19. Juli 2023 13:00

Ein „großes (Eliten-) Experiment“ China als technokratisches „Versuchslabor“

Wer begünstigte den Aufstieg des Landes zur Supermacht?

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: Wikimedia Yale-China Association in den 1950er Jahren: Maßgeblich am Aufstieg Mao Tse-tungs beteiligt

Schon seit geraumer Zeit wird das „Reich der Mitte“ von hiesigen Politikern als Bedrohung dargestellt, der man entgegentreten müsse. Auch die Presse beklagte regelmäßig das „aggressive Vorgehen“ des Landes im Ausland, so zum Beispiel die massiven Aufkäufe in der Industrie Europas. „Der Spiegel“, schreibt am 23. August 2012 unter der Überschrift „China kauft sich in deutsche Industrie ein“: „Chinesische Unternehmen investieren vermehrt im Ausland, vor allem auch in deutsche Industrieunternehmen.“

In den „Stuttgarter Nachrichten“ konnte man am 24. Januar 2018 lesen: „Rekordsumme: China kauft sich in deutsche Industrie ein“. Laut aktuellen Meldungen sollen diese Investitionen allerdings zurückgegangen sein, schrieb beispielsweise die Website „Produktion – Technik und Wirtschaft für die deutsche Industrie“ am 21. Februar 2023: „Chinesische Investoren werden zurückhaltender beim Kauf europäischer Unternehmen. Ist das der Beginn einer echten Entkopplung der hiesigen Wirtschaft von der in der Volksrepublik?“. Solche und ähnliche Meldungen findet man zuhauf.

Doch die viel interessantere Frage ist natürlich, wie China überhaupt zum globalen Platzhirsch aufsteigen konnte – diese geht jedoch zumeist unter.

Schade, denn die Geschichte dieses Aufstiegs birgt so manche Überraschung – vor allem für diejenige Sichtweise, derzufolge es sich um eine Art „feindliche Übernahme“ durch China handele. So wurde vor einiger Zeit zum Beispiel der Quatsch kolportiert (sowohl im Mainstream als auch im alternativen Bereich), Peking dominiere das Weltwirtschaftsforum. Tenor: Die armen westlichen Eliten in Politik und Wirtschaft würden von Chinesen überrannt. Derselbe Unsinn wurde auch schon über die WHO verbreitet. Doch selbst wenn dem so wäre, stünde nach wie vor die Frage im Raum: Warum leisteten dieselben Eliten China dann so tatkräftige Aufbauhilfe?

Doch die schärferen Töne gegenüber der „Volks“-Republik, bei der es sich heute um eine totalitäre Technokratie und eine Einparteiendiktatur handelt, sind relativ neu. Wie James Corbett richtig beobachtete, hatte beispielsweise der kanadische Premier Justin Trudeau Chinas Diktatur ausdrücklich gelobt, weil, so zitiert Corbett Trudeau, „‚ihre grundlegende Diktatur es ihnen ermöglicht, ihre Wirtschaft tatsächlich im Handumdrehen umzukrempeln.‘ Dies ist jedoch kein einmaliger Ausrutscher oder ein aus dem Zusammenhang gerissener ‚Gotcha‘-Moment. Immer wieder hat ein (falscher) Staatschef nach dem anderen aus der ganzen Welt seine Vorliebe für Chinas diktatorische Macht bestätigt. In der Tat sind es nicht nur die (falschen) Führer, die das chinesische autoritäre System begehren; Geschäftsleute, Experten, Thinktank-Bonzen und alle anderen in der sogenannten ‚Superklasse‘ sind gleichermaßen verrückt nach Pekings Regierungsstil. Die konsequente Verteidigung von Xis Diktatur durch die frühere deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vorstoß zur Erhöhung der EU-Investitionen in China brachten ihr die (Un-) Ehre ein, von Xi in einem Abschiedstelefonat zwischen den beiden (falschen) Staatsoberhäuptern als ‚alte Freundin‘ (lăo péngyŏu, ein Titel, der für verehrte globalistische Weggefährten wie Henry Kissinger reserviert ist) bezeichnet zu werden“ (James Corbett, „Tyrannen lieben China – aber warum?“).

Im Wesentlichen handelt es sich um genau dasselbe Vorgehen wie schon bei der UdSSR. Die Sowjetunion erhielt – so viel steht heute unumstößlich fest – ebenfalls massive Hilfen, sei es in Form von Krediten, des Austauschs von wissenschaftlich-technischem Know-how oder von Technologietransfers, ohne die der kommunistische Freiluft-Gulag schnell zurückgefallen wäre, ja sogar – das war schon früh abzusehen – ökonomisch und technologisch schnell fertig gehabt hätte.

Also warum diese „Vorliebe“ für das „chinesische Modell“? In einem Interview mit Hof-Philosoph Richard David Precht vom 17. Dezember 2018 sagte Robert Habeck, derzeitiger Bundesminister für Wirtschaftsabbau und Klimasozialkredit, hinsichtlich der „Bekämpfung des Klimawandels“: „Die Politik – meine Welt – arbeitet im Grunde analog. Die braucht zwei Jahre, um ein Gesetz zu machen, dann muss es Anhörungen geben, Bürgerbeteiligung – das wollen wir ja auch –, aber dadurch entsteht eine Wirklichkeit, dass die Politik nicht immer auf Ballhöhe der Herausforderungen ist. Ich glaube, man kommt da nur normativ weiter. Man muss das zugeben, dass das so ist – und dann muss man sich entscheiden: Will man daran festhalten, dass ein demokratisches System, das im Grunde dem Kern von Selbstbestimmung und auch -beteiligung von Menschen verpflichtet ist, noch eine Chance hat – dann muss man jetzt aber in großer Geschwindigkeit radikale Schritte in der Politik einführen. Oder gibt man es auf; dann wird man zu zentralen, zentralistischen Systemen hingehen, die natürlich schneller sind. Das ist das Brückenbaubeispiel von Ihnen – China –, da gibt’s eben keine Opposition und keine Mitbestimmung, und wenn die Fehler machen, werden die trotzdem nicht abgewählt. Vielleicht gibt’s mal irgendwann eine Revolte in China, aber erst einmal ist das System effizienter. Wollen wir das oder wollen wir das nicht? Ich glaube, diese Entscheidung kann man nicht ökonomisch treffen, die kannst du nur wertegeleitet treffen und sagen … ja, ich würde sagen: Das wollen wir.“

Das chinesische – sprich technokratisch-totalitäre – System Chinas ist Habeck zufolge also „effizienter“. Und es ist genau dieses System, das nun bekanntermaßen schrittweise auch bei uns (auf EU-Ebene) eingeführt werden soll. Die politischen Vorstöße der letzten Zeit in Richtung „Klimaschutz“ sprechen diesbezüglich eine klare Sprache.

Aus Corbetts Sicht diente und dient China als „Versuchslabor“ zur Perfektionierung von Methoden der Bevölkerungskontrolle: „Die globale Machtelite perfektioniert ihre Techniken zur Kontrolle der menschlichen Bevölkerung, und China ist das technokratische Labor, in dem sie diese Techniken testen. Das ist der Grund, warum Trudeau, die Mainstreammedien und alle anderen Organe der etablierten ‚Superklasse‘ China wirklich bewundern.“

Patrick M. Wood, der seit Jahrzehnten zur entstehenden Technokratie forscht, schrieb dazu: „China ist eine ausgewachsene Technokratie und die erste ihrer Art auf dem Planeten Erde – dank der geschickten Manipulation und Unterstützung durch westliche Eliten wie der Trilateralen Kommission. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die klare und gegenwärtige Gefahr in puncto Weltherrschaft nicht irgendeine Art von marxistischem Derivat ist, sondern eher eine neoautoritäre Technokratie. Das Leben unter einem solchen System wird weitaus unterdrückerischer und schmerzhafter sein als Sozialismus, Kommunismus oder Faschismus“ (Patrick M. Wood, „China is a Technocracy“, meine Übersetzung).

Unter der Regierung Nixons, von der manche Historiker behaupten, sie sei in Wahrheit eine „Kissinger-Administration“ gewesen, da dieser die meisten Entscheidungen Nixon „eingeflüstert“ habe, fand die „Öffnung“ beziehungsweise Hinwendung nach China statt. Es ist kaum überraschend, dass man auch hier Verbindungen zu den üblichen Organisationen und Clübchen wie zum Beispiel dem CFR oder der „Skull and Bones“-Geheimgesellschaft an der Universität Yale findet. Ironischerweise erschien dazu eine Titelgeschichte ausgerechnet in der „Yale Daily News“, nämlich am 29. Februar 1972. Unter der Überschrift „Yale Group Spurs Mao’s Emergence“ („Yale-Gruppe treibt Maos Auftauchen voran“) hieß es (siehe Link unter diesem Beitrag): „William F. Buckley war nicht die einzige Persönlichkeit aus Yale, die mit der Reise des Präsidenten nach China in Verbindung stand [gemeint ist die damals gerade erfolgte Reise von Präsident Nixon nach China, meine Anmerkung]. Ohne die Unterstützung von Yale wäre Mao Tse-tung vielleicht nie aus der Versenkung aufgetaucht und hätte nicht die Führung in China übernommen. Jonathan Spence, Professor für chinesische Geschichte, war der erste, der Mao Tse-tungs Verbindung zu Yale entdeckte. Der Professor bemerkte: ‚1919 war Mao im Alter von 26 Jahren in Changsha, wo er seine Mittelschulausbildung abgeschlossen hatte. Er besuchte Peking und erhielt dort in der marxistischen Studiengruppe von Li Ta-chao seine ... ernsthafte Einführung in die kommunistische Theorie.‘ Wenn er sich nun in sozialistischen Kreisen einen Namen machen wollte, musste er eine Form finden, um seine Ansichten zu verbreiten. An diesem entscheidenden Punkt lud die Studentenvereinigung ‚Yale in China‘ Mao ein, die Redaktion ihrer Zeitschrift zu übernehmen. Mao nahm die Stelle an und änderte das Format der Studentenzeitschrift. Sie sollte sich nun mit Gesellschaftskritik und aktuellen Problemen befassen und sich auf die ‚Neuausrichtung des Denkens‘ konzentrieren.“

Seitdem waren fast alle US-Botschafter in China „Yalies“ beziehungsweise „Bonesmen“. In seinem Artikel „Bush’s China Policy: Skull & Bones“, erschienen im „The New Federalist“ am 26. Januar 1990, wies Joseph Brewda auf diese Auffälligkeit hin: „George Bush, der erste diplomatische Vertreter der USA in der Volksrepublik China im Jahr 1973, war Mitglied von Skull and Bones. Ebenso wie sein Vater, sein Bruder, sein Sohn, sein Onkel, sein Neffe und mehrere Cousins. Winston Lord, der Botschafter der Reagan-Bush-Regierung in China, war Mitglied. Ebenso wie sein Vater und mehrere andere Verwandte. James Lilly, der derzeitige Botschafter in China, war Mitglied von Skull and Bones, ebenso wie sein Bruder. Mit Ausnahme der Carter-Regierung war jeder US-Botschafter in Peking seit Kissingers Abkommen mit Mao Tse-tung Mitglied derselben kleinen Yale-Sekte. Ein reiner Zufall? Mao war ein Yalie – bereits 1903 gründete die Yale Divinity School eine Reihe von Schulen und Krankenhäusern in ganz China, die unter dem Namen ‚Yale in China‘ bekannt wurden. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass ‚Yale in China‘ ein Geheimdienstnetzwerk war, dessen Ziel es war, die republikanische Bewegung von Sun Yat-sen im Auftrag des angloamerikanischen Establishments zu zerstören. Das angloamerikanische ‚Establishment‘ hasste Sun, weil er China entwickeln wollte. Andererseits liebten sie die chinesischen Kommunisten, weil sie China rückständig halten wollten und sich dem Anbau von Rauschgift verschrieben hatten. Einer der wichtigsten Studenten von ‚Yale in China‘ war Mao Tse-tung.“

Das „Bureau of Export Administration, Office of Strategic Industries and Economic Security“ berichtete in seinem „Defense Market Research Report“ über die Technologietransfers Richtung China und, erstaunlich genug, über den „Druck“, der auf Unternehmen ausgeübt worden sei, sich daran zu beteiligen: „Das phänomenale Wirtschaftswachstum in China, das seit Deng Xiaopings 1978 begonnener Politik der ‚Offenen Tür‘ beobachtbar war, hat viele dazu veranlasst, den sicheren Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen Supermacht im frühen 21. Jahrhundert vorauszusagen. Der Zweck dieser Studie ist es, das Ausmaß zu bewerten, in dem US-amerikanische kommerzielle Technologie faktisch von US-Unternehmen, die in China normale Geschäftspraktiken und Joint Ventures im Austausch gegen den Zugang zu Chinas Märkten tätigen, nach China transferiert wurde. Diese Studie identifiziert keine spezifischen chinesischen militärischen Fortschritte, die aufgrund kommerzieller US-Technologietransfers erzielt wurden, sondern legt nahe, dass der anhaltende Druck auf ausländische High-Tech-Firmen, fortschrittliche kommerzielle Technologien zu transferieren, indirekt Chinas Bemühungen um die Modernisierung des chinesischen Militärs zugutekommen könnte.“

Wer waren also die Firmen, die nicht nur im militärischen beziehungsweise Verteidigungssektor, sondern ganz allgemein zum Aufstieg Chinas beitrugen?

So steht in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 24. August 2020 unter der Überschrift: „Warum Microsoft so einen guten Draht nach China hat“: „Am Anfang des Aufstiegs Chinas zu einer IT-Weltmacht stand ein amerikanischer Konzern: Microsoft. Und der genießt noch heute Privilegien. Das könnte ihm beim Tiktok-Deal helfen.“

Und wie James Corbett in seinem Artikel „The Great Decoupling: How the West is Engineering its own Downfall“ festhielt: „Der chinesische Industriemoloch ist nicht einfach über Nacht entstanden; die Infrastruktur für Chinas Wirtschaftswunder des letzten Jahrzehnts wurde bereits im Jahrzehnt davor geschaffen. Allein in den sieben Jahren zwischen 1994 und 2001 vervierfachten sich die Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen mit Sitz in den USA in China von 2,6 Milliarden Dollar auf 10,5 Milliarden Dollar. Im gleichen Zeitraum stieg China vom 30. auf den elften Platz der Zielländer für US-amerikanische F&E-Investitionen auf, da sich die Zahl der US-Filialen im Land verdoppelte. Die Liste der Unternehmen, die in den 1990er Jahren größere Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten oder -Einrichtungen in China eröffneten, liest sich wie ein ‚Who is Who‘ der im Council on Foreign Relations verschachtelten Fortune 500: DuPont, Ford, General Electric, General Motors, IBM, Intel, Lucent Technologies, Microsoft, Motorola und Rohm and Haas hatten zu Beginn des 21. Jahrhunderts alle eine bedeutende Beteiligung in China.“

Einige der Namen auf dieser Liste sind wirklich spannend. So sorgten die DuPonts zum Beispiel dafür, dass der UdSSR nicht der Sprengstoff ausging, und über die Beteiligung von Firmen wie Ford, General Electric oder IBM sowohl an der „Lebenserhaltung“ der Sowjetunion, am Vietnam-Krieg oder, geht man noch weiter zurück, auch am Dritten Reich besteht heute kein Zweifel mehr. Die DuPonts stehen übrigens auch hinter der politischen Karriere Joseph Bidens, des 46. Präsidentendarstellers der USA.

Die Verehrung für Mao und sein „großes Experiment“ war unter den Eliten weitverbreitet. So auch beim französischen Staatspräsidenten François Mitterrand: „Als François Mitterrand 1961 China besuchte“, so Corbett in seinem Artikel „China and the New World Order“, „machte sich Mao Tse-tung über Berichte über eine Hungersnot im Lande lustig. Es gebe keine Hungersnot, sondern nur ‚eine Zeit der Knappheit‘ – eine Behauptung, die Mitterrand, der Mao als ‚großen Gelehrten, der in der ganzen Welt für die Vielfalt seines Genies bekannt ist‘, bezeichnete, gerne akzeptierte. Als er nach seiner dreiwöchigen Reise nach Frankreich zurückkehrte, hatte Mitterrand keine Zweifel an seiner Darstellung der Ereignisse: ‚Ich wiederhole, damit das klar ist: Es gibt keine Hungersnot in China.‘ Westliche Politiker der Rechten teilten die Ansicht des französischen Sozialistenführers. Der konservative Abgeordnete für Chester, John Temple, berichtete nach seiner China-Reise Ende 1960, dass der Kommunismus funktioniere und das Land ‚große Fortschritte‘ mache.“

Mit anderen Worten: Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht, zum „Global Player“, war ein Elitenprojekt. Dort wurden und werden erst recht heute diejenigen panoptischen Technologien gefördert, die nun auch in westlichen Gefilden sukzessive zum Alltag gemacht werden sollen.

Ich finde es bemerkenswert, dass die AfD – eine angebliche politische „Alternative“ – sich ebenfalls stark für eine Annäherung an die technokratische Diktatur in Ostasien ausspricht.

Bis nächste Woche.

„Yale Group Spurs Mao’s Emergence“


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