Verbot privaten Waffenbesitzes: Die amoklaufende Staatsgewalt
Mehr privat, weniger Staat
von Stefan Blankertz
Bis vor Kurzem verbanden Spitzenpolitiker der linksliberalen Öffentlichkeit ihre Forderung nach Entwaffnung der Bürger – Slogan „Wir können auch ohne Waffen sicher sein“ – noch mit Lippenbekenntnissen zur Abrüstung und zum Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“. Lippenbekenntnisse waren es sicherlich, denn weder dachte irgendeiner von ihnen an eine effektive Begrenzung der militärischen Aufrüstung noch daran, die Ausrüstung ihrer Legionen von Bodyguards mit Waffen abzuschaffen. Immer ging es in Wirklichkeit darum, dass einer ultrahochgerüsteten Staatsgewalt wehrlose Bürger gegenüberstehen. Heute wird diese Vision ganz offen angestrebt, denn seit dem Überfall des russischen auf den ukrainischen Staat hat die linksliberale Öffentlichkeit jede Scheu verloren, die Sache des militärisch-industriellen Komplexes zu vertreten, die vormals als rechtskonservativ galt. Es ist das alte Lied: rinks und lechts verwechsle ich nicht …
Die Zustimmung für die Forderung nach Entwaffnung der Bürger läuft über die berechtigte Angst davor, dass jemand gezielt von einem rachsüchtigen Angehörigen oder zufällig von einem Amokläufer getötet wird. Interessanterweise rücken Homizide mit Schusswaffen stärker in den Fokus als die mit anderen Instrumenten. Dabei sind selbst Amokläufe, bei denen hohe Todeszahlen zu beklagen sind, mit Äxten oder auch Lkws durchführbar. Sogenannte erweiterte Suizide, bei denen die Selbsttötung mit der Tötung weiterer Menschen verbunden wird, können durch absichtlich herbeigeführte Verkehrsunfälle erfolgen (dass es sich um Suizid handelt, bleibt hierbei meist unentdeckt) oder, besonders spektakulär, durch einen absichtlich herbeigeführten Flugzeugabsturz.
Bei der Diskussion von Pro und Contra eines verstärkten Verbots an privat besessenen Waffen geht es meistens emotional hoch her, sodass an eine sachliche Entscheidung nicht zu denken ist. Ich versuche eine Versachlichung der Diskussion, indem ich vorschlage, zwei Ebenen der Argumentation klar voneinander zu unterscheiden: die konsequentialistische Ebene (Frage der Wirkung eines Waffenverbots) und die ethische Ebene (Frage nach der Erlaubtheit eines Waffenverbots), wobei die konsequentialistische Ebene drei Aspekte hat.
Im ersten Aspekt der konsequentialistischen Ebene wird nach der erwartbaren oder möglichen positiven Wirkung der Waffenverbote gefragt. Dass ein Verbot von Waffenbesitz in privater Hand dazu führt, dass alle Homizide per Schusswaffen nicht erfolgen, werden auch die naivsten Verfechter eines solchen Verbots nicht behaupten. Jemand, der einen oder mehrere Mitmenschen gezielt oder wahllos töten will, wird auch bereit sein, das gegenüber Mord geringfügigere Delikt einer Umgehung des Verbots von privatem Waffenbesitz zu begehen. Oder er kann auf ein anderes Instrument als eine Schusswaffe zurückgreifen. In den USA ist der Anteil von Tötungen durch Schusswaffen an der Gesamtzahl der Homizide relativ hoch, relativ zu vielen anderen Ländern. Darum konzentrieren sich die Forderungen nach Waffenverbot auf die USA, gern auch vom fernen Ausland aus erhoben. Die Unterstellung lautet, wenigstens diese mit Schusswaffen begangenen Homizide könnten in einem gewissen Maße gesenkt werden. Ob bei der Tötungsabsicht Schusswaffen eingesetzt werden, ist sowohl von der freien Verfügbarkeit von Schusswaffen als auch von kulturellen Rahmenbedingungen abhängig. Die freie Verfügbarkeit von Schusswaffen zu reduzieren, übersetzt sich dann nicht umstandslos in eine Senkung der Homizide, sondern in einer Verlagerung auf andere Instrumente. Als Regel eines größtmöglichen präventiven Erfolgs eines Schusswaffenverbots gilt: Das Verbot kann maximal jene Homizide (inklusive Amokläufe) verhindern, die auf einem schnell vorübergehenden Tötungsimpuls plus des Fehlens eines aktuell vorhandenen alternativen Instruments zur Ausführung der Tötung beruhen. Beide Bedingungen müssen erfüllt sein. Die kurze Dauer des Tötungsimpulses muss gegeben sein, damit nicht etwa eine illegale Beschaffung von Waffen oder von alternativen Tötungsinstrumenten geplant wird. Aber gerade bei einem Homizid im Affekt ist der Griff nach einem nächstliegenden schweren Gegenstand, der fürs Erschlagen geeignet ist, fast noch wahrscheinlicher als der zur Schusswaffe.
Im zweiten Aspekt der konsequentialistischen Ebene wird nach der erwartbaren oder möglichen negativen Wirkung der Waffenverbote gefragt. Die Verfechter von Waffenverboten verschließen die Augen vor möglichen negativen Wirkungen. Es sind diejenigen, die den Privatbesitz von Waffen verteidigen, die darauf verweisen, dass durch ein Verbot die gesetzestreuen Bürger entwaffnet und die Kriminellen, die zum Bruch der Gesetze bereit sind, zu Monopolisten des Waffenbesitzes werden. Die gesetzestreuen Bürger könnten sich gegen Kriminelle nicht mehr verteidigen. Dieses Argument hat eine hohe Plausibilität, allerdings nur in einer Kultur wie der Nordamerikas, in der Selbstverteidigung einen Wert hat und nicht aller Schutz an die staatliche Polizei delegiert ist. Zudem ist die empirische Überprüfbarkeit schwierig. Denn wie viele Tötungen durch Selbstverteidigung verhindert werden, ist, wenn überhaupt, nur indirekt zu ermitteln; und diese Zahl muss den Homiziden gegenübergestellt werden, die im leichten Zugang zu Waffen gründen.
Im dritten Aspekt der konsequentialistischen Ebene wird nach der Wirkung der Durchsetzung eines Waffenverbots gefragt. Diejenigen, die Waffenverbote fordern, machen sich hierüber überhaupt keinen Kopf. Sie gehen davon aus, dass das Aussprechen eines solchen Verbots umstandslos darin mündet, dass sich keine Waffen mehr in privater Hand befinden – eine naive Annahme. Da die Möglichkeit einer positiven Wirkung von Waffenverboten im Sinne der Senkung der Homizidrate und der Amokläufe daran hängt, dass das Verbot flächendeckend und lückenlos durchgesetzt wird, sodass die Chance, illegal an Waffen zu kommen, verschwindend gering ist, muss es rigoros überwacht werden. Diese Aussicht mag jemanden, der davon überzeugt ist, dass die Staatsgewalt und ihre Vollstrecker immer und überall nur Gutes im Sinn haben, unproblematisch vorkommen. Allein die Tatsache, dass auch Polizisten und Soldaten Homizide begehen und Amok laufen, sollte sie eines Besseren belehren, ganz zu schweigen von der Erfahrung in Geschichte und Gegenwart, dass es genau die Staatsgewalt ist, die die größten und schlimmsten Verbrechen begeht. Es sei daran erinnert, dass die legendäre Black Panther Party, die militante Selbstverteidigungsorganisation der Schwarzen in den 1960er und 1970er Jahren, vor allem das Recht der Schwarzen forderte, Waffen besitzen und offen tragen zu dürfen. Und die führenden Mitglieder der Black Panther Party beließen es nicht bei der Forderung, sondern setzten sie auch unmittelbar in die Tat um, zeigten sich in der Öffentlichkeit mit Waffen und sicherten ihre Parteitage mit bewaffneten Ordnern.
Die zweite, mit den ersten drei konsequentialistischen Aspekten nicht zu verwechselnde Ebene ist die ethische Frage, ob der Zweck die Mittel heilige. Gerade in Empörungen nach spektakulären Amokläufen hört man oft den Satz, jede Maßnahme (jedes Mittel) sei recht, wenn nur ein Menschenleben gerettet werden könne. Dies ist bei sachlichem Kalkül schnell als Heuchelei zu entlarven. Durch ein Verbot des Straßenverkehrs würden alle Verkehrstoten gerettet; durch ein Verbot von Messern würden alle bei Messerstechereien Getöteten gerettet. Keiner spricht davon. Ein besonders scharfes Argument formulierte Murray Rothbard bereits in den 1970er Jahren: Wenn alle jungen Schwarzen zwischen 15 und 35 prophylaktisch eingesperrt werden würden, würde die Kriminalität drastisch sinken. In Deutschland könnte man stattdessen die jungen Männer mit Migrationshintergrund nehmen. Oder feministisch argumentiert: überhaupt alle jungen Männer, egal, welchen Hintergrunds. Die Antwort lautet: Auf keinen Fall heiligt der Zweck die Mittel, und nicht jede Maßnahme zur Reduzierung von Homiziden ist erlaubt. Wobei die diskutierten Maßnahmen – sei es das Verbot des Straßenverkehrs, sei es das von Messern, sei es die Inhaftierung aller junger Männer – auch rein konsequentialistisch gesehen vermutlich fatale Folgen hätten, die sie als ungeeignet erscheinen lassen. Als ethische Regel lässt sich formulieren: Zur Prävention von Straftaten wie etwa Homiziden dürfen keine Rechte von Menschen beschnitten werden, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen.
Schlussfolgerung: Es sieht auf allen Ebenen nicht gut aus für eine rationale Argumentation zugunsten des Verbots privaten Waffenbesitzes, weder konsequentialistisch noch ethisch gesehen.
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