Ukrainische Fahnen ja, russische Flaggen nein: Gesinnungsjustiz in Berlin am 9. Mai
Besser lässt sich das Abdanken des Rechtsstaats in Deutschland kaum dokumentieren
von André F. Lichtschlag (Pausiert)
von André F. Lichtschlag (Pausiert) drucken
9. Mai in Berlin. Ukrainische Fahnen sind erlaubt, russische Flaggen verboten. Besser lässt sich der Übergang vom Rechtsstaat zur Gesinnungsjustiz in Deutschland kaum dokumentieren.
Wer wie ich in der alten Bundesrepublik der 70er und 80er groß geworden ist, weiß, dass es auch damals Probleme gab, der Staat als Zwangsmonopolist auch in der Bonner Republik bereits an vielen Stellen ein Ärgernis war. Klar, der Normalsatz der Mehrwertsteuer wurde zum Beispiel 1978 von elf auf zwölf Prozent erhöht (vor 1968 gab es diesen Raubzug gar nicht), und auch viele andere Lasten waren noch geringer als heute. Der wesentliche Unterschied zu damals aber ist der inzwischen verlustig gegangene Rechtsstaat, der versuchte, abstrakte Regeln zu setzen (die oft auch nur dem Staatsapparat selbst dienten), sich aber inhaltlich möglichst nicht einmischte, keine Position bevorzugte oder benachteiligte.
Das ist spätestens mit Einführung willkürlicher „Antidiskriminierungsgesetze“, für die einen und gegen die anderen gerichtet, Geschichte. Damals war es auch unvorstellbar, dass wie heute eine Partei diskriminiert wird, indem ihr allein etwa Parlamentspositionen oder Stiftungsgelder vorenthalten werden, von der staatlichen Finanzierung der Sabotage- und Schlägertrupps gegen diese einzige verbliebene Oppositionspartei ganz zu schweigen.
Es war sicher noch vor wenigen Jahrzehnten auch unvorstellbar, dass selbst behinderte Sportler von Wettkämpfen ausgeschlossen werden, nur weil sie den falschen Pass haben – beziehungsweise dass eine solche Perfidie auch noch von Presse und Politik gefordert und gefeiert worden wäre.
In dem Land, in dem ich aufgewachsen bin, wurde zwar auch gelegentlich politisch diskriminiert, es gab sogar Parteiverbote. Doch dabei wurde penibel auf eine Art „Ausgewogenheit“ geachtet – nachdem die Sozialistische Reichspartei 1952 als Nachfolgerin der NSDAP verboten wurde, folgte nach einem längeren Verfahren auch das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956. Beide Verbotsverfahren waren zeitgleich beantragt worden, beide Parteien waren mit Landtagsfraktionen in Parlamenten vertreten.
Nun wissen wir alle, dass sich inzwischen die Kommunisten doch durchgesetzt haben und gemäß ihrer uralten „antifaschistischen“ Doktrin heute der selbst linksradikale Gesinnungsstaat „gegen rechts“ und gegen alles, was er dafür hält, zuschlägt – von wegen libertäre Nazis und so. Klimaterroristen werden dagegen eher noch in ihrem Tun angefeuert, friedliche oppositionelle Demonstranten etwa gegen das Corona-Regime aber kriminalisiert und selektiv verfolgt. All das ist vielleicht auf Dauer eine unvermeidbare natürliche Entwicklung eines sich per Autopilot selbst verfettenden Zwangsmonopols hin zum Totalitarismus, und doch ist es schlicht ein Trauerspiel, was aus dem guten alten Rechtsstaat der Bundesrepublik geworden ist.
Man muss sich die führenden Repräsentanten, die das verkörpern, was vom Rechtsstaat als Gerippe übrigblieb, nur anschauen: die Steinmeiers, die Faesers, die Haldenwangs, die Harbarths. Was. Für. Gestalten. Zur Erinnerung: Es waren selbst Ende der 90er noch die Herzogs, die Schilys, die Frischs, die Limbachs. Völlig andere Kaliber.
Man könnte aus aktuellem Anlass auch Joachim Gauck und Helmut Schmidt gegenüberstellen – aber was kümmert es die deutsche Eiche (droben), wenn eine Sau (hienieden) sich an ihr reibt?
Es sind nicht nur die Politik und die Justiz, die ihr Gesicht unvorteilhaft veränderten und nun eben nicht mehr vorwiegend farbenblind und neutral Recht setzen und Recht sprechen. Es ist bis hinein bei der Polizei akribisch auf- beziehungsweise abgeräumt worden, was an restrechtsstaatlicher Substanz noch hervorlugte, vorneweg bei der sagenumwobenen Berliner Gesinnungspolizei.
Die nämlich war federführend beteiligt beim Fähnchendiskriminieren in der Hauptstadt am geschichtsträchtigen 9. Mai. Die Berliner Polizei hatte zunächst scheinheilig die Flaggen beider Kriegsparteien verboten, worauf das Berliner Verwaltungsgericht auf dem kurzen Dienstweg nach Klagen dieses Verbot aufhob. Postwendend ging die Polizei in die nächste Instanz, jedoch nur bezüglich der russischen Fahnen. Die ukrainischen Symbole wurden bei der Revisionsklage vor dem Oberverwaltungsgericht „vergessen“ und von diesem dann beim erneuten und endgültig rechtskräftigen Verbotsspruch selbst auch nicht wieder aufgegriffen. Die Gesinnungsriemen rasten im Berliner Filz perfekt ineinander, da darf man für die Zukunft sicher noch einiges erwarten.
Deutschland, was ist nur aus dir geworden?!
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