USA revisited: Die Menschen sind entspannter, freundlicher und hilfsbereiter
Amerika und die Amerikaner – nicht nur im Süden (Teil eins von zwei)
von André F. Lichtschlag (Pausiert)
von André F. Lichtschlag (Pausiert) drucken
Vielleicht hat es der eine oder andere gelesen – in der April-Ausgabe von eigentümlich frei (ef 231) mit dem Themenschwerpunkt „Leben in Amerika“ schrieb ich über meinen Besuch im Februar in Franklin, Tennessee, eine Art Liebeserklärung an den amerikanischen Süden. Unsere jüngere Tochter sollte dort ein paar Monate zur Schule gehen und für die ersten beiden Wochen war ich mit dabei. Im Mai reiste ich nun noch einmal für zwei Wochen rüber, um sie anschließend wieder mit nach Hause zu bringen. Neue Erlebnisse erlauben es mir, anhand von je vier Beispielen die Hommage an das etwas andere Amerika erstens zu präzisieren und zweitens in Teilen auch ein wenig zu relativieren. Beginnen wir mit Ersterem, auf die Relativierung kommen wir nächste Woche zurück.
Ich hatte dem typisch deutschen Einwand, die Amerikaner seien doch „sehr oberflächlich“, entgegentretend geschrieben: „Die Freundlichkeit und Entspanntheit der Südstaaten-Amerikaner münden, wenn es darauf ankommt, sehr schnell und oft auch in konkrete und echte Hilfsbereitschaft.“
Hierzu nun vier Beispiele frisch von meinem Mai-Besuch in Tennessee.
Erstens
Die Schule, die meine Tochter in Franklin besuchen durfte, ist wie zuletzt beschrieben, eine sehr kleine christliche Privatschule. Die Gebühr beträgt pro Kind und Monat 800 US-Dollar. Neben verschiedenen Sammlungen für karitative Zwecke (etwa zur Unterstützung von alleinstehenden Schwangeren in finanzieller Notlage) finden zweimal im Jahr auch Wohltätigkeitsabende in eigener Sache statt, anlässlich derer für die noch bessere Ausstattung der kleinen Schule gesammelt wird. Die eine Sammlung, die wir nun mitbekommen haben, brachte bei geschätzt 200 Schülern 30.000 US-Dollar ein. Und das schien eine übliche Summe zu sein, um die kein großes Bohai gemacht wurde. Amerikaner geben gerne und viel.
Zweitens
Ich hatte von den Selbstscanner-Kassenautomaten in den Supermärkten berichtet, bei denen man mit Karte, aber eben immer auch bar zahlen kann und so zum Beispiel seine überschüssigen Münzen schnell und bequem einschmeißt, Gratiszählen inklusive. Ein Service, der, wie wir bei einem Abstecher nach Chicago feststellen durften, in demokratisch regierten Großstädten im Norden beschnitten wurde. Dort sind die Automaten derselben Kaufhausketten an der Stelle des Bargeldeinschubs zugeklebt. Aber das nur nebenbei.
In Franklin jedenfalls haben wir den Service gerne genutzt. Schnell hat man in den USA nicht nur Münz-Wechselgeld in der Tasche, sondern auch zunehmend mehr Ein-Dollar-Noten. Wir kauften also für 97,62 US-Dollar im Supermarkt ein und fütterten den Automaten mit allen Münzen und Dollarscheinen, die sich so angesammelt hatten. Nach ein paar Minuten stand das Minus bei genau noch fünf Dollar. Noch ein Fünfer-Schein, dann war es das – doch leider gefehlt, ausgerechnet dieser letzte Schein blieb irgendwie im Automateninneren hängen und wurde nicht registriert. Er war futsch und immer noch zeigte das Gerät ein Minus von fünf Dollar an.
Peinlich berührt riefen wir eine Angestellte herbei und versicherten umständlich mit roten Wangen, dass wir die noch reklamierten fünf Dollar bereits eingeschoben hatten. Was in Deutschland in jedem Fall ungläubige Blicke und höchstwahrscheinlich unfreundliche Worte obenauf hervorgerufen hätte, sorgte nun für eine Entschuldigungsorgie der besorgten Angestellten. Ihr täte es sehr leid, dass ihr Automat da versagt habe. Natürlich müssten wir nichts mehr zahlen. Aber sie war einigermaßen verzweifelt: Denn wie sollte sie uns nun einen Bon aushändigen? Wir verzichteten dankend. Sie besorgte ihn dennoch irgendwie mithilfe eines herbeieilenden Kollegen und über einen anderen Automaten. Beide entschuldigten sich noch mal für das Malheur, uns anschließend in bekannter amerikanischer Freundlichkeit einen wunderschönen Tag wünschend. Amerikaner sind herzerfrischend zuvorkommend und freundlich.
Drittens
Beim erwähnten Ausflug nach Chicago (in meinen Augen überschätzt) und St. Louis, Missouri (Geheimtipp; eine etwas verfallene Stadt mit einem morbiden Charme und besonders „gechillten“ Bewohnern) fuhren wir durch das ländliche Illinois und gerieten in einen Sandsturm. Der Highway wurde für einige Meilen gesperrt und die Autos auf Landstraßen und Feldwege umgeleitet. Man konnte kaum einen Meter geradeaus schauen und viele Fahrer verloren die Orientierung. Aber immer wieder standen an kleinen Straßenkreuzungen mitten in diesem Unwetter ältere nette Herren, Anwohner, die den Ortsfremden in den Autos freundlich die Richtung wiesen.
Rentner, die sich einfach eine Warnweste überzogen, sich spontan nützlich machten und den Fremden bei der Durchfahrt halfen – ohne jeden Auftrag, ohne jede Bezahlung. Amerikaner helfen gerne konkret und ohne Aufhebens.
Viertens
Beim Tanken sah ich an der gegenüberliegenden Zapfsäule zwei Späthippies, offenbar Mutter und Tochter, vor ihrer alten Klapperkiste. Reihum fragten sie sehr freundlich, ob man sie fürs Benzin mit einer kleinen Spende unterstützen möchte. Alle gaben einen Obolus, ihr Dank war überschwänglich. Die Südstaaten-Rednecks vor ihren Pickups unterstützten wie selbstverständlich die beiden Flower-Power-Mädels – die Herzen lachten. Amerikaner sind … wie sie sind. Einfach liebenswert.
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