Eine lange Vorgeschichte: Über die ideologischen Wurzeln von „Klimaschutz“ und „No Covid“
Beides folgt technokratischen Grundsätzen
von Axel B.C. Krauss
Am 9. Mai 2023 erschien ein Artikel in der „Welt“, in dem Kristina Schröder, ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, fragte, ob „die Grünen den Klimaschutz jetzt so brutal durchsetzen“ wollten wie „die ‚No Covid‘-Idee“: „Patrick Graichen ist der Mann, der im Habeck-Ministerium die Weichen für den Klimaschutz stellt. In der Corona-Epidemie machte er sich für Einschränkungen bei den Grundrechten stark. Unsere Autorin fragt sich: War das bereits die Blaupause für den Klimaschutz?“
Höchstens insofern, als dass beides – sowohl die politischen Reaktionen auf Covid als auch der „Klimaschutz“ – einer Auffassung des Regierens folgen (und auch weiter folgen werden), die gemäß technokratischen Leitlinien gestaltet sind. Diese reichen weit bis vor „Corona“ zurück – was die „Energiezertifikate“ betrifft, heuer auch „CO2-Zertifikate“ genannt, sogar bis in die 1930er Jahre, doch dazu gleich mehr. Bei der „Corona-Politik“ ging es – so viel ist mittlerweile offenkundig – auch um die versuchte Etablierung eines Bevölkerungskontroll- und -überwachungssystems auf digitaler Basis („Impfzertifikate“), also im Wesentlichen um die Schaffung einer „panoptischen Gesellschaft“, deren Bewegungen möglichst lückenlos erfasst werden sollten, sowohl physisch als auch virtuell, sprich online sowie auf Finanztransaktions-Ebene.
Äußerst interessant ist, dass solche Projekte der „digitalen Identität“ nicht nur schon vor „Corona“ entwickelt wurden, sondern als Einführungsjahr tatsächlich 2020 ins Auge gefasst wurde – daher auch die bekannte Bezeichnung „ID2020“. Es war unter anderem Corey Lynn, die in ihrer vierteiligen Artikelreihe „Die globale Perspektive auf Impfpässe und wo das alles hinführt“ darauf hinwies, dass Organisationen wie Bill Gates‘ „GAVI – The Vaccine Alliance“, Microsoft, Accenture und einige andere Firmen frühzeitig daran gearbeitet haben – nämlich schon 2016. Lynn kommentiert dazu sarkastisch: „Wie prophetisch von ihnen, das Jahr 2020 als Bedarfsjahr für eine ‚digitale ID-Lösung‘ festzulegen und ihre ‚Zertifizierungsmarke‘ für Interessensvertreter zu lancieren, damit diese bereits im Januar 2019 mit der Arbeit an Technologieanwendungen beginnen konnten.“
Was nun die konzeptionellen Grundlagen der sozialkybernetisch-technokratischen Maßnahmen betrifft, die unter dem Vorwand des „Klimaschutzes“ durchgesetzt werden sollen, zunächst ein erhellendes Zitat. Es stammt aus einem Studienkurs mit dem Titel „Technocracy Inc. – Ein Überblick über diejenigen Elemente der Wissenschaft und der Technologie, die für das Verständnis unseres sozialen Mechanismus wesentlich sind. Eine Analyse des Preissystems. Die soziale Synthese der Technokratie“, herausgegeben von einer Gesellschaft gleichen Namens: „Technocracy Incorporated“. Sie sollten es sich sehr genau durchlesen (Übersetzung aus dem Englischen durch mich. Ich habe einen Screenshot der betreffenden Passagen unter dem Beitrag verlinkt): „Es gibt eine große Anzahl verschiedener Buchführungssysteme, mit denen die Verteilung an die gesamte Bevölkerung und die Aufzeichnung des Verbrauchs erfasst werden können. Unter einer technologischen Verwaltung von Überfluss gibt es nur eine effiziente Methode – die Verwendung eines Systems von Energiezertifikaten. Bei diesem System werden alle Bücher und Aufzeichnungen, die sich auf den Verbrauch beziehen, von der Verteilungssequenz des sozialen Mechanismus geführt. Das Einkommen wird der Öffentlichkeit in Form von Energiezertifikaten zur Verfügung gestellt. Diese Zertifikate sind lediglich ein Stück Papier mit einem bestimmten Aufdruck. Sie werden individuell an jeden Erwachsenen der Gesamtbevölkerung ausgegeben. Die an eine Einzelperson ausgestellten Zertifikate können mit den Eigenschaften eines Bank- und eines Reiseschecks verglichen werden. Sie ähneln einem Bankscheck insofern, als sie keinen Nennwert tragen. Sie erhalten ihren Nennwert erst bei der Ausgabe. Sie ähneln den Reiseschecks insofern, als sie über ein Mittel zur Identifizierung verfügen, wie zum Beispiel eine Gegenzeichnung, ein Lichtbild oder eine ähnliche Vorrichtung, sodass sie von der Person, für die sie ausgestellt wurden, leicht identifiziert werden können und gleichzeitig in den Händen anderer Personen absolut nutzlos sind. Beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen gibt eine Person die ordnungsgemäß gekennzeichneten und unterzeichneten Energieausweise ab. Die abgegebenen Ausweise werden dann mit den Katalognummern des jeweiligen Artikels und der gekauften Menge sowie den Energiekosten gelocht. Die entwerteten Energieausweise werden daraufhin von den Aufzeichnungsgeräten der Vertriebskette gelöscht.“
Klingt seltsam vertraut. Klingt nach Konzepten, die in den letzten paar Jahren im Zuge einer zunehmend autoritärer, ja zuweilen schon totalitären Klimapolitik vorgestellt wurden (zum Beispiel die „ESG-Scores“, ich hatte in mehreren Beiträgen darüber berichtet). Aber jetzt verrate ich Ihnen das Erscheinungsjahr besagten Studienkurses, dem obiges Zitat entnommen ist (Seiten 238 bis 239): 1934.
Die technokratische Bewegung nahm damals – unter anderem in Gestalt der amerikanischen Organisation „Technocracy Inc.“ – etwas an Fahrt auf, versandete dann aber recht schnell aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt noch ungenügenden technischen Möglichkeiten, solche sozialkybernetischen Modelle umzusetzen. Heute sieht das schon anders aus – natürlich nicht zuletzt aufgrund fortschrittlicher elektronischer Methoden der Datenerhebung, -analyse und -verwaltung.
Da ich in einem vergangenen Beitrag auf die ideengeschichtlichen Wurzeln dessen, was unter dem Begriff „Technokratie“ oder auch „Technat“ firmiert, bereits eingegangen bin, nur noch mal in Kurzform: Es läuft auf eine „Expertenherrschaft“ hinaus. Ein System des Regierens, in dem wissenschaftlich-technisch ausgebildete Fachleute das Sagen haben. Der amerikanische Historiker Carroll Quigley beschrieb dies einmal als System, in dem eine „kognitive Elite“ den „demokratischen Wähler als Kontrollinstanz des politischen Systems ablösen wird.“
Verfasst wurde der Studienkurs unter anderen von Howard Scott, der als Sprecher für „Technocracy Inc.“ arbeitete, sowie von M. King Hubbert, auf den die „Peak Oil“-Theorie zurückgeht. Hubbert beschrieb ein „Technat“ wie folgt: „Die Technokratie ist der Ansicht, dass die Produktion und Verteilung eines Überflusses an materiellem Reichtum in kontinentalem Maßstab zur Nutzung durch alle Bürger des Kontinents nur durch eine kontinentale technologische Kontrolle, eine Governance der Funktionen, ein Technat, erreicht werden kann.“
Ein Autor wie der amerikanische Philosoph und Soziologe James Burnham hingegen sprach statt von einer „Expertenherrschaft“ von einer „Manager-Revolution“. In seinem Buch „The Managerial Revolution“, erschienen 1941, schrieb er: „Eine wirksame Klassenherrschaft und Privilegierung erfordert zwar die Kontrolle über die Produktionsmittel, doch muss diese nicht durch individuelle private Eigentumsrechte ausgeübt werden. Sie kann durch sogenannte korporative Rechte ausgeübt werden, die nicht von Individuen, sondern von Institutionen besessen werden, wie es in vielen Gesellschaften der Fall war, in denen eine priesterliche Klasse dominierte. Wenn in einer Managergesellschaft keine Individuen vergleichbare Eigentumsrechte besitzen, wie kann dann eine Gruppe von Individuen eine herrschende Klasse bilden? Die Antwort ist verhältnismäßig einfach und, wie bereits erwähnt, nicht ohne historische Analogien. Die Manager werden ihre Kontrolle über die Produktionsmittel ausüben und bei der Verteilung der Produkte bevorzugt werden, und zwar nicht direkt durch Eigentumsrechte, die ihnen als Individuen zustehen, sondern indirekt durch ihre Kontrolle über den Staat, der seinerseits die Produktionsmittel besitzen und kontrollieren wird. Der Staat – das heißt die Institutionen, die den Staat ausmachen – wird, wenn man so will, das ‚Eigentum‘ der Manager sein. Und das reicht völlig aus, um sie in die Position der herrschenden Klasse zu bringen.“
Diese Beschreibung liest sich nicht zufällig wie die vom WEF propagierte „Globale Öffentlich-Private Partnerschaft“ (G3P oder GPPP), denn genau darauf – eine korporatistisch-technokratische Regierungsform – läuft sie ja auch hinaus.
Es ist bemerkenswert, welche historische Entwicklung Burnham zur Erreichung dieses Ziels nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges voraussagte. Er schrieb, bis dass diese „Managergesellschaft“ entstehen könnten, noch viele weitere Kriege geführt werden müssten, die letztendlich zur Zerstörung souveräner Nationalstaaten beitragen würden. Diese Entwicklung würde dann zur Herausbildung von drei „Superstaaten“ führen – drei großen Machtblöcken, die dann den Ton angäben, während der Rest der Welt ihrem Beispiel folgte und sich um sie gruppierte.
Frau Schröder scheint eine gute Intuition zu haben. Ihr Eindruck, die (aus medizinischer Sicht völlig unsinnige) „No Covid“-Strategie könne eine Blaupause für die Durchsetzung klimapolitischer Maßnahmen gewesen sein, ist nicht ganz falsch. Allerdings sollte dabei die viel länger zurückreichende Vorgeschichte berücksichtigt werden: Beides, die politischen Reaktionen auf Covid als auch das, was heute als „Klimaschutz“ auftritt, haben ihre Wurzeln in einem sozialkybernetisch-technokratischen Denken.
Bis nächste Woche.
Screenshot der Seiten 238/239 aus dem Studienkurs „Technocracy Inc.“
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