „Das Publikum“, so Kant, könne nur langsam zur Aufklärung gelangen. Und davor machten Reformen hin zu einer friedlicheren Gesellschaft wenig Sinn, da diese Reformen nicht von den Haltungen der Menschen und daher auch nicht von ihrem Denken und Fühlen getragen wären. In ihren Grundhaltungen feindselig gesinnte Menschen haben nun einmal wenig Interesse daran, eine friedliche Gesellschaft zu errichten – und umgekehrt.

Quellen:

Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)

Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? – zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

„Sie haben den Flug als Privatleute gebucht“ (FAZ)


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