Arbeit und Wert – Teil 1: Profite sind gut für Mensch und Umwelt
Verluste sind umweltschädlich
von Stefan Blankertz
Profit hat seit jeher einen schlechten Klang (anders als das Verb profitieren, das sowohl negativ als auch positiv gebraucht werden kann). Obwohl es nicht im Wortsinn enthalten ist, wird der Begriff Profit fast ausschließlich auf einen Gewinn angewandt, der aus wirtschaftlicher Tätigkeit entspringt, insbesondere dem Handel mit Verbrauchsgütern. Bereits im Altertum herrschte die Vorstellung, dass der Händler der Sache, die er handelt, nichts hinzufüge und darum an sich ein Betrüger sei. Im Mittelalter wurde diese Vorstellung kanonisch und hält sich bis heute, trotz inzwischen erfolgter Aufklärung durch die Ökonomik. Nur die beständige Wiederholung verschleiert den Unsinn dieser Vorstellung; denn ein Gut dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird, ist eine notwendige Leistung, die eine Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis rechtfertigt. Bei produzierten Gütern wird schon immer zugestanden, dass der Produzent einen Anspruch darauf habe, dass das, was er selber an Gütern eingekauft habe, ersetzt werde, plus einer angemessenen Entlohnung seiner Arbeit. Was angemessen ist, lässt sich freilich nie wirklich schlüssig definieren.
Alltagstheoretisch wird als Profit jegliche Handelsspanne bei bereits produzierten Gütern bezeichnet sowie ein Verkaufspreis bei zu produzierenden Gütern, der über die Summe der Ausgaben plus eines (nicht näher definierten) angemessenen Arbeitslohns hinausgeht. Schon an dieser Stelle wird deutlich, was der Profit leistet: Er ist der Antrieb für eine gute Versorgung mit Gütern und für einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen bei der Produktion. Dies folgt logisch und ohne Zuhilfenahme komplexer Theorien der Ökonomik aus dem, was alltagstheoretisch unter Profit verstanden wird.
Demgegenüber steht speziell ab der Kapitalismuskritik, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts etablierte, die Behauptung im Raum, Profit werde erstens kurzfristig und zweitens ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt angestrebt. Beide Behauptungen sind falsch.
Der Händler, der betrügt, wird nicht lange im Geschäft bleiben. Wer Kunden falsche oder fehlerhafte Ware unterjubelt (oder dies versucht), steht schnell ohne Kunden da. Wer Kunden etwas anzudrehen versucht, was sie eigentlich nicht haben wollen oder was zu ihrem Bedarf oder zu ihren Wünschen nicht passt, ereilt umgehend ein schlechter Ruf. Sobald der Händler ein Interesse daran hat, dass Kunden wiederkommen oder gut über ihn sprechen und ihn weiterempfehlen, wird er darum bemüht sein, das Beste für sie zu wollen. Kurzfristige und rücksichtslose Geschäftsmethoden untergraben seine eigene Zukunft. Nur Händler, die sporadisch auf dem Markt agieren, können sich ein anderes Vorgehen leisten (also nicht professionelle Händler). Mehr noch gilt diese Argumentation für Produzenten: Sie bauen eine Produktion auf, die nur dann profitabel sein kann, wenn die Produkte fortlaufend zufriedene Kunden finden. Der Produzent muss jedoch nicht nur auf seine Kunden Rücksicht nehmen, sondern auch auf die Zulieferung der Rohstoffe oder Halbfertigprodukte. Wenn die Zulieferung stockt, die Ressourcen veröden oder ihr Preis explodiert, gefährdet das die Produktion seines Produkts oder treibt dessen Preis in eine Höhe, den zu zahlen die Kunden gegebenenfalls nicht mehr bereit sind.
In einer komplexen, arbeitsteiligen Wirtschaft stehen der Händler und der Produzent meist nicht allein da, sondern sie brauchen auch Mitarbeiter. Der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit erstreckt sich meist nicht nur auf die Kunden und die Umwelt (deren Zerstörung oder Ausplünderung), sondern auch auf die Mitarbeiter. In der älteren Kapitalismuskritik war dies sogar der Hauptvorwurf: Um Profit zu machen, beute der Arbeitgeber die Arbeitnehmer rücksichtslos aus; denn je weniger er ihnen an Lohn zahle, umso mehr könne er als Profit für sich behalten. Gegen diesen Vorwurf sprechen drei Faktoren.
Der erste Faktor ist, dass, Freiwilligkeit der Kooperation vorausgesetzt (also Ausschluss von Zwangsarbeit), der Arbeitgeber Menschen finden muss, die bei ihm arbeiten wollen: Wenn er einen Lohn anbietet, zu dem niemand bei ihm arbeiten will, hat er keine Mitarbeiter. Die Kapitalismuskritik wendet hier ein, die Mitarbeiter seien auf den Lohn angewiesen (befänden sich in einer Notlage) und darum stelle das Lohnangebot des Arbeitgebers eine Erpressung dar. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer das Lohnangebot eines Arbeitsgebers akzeptiert, der findet kein höheres Angebot bei einem anderen Arbeitgeber (beziehungsweise kein besseres Auskommen durch Selbständigkeit). Nicht der Arbeitgeber mit seinem Lohnangebot wären zu kritisieren, sondern die Umstände, in denen keine besseren Angebote vorhanden sind (dazu gleich mehr).
Der zweite Faktor ist die Arbeitsleistung. Mit dem Lohn unzufriedene Mitarbeiter tendieren dazu, schlecht zu arbeiten. Schlechte Arbeit erfordert entweder den Einsatz von mehr Arbeitskräften oder führt zu minderwertigen Produkten. Beides wirkt sich negativ auf den Profit des Arbeitgebers aus.
Der dritte Faktor ist etwas komplexer, er betrifft den Preis eines Produktes. Die Vorstellung, dass der Arbeitgeber bei geringerem Lohn einen größeren Profit erzielen könne, würde voraussetzen, dass der Preis seines Produkts irgendwie feststehe. Dann würde es durchaus Sinn machen, dass eine geringere Lohnzahlung zu einem höheren Profit führe. Doch wenn sich Arbeitnehmer finden, die das entsprechende Produkt zu einem relativ niedrigen Lohn zu produzieren bereit sind, wird auch der Preis des Produkts sinken: Nehmen wir an, der Arbeitgeber #1 reduziert den Lohn, verkauft das Produkt zum alten Preis und streicht die nun entstehende Differenz als Profit an. Von diesem Profit angelockt, steigt Arbeitgeber #2 in das Geschäft ein. Seine Strategie: Er zahlt den Arbeitnehmern etwas mehr als Arbeitgeber #1 und verkauft das Produkt etwas günstiger als dieser. Damit hat Arbeitgeber #2 einen zwar etwas geringeren Profit als Arbeitgeber #1, freilich einen größeren, als er bisher realisierte. Sowohl der Lohn (Preis der Arbeit) als auch der Produktpreis sind keine feststehenden Größen, sondern ergeben sich aus der Dynamik des Markts.
Freilich gibt es eine Instanz, die die Dynamik des Marktes behindern kann, und das ist die Staatsgewalt. Da die Dynamik des Marktes zum Vorteil von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und ihrer Umwelt ist, fragt man sich, warum die Staatsgewalt diese Dynamik behindert. Die Staatsgewalt gewährt bestimmten Händlern Monopol- oder Oligopolschutz, sodass sie partiell gegen die Interessen ihrer Kunden agieren können. Sie subventioniert mit Verlust arbeitende Produzenten oder Händler, sodass der sparsame Umgang mit Ressourcen ausgehebelt wird. Sie interveniert in den Arbeitsmarkt, sodass bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern auf Kosten von anderen Arbeitnehmern privilegiert werden; und so weiter und so fort. Die Staatsgewalt behindert die Dynamik des Marktes im Interesse von gesellschaftlich mächtigen, aber ökonomisch minderbemittelten Akteuren.
Ein Beispiel: Über rund 100 Jahre kanalisierte die Staatsgewalt Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zugunsten des Individualverkehrs. Wie sich die Infrastruktur auf dem Markt entwickelt hätte, wissen wir nicht; wohl aber, dass sie bedürfnisgerechter und umweltschonender wäre. Nun setzt sie andere Prioritäten; ob diese besser sind, weiß man nicht (aber vermutlich sind sie weder bedürfnisgerecht noch umweltschonend). Jahrzehntelang privilegierte die Staatsgewalt den Dieselkraftstoff, der als umweltfreundlich galt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Staatsgewalt die Autoindustrie beschuldigte, Dieselfahrzeuge zu puschen. Die Politik änderte sich. Heute wird die Elektromobilität subventioniert, was bedeutet, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Betrieb von Elektroautos umweltschädlicher ist als der mit fossilen Kraftstoffen – zum gegenwärtigen Zeitpunkt: Dies kann sich in Zukunft ändern. Auf dem Markt würde sich das daran zeigen, dass Elektroautos und ihr Betrieb günstiger wären als Benzin- oder Dieselautos. Oder sind Wasserstoffautos am günstigsten? Der Markt würde das Optimum anzeigen. Die Staatsgewalt kann es nicht wissen, genauso wenig wie jeder einzelne Konsument.
Das Problem der Spekulation behandle ich nächste Woche.
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