Transhumanismus und Technokratie: Die größte Gefahr für die Menschheit: Die Psyche der Menschen
Guardians of the Galaxy 3
von Andreas Tiedtke (Pausiert)
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Der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung (1875–1961), ein Freund Sigmund Freuds (1856–1939) und Zeitgenosse Ludwig von Mises (1881–1973), sagte 1959 in einem Interview sinngemäß, dass die einzig wirkliche, die große Gefahr für die Menschheit von der Psyche der Menschen ausgehe. Und diese sei – leider – größtenteils unerforscht. Ludwig von Mises kam zu einer ähnlichen Einschätzung, wenn er die Neurose als die Krankheit seiner Zeit bezeichnete. Und in meinem Buch über die Logik des Handelns (Praxeologie) mit dem Titel „Der Kompass zum lebendigen Leben“ beschreibe ich heute weit verbreitete unbewusste Haltungen zu sich selbst und der Welt (dem oder den „Anderen“), die mit der Lebenswirklichkeit handelnder Wesen nicht übereinstimmen und insofern lebensfeindlich sind.
Viele Menschen heute haben feindselige Haltungen zu sich und der Welt, sie finden es in manchen Bereichen völlig in Ordnung, wenn Zwang und letztlich Gewalt gegen friedliebende Mitmenschen eingesetzt werden, um die Welt top-down im Sinne gesellschaftlicher Planer zu „verbessern“. Ja, sie sind beseelt von der Haltung, dass sie selbst und die Welt einer Verbesserung bedürfen – und da ist man auch nie fertig; es gibt immer etwas zu optimieren. Sie erkennen nicht, dass die „Welt“ in Wirklichkeit verschlimmbessert wird, mit Drohung und Zwang von oben herab zu einer Art Gewalterlebnispark modelliert wird, in dem auch noch – trotz aller Widrigkeiten, die angedroht werden – das Gebot „Du sollst damit glücklich sein!“ gelten soll.
Guardians of the Galaxy 3
Mit C. G. Jungs Interview noch in meinen Gedanken besuchte ich den Film Guardians of the Galaxy 3 und ging mit gemischten Gefühlen aus dem Kino. Ähnlich wie John Wick IV ist der Film eine Art „brutalistisches Ballett“ mit Superhelden und Megaschurken, die versuchen, einander den Garaus zu machen. Da die Gewalt heute in der Gesellschaft zumeist unsichtbar bleibt, weil sich die meisten Menschen den Befehlen der Obrigkeit beugen, scheint es für manche Zuschauer ein willkommenes Ventil zu sein, in diesem Bereich, dem Spielfilm, Gewalt in einer überzeichneten Art passiv „erleben“ zu können.
Der Oberschurke im Film ist der „High Evolutionary“, also etwa der Hochentwickelte, der eine transhumanistische, eugenische und technokratische Top-down-Agenda verfolgt. Ebenso wie sein Kollege Thanos aus dem Marvel-Universum versucht er, „diese Welt zu einem besseren Platz zu machen“. Während Thanos die Überbevölkerung und damit einen übermäßigen Ressourcenverbrauch als den Übelstand wähnte, den es zu beseitigen gelte, schwebt dem High Evolutionary die Schöpfung eines besseren Menschen – oder Humanoiden – vor. Nachdem die Rolle Gottes im Bewusstsein der Menschen vakant wurde, entschloss sich der High Evolutionary, die Top-down-Verbesserung der Welt, also die „Zwangsbeglückung“ von oben, selbst in die Hand zu nehmen, und sich zum neuen Demiurgen (Schöpfergott) aufzuschwingen. Das erinnert an Fjodor M. Dostojewskis (1821–1881) Gedanken zum Staat als der neuen Religion, allerdings ohne die Wärme der Kirche, oder an Georg W. F. Hegels (1770–1831) Gedanken vom Staat als dem „Gang Gottes in der Welt“ und sein Bild vom Einzelnen als Zahnrädchen in dieser Staatsmaschinerie.
Technische und bio-technische Verbesserungen von Lebewesen
Der High Evolutionary „verbessert“ zunächst Tiere, indem er sie mit technischen und bio-technischen Mitteln mit menschlichen und sogar übermenschlichen physischen und geistigen Fähigkeiten ausstattet. Dabei setzt er nicht auf Freiwilligkeit, sondern auf Zwang und Gewalt, und sein Vorgehen baut auf dem Herumexperimentieren auf – ganz im Sinne des Empirismus, wie er heute en vogue ist. Der Protagonist, Rocket, ein mit dieser Methode „verbesserter“ Waschbär, entwickelt schließlich geistige Fähigkeiten, die sogar die des High Evolutionary übersteigen, was Letzteren zu Rockets Jäger werden lässt.
Mutterkomplexe der Superhelden
Während der Schurke High Evolutionary seinen psychopathischen Größenwahn hauptsächlich fremdschädigend ausagiert oder „entlüftet“, haben die Helden, die „Guardians of the Galaxy“, die Rocket als ihr Team-Mitglied zu retten versuchen, eher den Drang, ihre Haltungen zu sich selbst von Schuld, Ungenügen und Angst vor Trennung gegen sich selbst zu richten. Sie sind sozusagen infantil liebesbedürftig, besonders Quill, der „Starlord“. In einer Szene sagt die „Empathie-Superheldin“ Mantis zur Gruppe, dass „Drax der Zerstörer“, ein ungehobelter Raufbold, der Einzige der Helden-Truppe sei, der nicht sich selbst hasse. Und sie lässt Drax gegenüber Starlord dessen erotisches Bedürfnis nach Gamora in einem eindrücklichen Gleichnis beschreiben, das ich aus der Erinnerung wie folgt zitiere: „Das Leben ist wie ein Teich. Du bist bislang stets von Frau zu Frau gehüpft, als wären sie Seerosenblätter auf diesem großen Teich. Vielleicht ist es jetzt für dich an der Zeit, schwimmen zu lernen.“
Der Wahn vom Ungenügen
Der High Evolutionary ist – ebenso wie die Helden-Gang – nicht im Stande, die Welt so anzunehmen, wie sie nun einmal geworden ist – und handlungslogisch auch unvermeidlich werden musste. Die „bessere Welt“, nach der alle suchen, werden sie nicht finden können. Und handlungslogisch stellt sich stets die Frage: „Besser für wen?“ Wenn Zwang und Gewalt top-down gegen friedliche Menschen eingesetzt werden, um eine bessere Welt zu erhalten, dann können wir a priori sagen, dass dieser Versuch scheitern muss, weil „besser und schlechter“ subjektive, psychische Kategorien sind, für die es keinen objektiven Maßstab gibt. Und weil sich deshalb notwendigerweise sogenannte Pareto-Verschlechterungen im Hinblick auf alle Betroffenen ergeben, denn beim Einsatz des Mittels Zwang gewinnen die einen auf Kosten und zu Lasten der anderen, sodass es für Letztere definitiv eine schlechtere Welt ist.
Ab hier „Spoiler-Alarm“
Am Ende des Filmes wird der High Evolutionary von den Superhelden besiegt. Diese trennen sich, weil einige von ihnen sich der Aufgabe widmen möchten, nachzureifen, also unbewusste und damit unbekannte infantile Haltungen zu entdecken und zu ändern. Sie sind selbst Teil des Konfliktes zwischen „Gut und Böse“, auch wenn sich ihre psychischen Kompensationstechniken nicht gegen andere friedliche Menschen richten, sondern gegen sich selbst.
Interpretationen
Wie nahezu überall im Bereich des „eigentümlichen Verstehens“, und hierher gehört auch die Interpretation von Spielfilmen, lassen sich mehrere Interpretationen finden. Einerseits eine Warnung vor Transhumanismus, Eugenik und Technokratie, eine Warnung vor Weltverbesserern, die ihre Ideen anderen Menschen aufzwingen wollen. Andererseits ist auch diese Interpretation möglich: Der High Evolutionary ist letztlich ein Despot. Wenn aber darüber abgestimmt würde, wer in der Rolle des Weltverbesserers sein soll, dann wäre dieser Mangel behoben – was handlungslogisch falsch ist. Denn wenn vier einen Fünften misshandeln, dann sind zwar 80 Prozent des imaginierten Kollektivs für die Misshandlung, aber das macht es nicht besser für den Misshandelten. Das Individuum, der Einzelne, ist immer in der Minderheit. Aber vom Individuum geht der Bewusstseinssprung in der Gesellschaft aus, nicht von der Masse der Menschen.
Und da Menschen über Bereichshaltungen verfügen, werden viele das Kino verlassen und wahrscheinlich nicht daran denken, dass bereits heute medizintechnische Verbesserungen in Deutschland Kindern aufgenötigt werden, wenn sie Schulen oder Kindergärten besuchen wollen – oder müssen. Ein nicht medizintechnisch verbesserter Mensch, ein „natürlicher Mensch“ ist nicht mehr gut genug. Und während der Zeit der Zwangsmaßnahmen, die mit Corona begründet wurden, drohte man nicht medizintechnisch verbesserten Menschen, den „Ungeimpften“, Übel an, damit sie nicht in Restaurants gingen, auf Weihnachtsmärkte oder in Bekleidungsgeschäften einkauften. Heute wollen Gruppen von Menschen das Klima verbessern oder geopolitische oder kriegerische Konflikte in ihrem Sinne lösen und setzen dabei wiederum auf Zwang gegen friedliche Menschen in Form von Zwangsabgaben, Drohungen, Militärzwang und Sanktionen. In ihrem Wähnen, die Welt zu einem besseren Platz zu machen, übersehen sie, dass die größte Gefahr für die Menschen von der Psyche der Menschen ausgeht, wie C. G. Jung sagte, ja von genau diesem feindseligen „Verbesserungswahn“, der sie überall Ungenügen wähnen lässt, das es mit Drohung und Zwang gegen Mitmenschen auszumerzen gelte.
Im Kino sehen die Menschen in Guardians of the Galaxy 3, wie kindisch, wie infantil ihre Superhelden eigentlich sind. Aber sehen sie das auch noch, wenn sie den Bereich des Kinos verlassen? Lassen sie mich hierzu eine Einschätzung C. G. Jungs wiedergeben: „Sie müssen nur die Zeitungen lesen und die Politik studieren. Das ist so unvorstellbar kindisch, dass es einem davor graut.“
Fazit
Für diejenigen, die den Mut und die Entschlossenheit haben, wie Immanuel Kant (1724–1804) sagte, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, ist es einfach, Ludwig von Mises‘ Handlungslogik zu verstehen und damit auch, wie ein friedliches und freundliches Miteinander gelingen kann. Diese Menschen können zu einem eigenen Selbst- und Weltbild gelangen, das nicht im Widerspruch zur Lebenswirklichkeit handelnder Wesen steht. Aber diejenigen, die „noch nicht schwimmen gelernt“ haben, können mit solcherlei logischen Abhandlungen nichts anfangen, sie können Mises‘ Praxeologie emotional nicht annehmen. Sie sind teils „gestockholmt“ und sehnen sich nach einem Vati-Staat, der schützend, gebietend und strafend ist, und einem Mutti-Staat, der versorgend ist. Dabei berührt es sie nicht, wie es anderen damit geht, die bedroht und gezwungen werden, damit es einem selbst besser geht. Oder sie sehen das Ungenügen vor allem in den anderen und möchten daher selbst an der Top-down-Weltverbesserung mitwirken, um auf diese Art und Weise ein Ventil für sich zu finden.
Dieses „Publikum“, wie Kant sich ausdrückte, kann nur langsam zur Aufklärung geführt werden. Nur scheinen sich momentan in den gesellschaftlichen Führungspositionen nahezu keine Menschen zu finden, die dies in Angriff nehmen möchten. Und was wir hier „unter uns“ schreiben, dringt nicht an das „Licht der öffentlichen Meinung“. So ist denn zu befürchten, dass sich die Narrative, die man den Menschen „eingepflanzt“ (Kant) hat, dereinst gegen sie selbst und ihre Anführer richten werden, und sie die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden, wie Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) sich ausdrückte.
Einige der gesellschaftlichen Vorbilder, wie beispielsweise prominente Schauspieler, Autoren, Musiker, Intellektuelle, Unternehmer und so weiter, scheinen bereits einen „Bewusstseinssprung“ zu friedliebenderen Haltungen hinter sich zu haben. Aber man beobachtet hier einen „Rückzug ins Private“, ein „neues Biedermeier“ sozusagen. Dabei steht beim „Spiel der gesellschaftlichen Entwicklung“ niemand hinter der Seitenauslinie – jeder ist „auf dem Spielfeld“. Es wäre an der Zeit, dass wohlmeinende Vorbilder in das Licht der Öffentlichkeit treten und ihren jeweiligen Anhängergruppen – metaphorisch gesprochen – die Hand reichen. Vermutlich haben sie Angst vor dem Gegenwind des Zeitgeistes und sie bangen um ihre günstige Stellung. Nichtsdestotrotz, sie könnten eventuell verhindern, dass es zur nächsten „Massenbildung“ kommt, wie der belgische Psychologe Mattias Desmet es nennt, wenn eine relevante Masse von Menschen von feindseligen Haltungen ergriffen ist und ein „Kollektivunglück“ dräut.
Quellen:
Trailer Guardians of the Galaxy (Deutsch)
Face to Face – Carl Gustav Jung (1959)
Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)
C. G. Jung beantwortet Fragen (1958)
Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? – zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke, Misesde.org)
Die Psychologie des Totalitarismus (Mattias Desmet)
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