23. Mai 2023

Habeck Politiker folgen Machtinteressen

Ansonsten Maul halten, sonst fühlt man sich im wirtschaftlichen Ausbeutungsministerium beleidigt

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com Habeck sagt es ganz offen: Politiker folgen in erster Linie nicht dem, was der Urnenpöbel glaubt

Wenn Menschen unter Druck geraten, rutschen ihnen manchmal Worte raus, die sie so vielleicht nicht sagen sollten, weil sie zu viel Wahrheit enthalten. Wenig beachtet formulierte der sogenannte „Wirtschafts- und Klimaminister“ Robert Habeck bereits vorletzte Woche nach einer Ausschusssitzung, in der es um die Vetternwirtschaft in seinem Ministerium ging und mittelbar wohl auch um das Gesetz, mit dem Hauseigentümer zur Berücksichtigung fremder Interessen bei der Planung ihrer Heizungsanlage erpresst werden sollen, folgende Sätze (siehe Video in unten verlinkter Quelle): „In der Sache, und das war mein Eingangsstatement, ist zu sagen, dass die Dinge unterschiedlich zu behandeln sind und nicht vermengt werden sollen, auch wenn wir Politikerinnen und Politiker sind, und Politiker und Politiker [sic] folgen Machtinteressen, das ist in Teilen unser Job und das ist auch völlig legitim; Machtinteressen sind Interessen-Vertretungen, und in diesem Raum bewegen wir uns; häufig agieren wir taktisch oder strategisch. Das alles wissend sollte man jedenfalls bei solcher Sitzung und ich würde mir wünschen, insgesamt auch in der Öffentlichkeit die Kraft zur Differenzierung doch noch immer wieder aufwenden.“ Leider, leider war die Ausschusssitzung nicht öffentlich, weil dies die Ausschussmehrheit so beschlossen habe, wie erstaunlicherweise sowohl Regierung (Habeck) als auch Opposition (CDU) bedauerten. An der Personalie seines Staatsekretärs Graichen hielt Habeck zu diesem Zeitpunkt noch fest, da er keinen Fehl und Tadel feststellen konnte.

Politiker folgten also – für unsereinen nicht überraschend – Machtinteressen und das sei ihr Job. In Artikel 20 (2) des Grundgesetzes heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

Die Formulierung ist interessant; es heißt hier nicht etwa „Alle Macht geht vom Volke aus“, wie der Volksmund gerne annimmt, sondern „alle Staatsgewalt“, und zwar dadurch, dass Wahlen und Abstimmungen stattfinden. Welchen Machtinteressen die Gewählten dann nachgehen, ist demzufolge nicht mehr Sache des Volkes; sie können sich in diesem Sinne auch legitimerweise gegen das Volk richten. – Das Volk ist nur Ausgangspunkt der Staatsgewalt, nicht Herr über diese. Eingeschränkt wird dies erst in Satz (3) des Artikels: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ – Es heißt hier nicht einfach „Gesetz“, sondern „Gesetz und Recht“, was impliziert, dass die beiden Begriffe inhaltlich nicht identisch sind. Dass dies auch genauso gemeint war und ist, liegt nach der totalitären Katastrophe des Nationalsozialismus in Deutschland mehr als nahe. Die rechtspositivistische Sicht, dass Recht durch Gesetze geschaffen wird, muss notwendigerweise eine nicht allzu weit gesetzte Grenze haben, will man auf einem fundamentalen Unterschied zwischen einem totalitären Unrechtsstaat und einem nach demokratischem Verständnis verfassten Staat festhalten.

Die Antwort auf die Frage, wo diese Grenze tatsächlich liegt, befindet sich im Graubereich; zumindest ist mir keine saubere und mit einer gewissen Bindungsautorität festgelegte und allgemein akzeptierte Definition bekannt. Relativ hohe Zustimmung zur Verortung jenseits der Grenze wird man finden, wenn es um direkte Übergriffe auf Leib und Leben von Bevölkerungsgruppen geht – mittlerweile mit Einschränkungen zumindest auf den Aspekt „Leib“, wie wir schon länger bei den Bestrebungen in Richtung Organspende oder der Masern-Impfbehandlung, spätestens aber mit den Corona-„Impf“-Kampagnen erleben mussten. Völlig unscharf ist jedoch die Grenze in Bezug auf Übergriffe auf materielles Eigentum und die Verfügungsgewalt über dieses. Hier geht mit den erforderlichen, Machtinteressen folgenden Mehrheiten so ziemlich alles.

Übrigens: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ ist auch nicht so richtig wörtlich zu nehmen, denn an anderer Stelle (zum Beispiel Artikel 23) wird ja die Option der Übertragung von Hoheitsrechten, also die Veruntreuung der verliehenen Staatsgewalt außerhalb der Kontrolle über Wahlen und Abstimmungen, ausdrücklich festgelegt. Irgendwann geht halt dann nichts mehr vom Volke aus. Aber das nur am Rande.

Auf die eingangs zitierten Habeckschen Worte bin ich über Kanäle gestoßen, in denen sich über diese aufgeregt wurde. Dem hätte ich mich ja gerne angeschlossen, daher habe ich erst einmal nach der Quelle inklusive Kontext recherchiert. Interessanterweise bin ich über die Suchmaschine „Google“ nicht fündig geworden, sondern wurde nur auf einen Beitrag des ZDF gelenkt, der zwar mit dem Ereignis verbunden war, aber nicht das Zitat enthielt (wurden in dem dazugehörigen Videobeitrag die Sätze später rausgeschnitten?). Über DuckDuckGo fand ich dagegen sofort eine Quelle in einem Beitrag der Welt.

Nun kann man sich ja durchaus über das weitgehend unverständliche Gestammel von Habeck aufregen, wenn man das möchte. Man versteht nicht, was er eigentlich Inhaltliches sagen möchte, und auch mit den Sätzen drumherum kommt wenig mehr raus, als dass man sich keine Mühe machen solle, zu viel zu verstehen, Politiker würden nun einmal Machtinteressen folgen und dabei taktisch oder strategisch handeln, oder anders gesagt halt irgendwas machen, dessen Sinn sich der Allgemeinheit nicht unbedingt erschließt. Da gibt es das Heizenergiegesetz und drei weitere Themenkomplexe, die mit Personen und Interessenkonflikten zu tun haben. Außerdem finden er und das Wirtschaftsministerium es beleidigend, wenn über die dort herrschende Vetternwirtschaft „wüst debattiert“ wird. Schließlich werde da ganz großartige Arbeit geleistet. Offenbar völlig unverständlich, dass das von den potentiellen Enteignungsopfern so wenig wertgeschätzt wird.

Ja, man kann sich natürlich schon aufregen, so wie man sich täglich über Politik aufregen kann, aber wo Habeck mal recht hat, da hat er recht. Da möchte ich seinem Wunsch zur Differenzierung doch gerne nachkommen. Politiker folgen nun einmal Machtinteressen, das ist Teil ihres „Jobs“ und im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung in der Tat legitim; oder zumindest legal. Etwas anderes kann man von der Bande nicht erwarten – wer es dennoch tut, macht sich etwas vor. In diesem Fall saß Habeck mit seinen Machtinteressen einmal am kürzeren Ende; nicht was seine Enteignungsvorhaben über die Gebäudeheizvorschriften angeht – das ist für seine Kumpane und Machtkonkurrenten insgesamt schon okay, geht ja auf anderer Leute Kosten. Sondern was die Personalie seines mittlerweile ehemaligen Staatssekretärs Graichen betrifft, der jetzt, wie das Netz unkt, weniger Zeit mit seiner Familie verbringen will.

Am Hungertuche wird er dabei jedenfalls nicht nagen bei weiteren drei Monaten Staatssekretärsbesoldung von rund 15.000 € monatlich, anschließendem Übergangsgeld von knapp 72 Prozent davon für bis zu drei Jahre und danach lebenslangem Ruhestandsgehalt bei mindestens etwa 35 Prozent, sofern er nicht an eine andere Stelle berufen wird. Genaueres entnehme man im Allgemeinen beispielsweise dem Wikipedia-Eintrag zum „einstweiligen Ruhestand“, ist aber im besonderen Fall nicht bekannt. Unter dem Strich gibt es aber definitiv schlimmere Schicksale, die einen Mitte 50 ereilen können. Politiker folgen Machtinteressen; Habeck musste seinen Staatssekretär nicht etwa abberufen, weil die Vetternwirtschaft im Wirtschaftsministerium als so skandalös und untragbar empfunden würde, sondern weil seine Kollegen wohl die Zeit haben kommen sehen, ihm einen kleinen Dämpfer zu verpassen, und weil sie den Schaden auf ihn begrenzen wollten. In der heutigen Zeit reicht da voraussichtlich ein formales Bauernopfer, was vor 30 Jahren aufgrund der unweigerlichen öffentlichen Entrüstung den Minister mindestens seinen Posten, wenn nicht seine gesamte politische Karriere gekostet hätte.

Was ist anders als vor 30 Jahren? Wahrscheinlich hat der Obrigkeitsglaube ein höheres Niveau erreicht, was durch die viel umfassendere Abhängigmachung der Bevölkerung vom Staat ermöglicht wurde. Aber auch die Gewaltenteilung hat früher besser funktioniert. – Ich meine weniger im Sinne der klassischen Staatsgewalten, sondern die um politische Macht konkurrierenden Gruppen hatten sich noch nicht so stark zu oligarchischen Kartellen zusammengeschlossen. Heute kann man sich da viel Prosa zur Beschönigung sparen, muss das „Volk“ in seinen Reden nicht mehr so wichtig nehmen, weil jeder in den Kartellen nicht nur weiß, dass es immer nur um Machtinteressen gegangen ist, sondern auch von jedem anderen weiß, dass er es weiß. Man muss nicht mehr drum herumreden. Wer will sich darüber aufregen? Vor 30 Jahren folgte man genauso Machtinteressen wie heute und keinem Allgemeinwohlgedöns, doch heute wird es einfach mal ausgesprochen. Gut so.

Quellen:

„Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss“ (Welt)

Habeck: Graichen muss nicht gehen (ZDF)


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