05. Juli 2023 14:00

„Wagner-Putsch“ Echte, aber kurzlebige Rebellion oder Maulwurfsjagd?

Und nach wie vor gilt: War is a Racket …

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: Andrey Sayfutdinov / Shutterstock Putschversuch der Wagner-Söldner: Echt oder inszeniert?

Dass die Söldnertruppe „Wagner“ unter Führung des Oligarchen Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin unter intensiver nachrichten- und geheimdienstlicher Beobachtung stand und immer noch steht, versteht sich von selbst. Jeder, der auch nur einen Funken von dieser Ebene der Staatsführung versteht, weiß: Keine Regierung dieser Welt lässt eine Armee, egal, ob staatlich oder privat, egal, ob Berufssoldaten oder Söldner, einfach völlig unbeaufsichtigt herumfuhrwerken.

Natürlich möchte man wissen, wie es in der Truppe „tickt“. Wie sieht die allgemeine Stimmung aus? Sind sowohl Fußtruppen als auch Führung mit den Entscheidungen ihrer Regierung zufrieden? Oder bilden sich eventuell Widerstände? Falls ja: In welchem Umfang? Wachsen womöglich schon „Widerstandnester“? Gibt es Pläne, sich den Anweisungen zu widersetzen oder schlimmstenfalls sogar Wünsche, die Führung zu stürzen? Gibt es ausländische Geheimdienstler/Informanten in der Truppe? Hat sich irgendein Führungsoffizier vielleicht kaufen lassen und verrät unsere Planungen ausländischen Regierungen – gegen Bezahlung, versteht sich? Und so weiter und so fort. Alles schon vorgekommen – quer durch die Geschichte.

Soll heißen: Man kann getrost davon ausgehen, dass so mancher Maulwurf in die Truppe geschleust wurde, um den „Finger am Puls“ zu halten. Seien es russische oder ukrainische, amerikanische, britische, französische – take your pick.

Deshalb kann es nur unterraschen, wenn Artikel erscheinen wie zum Beispiel im „Stern“ am 25.  Juni: „US-Geheimdienst und Putin wussten über geplanten Aufstand Bescheid – Wagner-Söldner ziehen sich zurück“. Oder „n-tv“ am selben Tag: „Berichte: Wusste Putin Bescheid? US-Geheimdienste ahnten Prigoschins Pläne.“

Dass es dabei oft zu Schnellschüssen kommt, versteht sich von selbst. So war bereits einen Tag nach Beginn des Putsches (?) im Mainstream zu lesen: Putin kaputt. Sein System ist am Ende. Schwerer Schlag. Er wird sich davon nicht mehr erholen. Erstaunlich, was manche Leute alles wissen, noch bevor auch nur halbwegs gesicherte Informationen vorliegen, was genau überhaupt passierte.

Dasselbe natürlich bei den Alternativen: Es braucht sich wirklich niemand mehr zu wundern, wenn die „üblichen Verdächtigen“ ohne jeden Beleg sofort – wen denn sonst? – die USA dahinter vermuteten. Natürlich ist Washington immer und ausnahmslos schuld. Logo. Lesen Sie nächste Woche auf Telegram: „Warum Cäsar sterben musste: Brutus war CIA-Asset“ oder „Vulkanausbruch in Pompeji von Nato-Erdbebenwaffe ausgelöst“.

Also was war da los? Vielleicht ein paar Generäle, die sich selber an die Spitze setzen wollten? Ein interner Machtkampf? Oder eine Maulwurfsjagd, sprich: eine inszenierte Aktion, um potenzielle Aufrührer und Querköpfe aufzuspüren und auszuschalten? Letzteres wäre allerdings riskant, denn man kann ja nicht davon ausgehen, dass alle Maulwürfe so unvorsichtig wären, sogleich darauf hereinzufallen, sich aus ihrer Deckung zu wagen und somit der Verfolgung auszusetzen.

Vielleicht war Prigoschin einfach unzufrieden mit der russischen Führung? Er und Putin haben eine recht lange Vorgeschichte. Angeblich sollen sie sich das erste Mal im Jahre 2001 bei einem gemeinsamen Essen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac kennengelernt haben – in einem von Prigoschins Restaurants. Andere behaupten, Putin und Prigoschin hätten sich bereits in den 1990er Jahren kennengelernt. Doch das ist für diese Betrachtungen irrelevant.

Prigoschin selbst hatte sich dahingehend geäußert, er fühle sich von Moskau betrogen. Vielleicht war es also ein echter Aufstand? Vielleicht wollte Prigoschin nicht mehr einfach dabei zusehen, wie junge Männer haufenweise wie Schlachtvieh in einem Krieg verheizt werden, der – so viel dürfte dem Wagner-Führer völlig klar gewesen sein – künstlich in die Länge gezogen wird, obwohl schon längst „Nägel mit Köpfen“ hätten gemacht werden können.

Der deutsche Geschichtswissenschaftler und Publizist Alexander Benesch steuerte einen sehr interessanten Aspekt bei: „Die Nato-Führung ließ den Russen offensichtlich genügend Zeit, um sich einzugraben und sich zu schützen vor der ukrainischen Gegenoffensive. Die langsamen Waffenlieferungen an die Ukraine sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Anscheinend gab es seit Monaten hohe Absprachen im Geheimen.“

Man sollte eines nie vergessen: War is a racket.

Ich halte die These, Washington habe Putin wegputschen wollen, unter anderem deshalb, gelinde gesagt, für fragwürdig. Wo er ihrem Rüstungs- und Kriegskomplex doch eine dufte Gelegenheit bietet, immer schön neues Kriegsgerät, Munition und anderen Nachschub an die Ukraine zu liefern. Sarkastisch gesprochen: Warum einen lukrativen „Geschäftspartner“ absägen?

Auch das meiner Meinung nach mittlerweile veraltete, nicht mehr tragfähige geopolitisch-strategische Argument, es ginge um die „Zerschlagung“ Russlands gemäß der alten Mackinder’schen und später von Brzeziński übernommenen und weiterentwickelten „Herzland-Doktrin“, vermag nicht mehr zu überzeugen: Warum bitte sollten „westliche Globalisten“ einen Staatsführer unbedingt weghaben wollen, der sich in den letzten Jahren doch alle Mühe gab, ihren Wunschvorstellungen über eine technokratische Neuordnung der Welt zu entsprechen?

Wie ich in einem meiner letzten Beiträge bereits gezeigt habe, gibt es in Russland genau dieselben Projekte, die auch im Westen in die Gänge kommen sollen: CBDCs, Smart Cities, diverse Methoden der biometrischen Bevölkerungskontrolle und -überwachung und und und. Desweiteren hat Putin mehrfach klipp und klar gesagt, dass er die „Nachhaltigkeits“-Agenda der UN unterstütze; er sprach sich offen für die „Vierte Industrielle Revolution“ aus, er ist ein großer Fan weltweiter Impfkampagnen „gegen Corona“, der „russische“ Impfstoff „Sputnik V“ wurde in enger Kooperation mit dem westlichen Pharmaunternehmen „AstraZeneca“ entwickelt, es gibt ein russisches Zentrum für „öffentlich-private Partnerschaften“ (WEF-Sprech vom Feinsten), der „menschengemachte Klimawandel“ müsse unbedingt konsequent bekämpft werden et cetera et cetera. Und der Brics-Block veröffentlichte vor einiger Zeit eine Erklärung (die man auch auf der Website des Kreml, kremlin.ru, nachlesen kann), derzufolge man „Desinformationen im Internet“ noch viel konsequenter bekämpfen müsse. Es wird genau dasselbe Phrasenstroh gedroschen wie in westlichen Gefilden.

Diese wenigen Beispiele müssten als Nahrung für einen wenigstens leisen Verdacht doch eigentlich genügen, dass die so nachdrücklich kolportierte Erzählung, der Kremlmann sei ein erbitterter „Feind“ des „Westens“, nicht so ganz der Realität entsprechen kann. Wenn Vladimir Vladimirowitsch Putin dann auch noch in einer öffentlichen Rede sagt, die Zentralbanken spielten eine unverzichtbare Rolle für die Neuordnung des Weltfinanzsystems: Es tut mir leid, ich erkenne hier keinen überzeugenden „Gegenentwurf“ und keine wirklich nachvollziehbare Opposition.

Und nur am Rande: Ach, Russland will angeblich eine neue Golddeckung einführen? Na, dann bin ich ja beruhigt. So wie in den USA, bis sie 1973 auf Anraten von Fed-Chef Paul Volcker unter Nixon aufgehoben wurde? Und jetzt zeige man mir den Garantieschein, der feierlich erklärt: Dass russische Politeliten in Zukunft – wer auch immer dann regieren wird – genau dasselbe tun und eine solche Golddeckung vielleicht wieder aufheben, ist natürlich absolut unmöglich …

Kann mir irgendjemand bitte endlich einmal überzeugende Beweise dafür vorlegen, dass Russland und China angeblich eine „Alternative“ aufbauen? Es wollen sich einfach keine zeigen. Wo bleiben die stichhaltigen Belege dafür?

Einer meiner Lieblingsjournalisten, Iain Davis, drückte meine Gedanken dazu vortrefflich aus: Man soll sich also entscheiden, welcher Stiefel einem ins Gesicht tritt. Man tauscht nur einen Herrscher gegen einen anderen aus.

Aber vielleicht – so wie ich es schon seit Jahren vermute – läuft die sogenannte „Multipolare Weltordnung“ ja darauf hinaus, sich gar nicht mehr aussuchen zu müssen, wer einen beherrscht, da in dieser Ordnung Herrschaft endgültig globalisiert wurde – gerne auch digital –, denn auch die „Digitale ID“ wird in allen drei Blöcken (USA, EU, Brics) gepusht.

In einem Artikel der „New York Times“ vom 1. Juli 2023 wurde empfohlen, das bisherige System – also Putins Regentschaft – lieber beizubehalten. Dazu Benesch (in seinem Artikel „NY Times will lieber Putin behalten und die Chinesen nicht aufschrecken“, 2. Juli 2023): „Die Times zitiert einen ‚Experten‘ vom Thinktank ‚Center for Strategic and International Studies‘ mit den Worten, dass Kriege ‚unglaublich destabilisierend sind‘. Russische Funktionäre und die großen Medien haben genügend atomare Drohungen ausgestoßen und wollten damit nur oberflächlich Stärke demonstrieren. Unterschwellig sollten Panik und Unberechenbarkeit vorgetäuscht werden. Zusammen mit dem Prigoschin-Putsch wirkt das noch mehr. Nicht wirklich auf die ausgebufften Nato-Strategen, die da sofort hindurchschauen. Aber die Nati und die Medien wie die ‚Times‘ spielen bei dem Prigoschin-Narrativ anscheinend mit aus Angst vor großem Chaos. Die Supermächte spielen sich aber die Bälle gegenseitig zu an der Spitze. Jede Form von Appeasement wird erklärt mit dem Universal-Argument, Schlimmeres zu verhindern. Wie faul der Ukraine-Deal wird und wie lange er hält, wird sich zeigen.“

Eines der Hauptargumente lautet, eine Destabilisierung Russlands könne dazu führen, dass die Föderation in kleinere Teile zerfällt, die dann schlimmstenfalls von atomar bewaffneten Kleinstaatsfürsten regiert werden.

Sie können ganz beruhigt sein: Es besteht keinerlei Interesse, den Brics-Block („Asianien“) wirklich zu destabilisieren oder zu „bekämpfen“. Schließlich soll er ja ein integraler Bestandteil des „multipolaren Systems“ sein. Das gilt nicht nur für Russland, sondern auch für China.

Bis nächste Woche.


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