20. Juli 2023 08:00

Eigennutz versus Altruismus Ist Gemeinnützigkeit der Profitorientierung moralisch überlegen?

Über einen weitverbreiteten Denkfehler

von Olivier Kessler

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Bildquelle: Panchenko Vladimir / Shutterstock Non-Profit-Unternehmen: Die „Guten“?

Die Politik, Intellektuelle und die Medien haben es über Jahrzehnte geschafft, den Begriff des „Profits“ derart zu verunglimpfen, dass das Profitstreben heute als eine Art Sünde wahrgenommen wird.

Doch im Grunde genommen ist der Gewinn in einer freien Marktwirtschaft primär ein ökonomischer Maßstab zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Maßnahme. Er zeigt an, ob knappe Ressourcen effizient und für einen Nutzen stiftenden Zweck verwendet werden. Der Gewinn ist deshalb der beste Indikator dafür, dass das Unternehmen einen Dienst an der Gesellschaft leistet und für diese Gutes tut. Hat es ein Unternehmen geschafft, mehr Einnahmen zu erwirtschaften als Ausgaben zu tätigen, macht es Gewinn und erzielt damit einen Vorteil. Indem das Unternehmen Gewinne erwirtschaftet, schafft es aber auch für die Kunden Vorteile, weil es ein besseres oder günstigeres Produkt auf dem Markt angeboten hat als die Konkurrenz. Der Nutzen von profitorientierten Unternehmungen ist also nicht einseitig, sondern beruht auf Gegenseitigkeit – ist also sozial.

Die Vorstellung, dass es einer spezifischen „Unternehmensethik“ bedürfe, die im Gegensatz zum Profitstreben steht, erweist sich in einer freien Marktwirtschaft als irregeleitet. Ein Altruist könnte sich unter den marktwirtschaftlichen Bedingungen des geschützten Privateigentums nicht besser verhalten als der Gewinnoptimierer.

Der Wettbewerb sorgt dafür, dass diejenigen, die keine Gewinne machen, bald aus dem Markt ausscheiden. Auch wenn Konkurse von unrentablen Unternehmen für die betroffenen Mitarbeiter sicherlich kein schönes Erlebnis sind, so sind diese für das Allgemeinwohl dennoch ungemein wichtig: Würden diese Unternehmen weiterhin künstlich am Leben erhalten (beispielsweise, weil sie Subventionen vom Staat erhalten), würde dies bedeuten, dass sie knappe Ressourcen zur Herstellung von Produkten und Dienstleistungen verschwendeten, die zu wenig Menschen nachfragen. Diese wertvollen Ressourcen (materielle und personelle) würden daher besser einem anderen Verwendungszweck zugeführt, wo sie für die Menschheit mehr Nutzen stiften. Der freie Markt mit seinem Profiterfordernis stellt diese altruistische Ausrichtung der Marktprozesse sicher: Wer Profite erwirtschaftet, erbringt den Beweis dafür, dass er gemeinnützig ist.

Altruismus zeigt sich auf einem freien Markt nicht im Verzicht auf Gewinne, sondern in der Art der Gewinn-Verwendung. Es ist daher nicht Aufgabe der Konzernmanager, eine „Corporate Social Responsibility“ zu implementieren, wenn diese zulasten von Gewinnen geht. Vielmehr ist es an den Aktionären und Eigentümern der Firma, ethische Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung von Gewinnen zu treffen. In erster Linie will man ja nicht dem Marktpartner Gutes tun, sondern Leuten, die besonders bedürftig sind oder denen man persönlich nahesteht, wie zum Beispiel Familienangehörigen, Freunden und Bekannten. Viele Menschen versuchen gezielt, ihr Einkommen am Markt zu erhöhen, um sich im Bereich des Privaten oder auch zur Unterstützung von Hilfswerken und Bedürftigen umso solidarischer und großzügiger zeigen zu können.

Selbstverständlich gibt es unter Menschen Unterschiede, was den Grad ihres Altruismus angeht. Während die einen den Nächsten mehr lieben als sich selbst, gewichten andere ihren Eigennutz höher, auch wenn darunter durchaus viele rücksichtsvolle und ehrliche Menschen zu finden sind. Die Marktwirtschaft – jenes System also, in dem es um die Erwirtschaftung von Profiten geht – kommt jedoch ganz ohne Altruismus aus. Es veranlasst nämlich die Marktteilnehmer, ohne es zu wollen, anderen Gutes zu tun. Der Volkswirt Roland Vaubel schreibt treffend: „Was letztlich zählt, ist nicht die altruistische Gesinnung, sondern die tatsächliche Wirkung.“ Nicht Immanuel Kants „guter Wille“, sondern Adam Smiths konsequenzialistische Ethik rechtfertige die Gewinnoptimierung in der Marktwirtschaft.

Manchmal wird auf diese Argumentation hin eingewendet, dass freie Märkte oftmals versagten, dass es also beispielsweise zu negativen externen Effekten komme, und Ergebnisse freier Märkte deshalb nicht gemeinnützig seien. Der Markt wird jedoch zu Unrecht als „Schuldiger“ gebrandmarkt, denn de facto handelt es sich hierbei nicht um ein Markt-, sondern um ein Staatsversagen. Es ist Aufgabe des Staates, die Eigentums- und Freiheitsrechte jedes Einzelnen zum Schutz vor negativen externen Effekten (auch vor Umweltbeeinträchtigungen) durchzusetzen. Wird das Eigentum der einen durch unrechtmäßige Handlungen anderer verletzt, so hat der Staat oder ein dafür zuständig erklärter Intermediär für einen entsprechenden Gerechtigkeitsausgleich zu sorgen. Schadenersatzzahlungen und Unterlassungsanordnungen sind hier bewährte Mittel. Werden Ansprüche nicht abgegolten, sind Schuldzuweisungen an Konzerne fehl am Platz. Sie verschleiern, dass in solchen Fällen der Staat gefordert wäre.

Ehrlichkeit und Vertragstreue gehören nicht nur zu den Tugenden des ehrbaren Marktteilnehmers. Der freie Markt sorgt vielmehr dafür, dass diese Eigenschaften tendenziell belohnt und ein Zuwiderhandeln bestraft wird. Es bedarf dazu keiner altruistischen Gesinnung.

Ist man sich dieser Logik erst einmal bewusst, erscheint es naheliegend, die Steuerbefreiung für gemeinnützige Organisationen auch auf profitorientierte Unternehmen auszuweiten. Denn diese sind per Definition gemeinnützig, sofern sie Gewinne erwirtschaften. Sie schaffen zusätzliche Arbeitsplätze, zahlen vorteilhafte Löhne, um gute Mitarbeiter anzuziehen oder zu halten, und heben den Lebensstandard aller durch nützliche Produkte und Dienstleistungen.

Genau genommen bestraft die Unternehmensbesteuerung gemeinnütziges Handeln, indem sie jene benachteiligt, die den tatsächlichen Beweis erbracht haben, dass sie dem Allgemeinwohl dienen. Unternehmenssteuern sollten daher ersatzlos abgeschafft werden. Außerdem handelt es sich bei der Unternehmensbesteuerung um eine ungerechte Doppelbesteuerung, zumal die Akteure – namentlich die Eigentümer, Kader und Angestellten – bereits auf privater Basis Steuern bezahlen.

Letztlich gilt es auch zu berücksichtigen, dass „Non-Profit-Anliegen“ nur dank anderswo erwirtschafteter Profite finanziert werden können. Würden nirgendwo Gewinne anfallen, stünden keine Mittel zur Förderung sogenannter „Non-Profit-Projekte“ zur Verfügung. Die Profitoptimierung ist also in mehrfacher Hinsicht eine notwendige Bedingung für die Gemeinnützigkeit.

Es wäre ratsam, damit aufzuhören, den Profit zu verdammen, denn wer den Profit verdammt, verdammt im Grunde genommen auch den Wohlstand und den Fortschritt. Vielmehr sollte der Profit künftig als Maßstab des Diensts am Nächsten betrachtet werden, in Dankbarkeit gegenüber jenen, die Gewinne erwirtschaften und damit zum Wohle aller beitragen.


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