11. Mai 2023

Lautloser Krieg Der neue Terrorismus

Rechtfertigung zum Aufbau einer perfekten Sicherheits- und Überwachungsindustrie

von Monika Hausammann (Pausiert)

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Bildquelle: Felix Lipov / Shutterstock 9/11: Startschuss zur Terrorbekämpfung, mit der noch vorhandene Restfreiheiten endgültig zu Grabe getragen wurden

Während es sich bei der Aufstandsbekämpfung um breit angelegte Operationen handelt, deren anvisierte Zielgruppe eine gesamte Bevölkerung umfasst, die mittels psychologischer Aktionen beeinflusst werden soll, richtet sich die Terrorbekämpfung gegen einzelne Personen oder Gruppen. Hier ist das Ziel, sie aufzuspüren und zu bekämpfen. Die Devise lautet: jagen und töten.

Terroristen, so die offizielle Definition, sind Menschen, die zu kriminellen Gewaltaktionen greifen, um politische, religiöse oder ideologische Ziele zu erreichen. Vor dem Hintergrund der Kriegsdefinition nach Carl von Clausewitz, wonach Krieg ein Akt der Gewalt mit dem Zweck ist, den Gegner zur Erfüllung des eigenen Willens zu zwingen, stellt man fest: Der Unterschied zwischen einem Terroristen und einer Gruppe von Menschen, die sich „Regierung“ nennen, ist nur ein definitorischer: Tut es eine Regierung, ist es Politik, tun es andere, ist es ein Verbrechen. Aber dies nur nebenbei.

Damit Terroristen erfolgreich bekämpft werden können, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Es braucht Terroristen und es braucht einen uneingeschränkten Zugriff auf und Kontrolle der Information, um sie „jagen und töten“ zu können. 9/11 brachte die Terroristen und schaffte die Grundlage zum uneingeschränkten Abschöpfen von Informationen: den Patriot Act – ein Gesetz, das die Ermittlungen der Behörden bei Verdacht auf terroristische Bedrohungen vereinfacht durch die Einschränkung anderer, die Grundrechte der Bürger betreffende Gesetze. Mit dem Patriot Act müssen bei behördlich angenommener Bedrohungslage Internetprovider und Telefongesellschaften ihre Daten offenlegen; Behörden haben auch ohne Verdachtsmoment Zugriff auf die Bankdaten jeder Person; Hausdurchsuchungen dürfen ohne Wissen der betreffenden Person durchgeführt werden; Richter als Kontrollinstanzen solcher Maßnahmen werden weitgehend ausgeschaltet, und die Kompetenz zur Einordnung von Personen oder Gruppierungen als „terroristisch“ wurde vom Justizministerium weggenommen und dem Außenministerium, einer rein politischen Behörde, zugeordnet. Und die CIA schließlich, bisher offiziell der Auslandsgeheimdienst, der quasi keiner öffentlichen Kontrolle unterliegt, darf ab sofort auch im Inland operieren. Seine Entsprechung fand der Patriot Act auch in anderen Ländern in Form sogenannter Anti-Terror-Gesetze – so auch in Deutschland, wo zudem im Geheimen die Vereinbarung getroffen wurde, große, im Rahmen dieser Gesetze erhobene Datenmengen an die Agenturen und Geheimdienste der USA weiterzureichen.

Gleichzeitig und von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen entfaltete sich zuerst in den USA, später dann weltweit noch etwas anderes: die Kooperation zwischen den staatlichen Geheimdiensten und Sicherheitsagenturen und dem damals jungen Internet-Riesen Google. Das Pentagon hatte mit Arpanet bereits 1969 ein Proto-Internet gebaut. Offiziell deshalb, weil man eine dezentralisierte Kommunikations-Infrastruktur schaffen wollte, die einen Atomkrieg überstehen könnte; inoffiziell, weil man schon damals vom uneingeschränkten Sammeln und Auswerten von Informationen, von der Beobachtung der Welt und der Menschen in Echtzeit und von ihrer Beeinflussung und Steuerung – kurz: ihrer Beherrschung bei minimaler Gewalt und Sichtbarkeit – träumte. Das Internet, so schreibt der russisch-amerikanische Journalist Yasha Levine in seinem Buch „Surveillance Valley – Die geheime militärische Geschichte des Internets“, das in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit über lange Zeit als die Kreativ-Werkstatt freiheitsliebender Tech-Tüftler galt, die bloß in Ruhe ihr Ding machen wollten, habe schon immer einen doppelten Verwendungszweck gehabt: Information auf der einen Seite, Krieg auf der anderen. Mit den Ereignissen von 2001 wuchsen diese beiden Seiten und mit ihnen der Staat und Big Tech zu einem neuen Ganzen zusammen.

Damit war das geboren, was man als „hybride Kriegsführung“ bezeichnet: Kriege, die nicht nur mit sichtbarer militärischer Gewalt, sondern auch durch Informations- beziehungsweise Desinformationskampagnen mit einer Breitenwirkung geführt werden, von der ein Julian Huxley nie zu träumen gewagt hätte. Informations- und Desinformationskampagnen via Social Media und Suchmaschinen zur Verwirrung und Demoralisierung des Gegners durch einen Angreifer, der nicht zu sehen, nicht zu lokalisieren, nicht ins Visier zu nehmen und damit auch nicht zu bekämpfen ist. Exakt die Form der Kriegsführung durch dezentrale Netzwerke also, die man von den sogenannten Terror-Milizen im Irak und anderswo gelernt hatte.

Als die Unterstützung der Bevölkerung zu ihrer eigenen Überwachung im Namen des „globalen Kriegs gegen den Terror“ mangels sichtbarer terroristischer Bedrohung im Inland und angesichts höchst zweifelhafter Erfolge im Ausland in Kritik und Ablehnung umschlug, gab die damalige Außenministerin, Hillary Clinton, 2009 bekannt, die Regierung Obama wolle den Begriff nicht mehr verwenden. Nicht bekannt gab man, dass die mit Milliarden aufgebaute Überwachungsindustrie – ein Netzwerk mehr oder minder zusammengewachsener staatlicher und privater Akteure – auch nicht mehr verwendet werden solle. Sie wurde es – und sie wurde weiter ausgebaut unter dem Label der „beharrlichen Anstrengungen gegen Netzwerke von Extremisten“ (Obama, 2013). Denn schließlich waren die USA nicht die einzigen, die auf dem Gebiet der hybriden Kriegsführung kontinuierlich an Kompetenz gewannen – der „Feind“ tat es auch: Egal, ob im Rahmen des Ukraine-Konflikts, der seinen vorläufigen Höhepunkt in der Abspaltung der Krim fand, oder im Rahmen der Aktivitäten von Isis im Irak – alle, egal, ob „Freund“ oder „Feind“, waren sich darin einig, dass man sich, um in dieser Art Krieg erfolgreich zu sein, um jeden Preis die Mittel aneignen müsse, um die digitale Kommunikation und Information auf eine Weise zu kontrollieren, die es erlaubte, die Realität so darzustellen, wie sie die anvisierte Zielgruppe – die eigene Bevölkerung im Rahmen der Aufstandsbekämpfung oder der Feind zwecks Demoralisierung – wahrnehmen soll.

Selbstverständlich waren nie „wir“ es, die diese Art Krieg verschuldeten oder gar führten, verdeckte Operationen planten und durchführten, Cyberangriffe realisierten, Desinformationskampagnen lancierten und die Menschen beeinflussten – solch schmutziger Taktiken bedienten sich immer nur „unsere Feinde“, ab 2013 vorzugsweise die Russen und dann, gezielt potenziert um das Schlachtfeld „Inland“, die Russen mit Trump. Dabei ist vielen auch heute noch nicht bewusst, dass die von A bis Z erfundene Story über die Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen von 2016 durch die Russen zugunsten von Trump eine perfekt durchgeführte Operation hybrider Kriegsführung gegen die eigenen Leute war, die, völlig egal, ob das Weiße Haus nun an Demokraten oder Republikaner vermietet wird, einen einzigen Nutznießer hat: die Allparteien-Allianz und ihre Partner.

Durch das angebliche Unglück der Wahl Trumps zum Präsidenten aber war ein neuer „Krieg“ geboren, für den man die eigene Bevölkerung – auch und gerade die Intelligenzija – sowohl in den USA als auch hierzulande über den Trigger der moralischen Überlegenheit mobilisieren und rekrutieren konnte: Man überzeugte sie davon und begeisterte sie regelrecht dafür, in Kooperation mit den Behörden und NGOs gegen einen die gesamte Gesellschaft und die Demokratie bedrohenden Feind zu kämpfen: die Desinformation, die Trumps Wahl möglich gemacht hatte. Das war der Startschuss zu dem mit neuen Milliarden ausgestatteten neuen „Krieg gegen Desinformation“ im Allgemeinen (Aufstandsbekämpfung) und dem neuen Krieg gegen die Verbreiter von Desinformation im Speziellen (Terrorismus-Bekämpfung) – geführt über die alten und erweiterten Netzwerke des Kriegs gegen den Terror. Beide Bedingungen zur Terrorismusbekämpfung waren damit erfüllt: Es gab wieder Terroristen und es gab eine breite Zustimmung zum Zugriff auf und die Kontrolle über eine wie nie zuvor da gewesene Fülle von Informationen.

Vor diesem Hintergrund entstellen sich zwei Dinge zur Kenntlichkeit: Erstens – Information beziehungsweis Desinformation ist das, wovon die Allparteien-Allianz sagt, es sei Information oder Desinformation. (Man lasse nur die „Informationen“ von Regierungen zu Corona und der Impfung Revue passieren und das, was während der sogenannten Pandemie als „Desinformation“ galt und teilweise heute noch gilt.) Zweitens – Extremist oder Terrorist ist nicht länger, wer jemandem seine politischen oder ideologischen Ziele mit Gewalt aufzwingen will, sondern wer auf dem Wettstreit der Argumente beharrt und die Anmaßung einer exklusiven behördlichen Deutungsmacht infrage stellt. Mehr noch: Nicht wer Gewalt und Schrecken verbreitet, ist der Terrorist, sondern wer sich gegen die gewaltsame Meinungs- und Willensbeugung durch die Behörden wehrt und sich friedlich weigert, blind der offiziellen Erzählung, „der Wissenschaft“, „dem Staat“ et cetera zu „folgen“, sondern abseits davon auf eigene Verantwortung und in Ruhe sein Leben leben will. Kurz: Der Einzelne mit seinem Eigentum (Stirner) ist der neue Terrorist – Anonymität und Eigenverantwortung werden still und leise zu den schwersten Straftaten überhaupt aufgebaut.

Damit aber wird auch überdeutlich, was ein Herr Lauterbach meint, wenn er dem „Bild“-Schreiber in die Feder diktiert, es habe noch nie so viele Staatsfeinde gegeben wie heute. Staatsfeinde sind für Herrn Lauterbach nicht Feinde des Konstrukts Rechtsstaat, wie ihn die Verfassung vorsieht, oder Feinde der „Demokratie“, wie man den Leuten einzureden versucht – der pfeift ja selber auf den Rechtsstaat und hat auch für die „Herrschaft der Mehrheit“ ziemlich wenig übrig, wie man seit Jahr und Tag beobachten kann. Als „Staatsfeinde“ gelten neu ausschließlich die Feinde jener, die sich die Demokratie und die Institutionen des Rechtsstaats zum eigenen Machtausbau angeeignet haben und für die Menschen eine Demokratie-Show abziehen: Es sind die Feinde der Allparteien-Allianz und ihrer Partner – Menschen, die versuchen, die neue Oligarchen-Kaste mit friedlichen Mitteln daran zu hindern, sie und andere Menschen von einem einzigartigen, unverwechselbaren und unersetzlichen Individuum in eine kontrollierte und beliebig steuerbare öffentliche Ressource zu verwandeln.


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