Nahost-Konflikt: „Und zum Schluss holen wir uns den Iran“
Über versteckte Kameras und ein verzweifelt-lustiges Gespräch

Es ist mir schon seit langer Zeit unendlich egal, wann irgendein Entertainer endlich aus den Kulissen springt und ruft: „Tadaaa! Versteckte Kamera! Es war alles nur ein Spaß!“. Denn ein Spaß sind Kriege natürlich nie, und wenn sogenannte politische Eliten sich dazu entscheiden, werden Unbeteiligte leiden – alles wie gehabt. Egal, wie viele – ob es Präzisionsschläge sind, die nur militärische oder andere strategisch wichtige Einrichtungen ins Visier nehmen, oder ob viele Zivilisten dabei draufgehen. Ebenso selbstverständlich ist, dass gleich ein ganzes Füllhorn unterschiedlicher Interessen dabei abgeklappert wird, nicht nur geostrategische.
Jedenfalls wurde ich neulich in ein kurzes Gespräch am Postschalter meines Stamm-Supermarktes verwickelt. Ich begegnete einem Bekannten – einem Elektriker –, der mir etwas verunsichert und auch etwas ängstlich mitteilte, ob ich schon vom Krieg zwischen Israel und dem Iran gehört hätte. Da gehe es jetzt wohl los, sagte er, und eine Beteiligung der USA sei auch in Sicht. Er war etwas erstaunt, als mein Gesichtsausdruck keinen Millimeter von der Ruhestellung abwich. „Axel? Hast du gehört?“ „Ja, ich hab’s gehört. Überrascht mich nicht. Keine Sekunde. War lange genug geplant.“
„Wie? Was meinst du?“, fragte er neugierig, und so entwickelte sich das Gespräch. Immer noch mit unbewegter Miene antwortete ich: „Erstens: Seit wann kann man sinnvoll zwischen der israelischen und US-Regierung unterscheiden? Ist eigentlich dasselbe“, merkte ich lakonisch an, vermied es aber sorgfältig, dabei „Theorien“ anzusprechen, die Konsumenten der „Freien Presse“ Deutschlands ohnehin nie kennenlernen werden, solange sie nicht selber kritisch nachhaken, „und zweitens: Der Iran steht seit mehr als zwanzig Jahren auf der Abschussliste. Die Frage war nie, ob man das Land angehen wird, sondern nur, wann.“
Ich erzählte von den Plänen der „Neocons“, die schon vor der Jahrtausendwende davon sprachen, außerdem vom verstorbenen Chefstrategen Brzeziński, der im Jahre 2007 in einer US-Senatsanhörung Erstaunliches zu Protokoll gab. Da es sehr lange her ist, als ich das letzte Mal darauf einging, seien seine Worte hiermit noch einmal wiederholt. Zbigniew Brzeziński sagte am 1. Februar 2007 (!) in jener Anhörung: „Sollten die Vereinigten Staaten fortfahren, sich auf ein langwieriges Engagement im Irak einzulassen, wäre die Endstation dieser Talfahrt ein Konflikt mit dem Iran und mit einem großen Teil der islamischen Welt. Ein plausibles Szenario für eine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran beinhaltet ein Versagen im Irak und ein Verfehlen der dortigen Ziele, gefolgt von Anschuldigungen, der Iran sei für dieses Scheitern verantwortlich; dann von irgendeiner Provokation im Irak oder einem Terrorangriff in den USA, den man dem Iran in die Schuhe schieben wird, kulminierend in einer ‚defensiven‘ US-Militäraktion gegen den Iran, durch die ein einsames Amerika in einem sich ausweitenden und vertiefenden Morast versinken würde, der sich schlussendlich durch den Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan ziehen wird.
Ein mystisches historisches Narrativ zur Rechtfertigung eines solchen langwierigen und potenziell ausgedehnten Krieges wird bereits formuliert. Ursprünglich gerechtfertigt durch Falschbehauptungen über die Existenz von WMDs [Weapons of Mass Destruction, Massenvernichtungswaffen, meine Anmerkung] wird der Krieg nun umdefiniert zu dem ‚entschlossenen ideologischen Kampf‘ unserer Zeit schlechthin, der an die Zusammenstöße mit dem Nazismus und Stalinismus erinnere. [gemeint ist damit der ‚Krieg gegen den Terror‘, meine Anmerkung].
In diesem Kontext werden der islamistische Extremismus und al-Qaida als Entsprechung zur Bedrohung durch Nazi-Deutschland und dann die Sowjetunion präsentiert, 9/11 als Entsprechung zum Angriff auf Pearl Harbor, der Amerikas Eintritt in den Zweiten Weltkrieg herbeiführte.
Dieses simplizistische und demagogische Narrativ übersieht die Tatsache, dass der Nazismus auf der militärischen Stärke des industriell am weitesten fortgeschrittenen europäischen Staates basierte und der Stalinismus fähig war, nicht nur die Ressourcen der siegreichen und militärisch mächtigen Sowjetunion zu mobilisieren, sondern auch weltweite Anziehungskraft über die marxistische Doktrin ausübte. Im Gegensatz dazu akzeptieren die meisten Muslime den islamischen Fundamentalismus nicht; al-Qaida ist eine isolierte fundamentalistisch-islamistische Irrung; die meisten Iraker sind wütend über die amerikanische Besetzung des Irak, die den irakischen Staat zerstörte; während der Iran – auch wenn er regional einflussreicher wird, selber politisch geteilt sowie ökonomisch und militärisch schwach ist.
Zu argumentieren, Amerika befände sich in der Region bereits im Krieg mit einer größeren islamischen Bedrohung, deren Epizentrum der Iran sei, läuft darauf hinaus, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu verbreiten.“
Es versteht sich dabei von selbst, dass Brzeziński die Gruppe al-Qaida als „isolierte fundamentalistisch-islamistische Irrung“ bezeichnete, statt, wie er einmal in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Nouvel Observateur“ ganz unverblümt zugab, etwas wahrheitsgemäßer als angloamerikanisch-imperialistisch-geostrategische Nützlinge, die rein zufällig genau dort Rabatz machten und für Volatilität, Unruhe und Konflikte sorgten, wo man schon Jahre vorher auf der Karte des Nahmittelost-Bereichs Fähnchen gesteckt und „Regime Changes“ angedacht hatte; dasselbe gilt für den afrikanischen Kontinent, also die im „Bush/Cheney-Papier“ avisierte Hinwendung zum Pazifischen Raum – et cetera, et cetera, Klabaster.
Ebenso selbstverständlich sind die Kommentare der üblichen Experten wie beispielsweise einem Josef Joffe in der „Welt“, der das alles wunschgemäß dadurch herunterzuspielen versuchte, zu behaupten, die USA seien bislang „nur zweimal“ in puncto Regierungswechsel erfolgreich gewesen, ansonsten habe es sich überwiegend um „Misserfolge“ gehandelt. Definiere Erfolg, denn manchmal ging es dabei nicht wirklich um ein ohnehin nur für die breite Öffentlichkeit gedachtes angebliches Ziel, sondern vor allem um Destabilisierung und Volatilisierung – also darum, eine Region zerrüttet, ein bisschen chaotisch und turbulent zu halten. Auch das hatte Brzeziński in seinem wohl bekanntesten Buch, „The Grand Chessboard“ (auf Deutsch als „Die einzige Supermacht“ erschienen), klipp und klar geschrieben: Solange die Welt nicht in unserem Interesse geordnet und „befriedet“ ist, darf kein geopolitischer Konkurrent entstehen, der unsere „Supremacy“ bedrohen könnte. Im Wesentlichen hat das „American Century“ hier das „British Empire“ beerbt, das mit seinem „Brückenposten“ namens Saudi-Arabien einen Fuß in diese Tür bekam und durch künstlich erschaffene neue Staatsgebiete für Fragmentierung, Spannungen und Zwistigkeiten sorgte. Und nicht nur das: Auch religiöse Splitterströmungen wurden zum selben Zweck eifrig kultiviert. Allerdings war auch die vorgeblich angestrebte geopolitische Dominanz nicht die ganze Wahrheit, denn zu diesem Zeitpunkt – das Werk erschien 1997 – wurde bereits fleißig an der neuen „multilateralen“ beziehungsweise „multipolaren Weltordnung“ gebastelt – es flossen Abermilliarden Dollar und Technologie vor allem gen China –, also der heute bereits erreichten Einteilung in drei große Machtblöcke oder -zentren (USA, EU, Brics et cetera, Leia Popeia).
Zu diesem Zeitpunkt ist es sicher noch zu früh, genauer sagen zu können, in welche Richtung sich das ganze Tohuwabohu entwickelt. Ist es überhaupt eins? Oder fällt dieser Krieg nicht eher wieder in das „Konfliktmanagement“, wie es nicht zuletzt seit dem Ukraine-Krieg deutlich zu beobachten ist?
Das Mullah-Regime hat auf das Bombardement seiner Atomanlagen schon reagiert, aber nur recht verhalten – auch das kann kaum verwundern. Man will sicher nicht als völliger Bad Boy dastehen, zumal der Iran in der Region selbst genügend scharfe Kritiker hat. Würde man über die Stränge schlagen und unnötiges Blutvergießen lostreten, müsste man auf die Reaktion nicht lange warten, die im Nahen Osten nicht nur auf Empörung stieße – manchen Regierungen dort käme ein Ende der Mullahs sogar sehr gelegen, da Teheran selber nicht zimperlich war, wenn es um die Unterstützung bewaffneter Konflikte ging.
Der Verbleib von 400 Kilogramm Uran, so war in der hiesigen Presse zu lesen, sei bislang ungeklärt. So schrieb die „Welt“: „Während Donald Trump den Militärschlag gegen Irans Atomprogramm feiert, kommen in Washington leise Zweifel auf. Zwar gilt als wahrscheinlich, dass die Anlage in Fordo schwer beschädigt wurde, doch Teheran könnte in letzter Minute sein Uran abtransportiert haben. Die Folgen wären schwerwiegend („Die heikle Frage nach dem Verbleib von 400 Kilogramm Uran“, später geändert zu „Die verdächtigen Laster am Eingang von Fordo“, 23. Juni 2025).
Na, dann hoffe ich mal, dass Brzezińskis Einblicke in den Fahrplan gegen den Iran sich nicht vollumfänglich als wahr herausstellen, der von „einem Terrorangriff in den USA“ sprach, „den man dem Iran in die Schuhe schieben wird, kulminierend in einer ‚defensiven‘ US-Militäraktion gegen den Iran“. Denn in diesem Fall stünde natürlich die sofort die Frage nach Flaggen-Echtheit im Raum.
Intuitiv würde ich sagen: ziemlich unwahrscheinlich. Aber nach allem, was die geneigte Menschheit in den letzten Jahren an schrillen Meldungen aus den hohen Hallen beziehungsweise Zirkuszelten der Politik erleben durfte, weiß man ja nie.
Bis nächste Woche.
SFRC Testimony, Zbigniew Brzezinski, February 1, 2007
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