14. August 2025 06:00

Neidgesellschaft „Gier“

Der Lieblingsdiffamierungsbegriff der Gierigen

von Olivier Kessler drucken

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Bildquelle: Vinicius Tupinamba / Shutterstock Von wahrer Gier zerfressene Menschen: Leben insbesondere in staatsinterventionistischen Systemen wie im Schlaraffenland

Kaum jemand gilt in der weitgehend vom Nullsummenglauben beherrschten Gesellschaft als unanständiger als derjenige, der sich nicht mit seinem jetzigen Wohlstand zufriedengeben will, sondern nach mehr strebt. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn dem Betroffenen attestiert wird, dass er doch bereits „genug“ habe. Der moralische Vorwurf, der dann im Raum steht, ist jener der „Gier“.

Gier ist zwar nach heutigem Recht nicht strafrechtlich belangbar, allerdings sorgt die soziale Ächtung der Neidgesellschaft für eine fast ebenbürtige Bestrafung. Alle, die über sich selbst hinauswachsen und Erfolg haben bei dem, was sie tun, werden mit entsprechenden Diffamierungen sprichwörtlich einen Kopf kürzer gemacht, damit ja niemand das egalitaristische Ideal zu stören wagt. Einzig berühmte Sportler scheinen dem Rufmord noch entkommen zu können, vielleicht weil sie in der allgemeinen Bevölkerung als zu beliebt eingeschätzt werden und man sich nicht mit ihnen anzulegen wagt.

Gier ist aber nicht nur zu einer Art Lieblings-Diffamierungsbegriff von Neidern geworden, um ihrer angedichteten moralischen Überlegenheit gegenüber den wirtschaftlich Erfolgreicheren Ausdruck zu verleihen.

„Gier“ wurde auch zu einem der wichtigsten Kampfbegriffe gegen eine marktwirtschaftliche und freiheitliche Ordnung. Stattdessen wird dann ein System propagiert, in dem Gier angeblich keine Rolle spielt, und zwar die Sozialdemokratie oder der Sozialismus, wobei die beiden Systeme genau genommen auf das Gleiche hinauslaufen: entweder das sofortige (sozialistische Revolution) oder schleichende (sozialdemokratische) Abschaffen des Privateigentums und damit der individuellen Freiheit der Bürger.

Der Vorwurf lautet in etwa so: Der freie Markt setze dem Individuum und seiner Gier keine Grenzen und entfessele damit den Egoismus. Das führe zu einem rücksichtslosen Streben nach persönlichem Nutzen auf Kosten sowohl des Allgemeinwohls als auch der Solidarität mit den Schwächeren.

Ob jemand mehr oder weniger egoistisch, empathisch oder solidarisch, gierig oder genügsam ist, hängt jedoch von den individuellen Charaktereigenschaften ab. Es steht und fällt mit der Persönlichkeit des Betroffenen und hat letztlich nichts mit dem Wirtschaftssystem zu tun, in dem dieser lebt. Marktwirtschaften haben im Gegensatz zu staatssozialistischen Systemen hingegen bewiesen, dass sie in der Lage sind, den vorhandenen Egoismus und die vorhandene Gier in einen Nutzen für alle umzumünzen.

Der Marktwirtschaft wohnt ein das Allgemeinwohl fördernder Mechanismus inne, der selbst durch Egoismus und Gier angetriebene Menschen dazu bringt, der Gesellschaft Gutes zu tun. Wer einen möglichst großen Nutzen in Form eines hohen Einkommens oder Vermögens für sich selbst herausziehen möchte (Egoismus und Gier), muss anderen einen möglichst großen Nutzen stiften. Etwa indem man der Allgemeinheit Produkte oder Dienstleistungen anbietet, die diese als nützlich betrachtet und deshalb freiwillig nachfragt und kauft. Nur wer anderen am besten dient, schafft es, von seinen Mitmenschen das Geld zu bekommen, nach dem er sich so sehr sehnt.

Der Liberalismus mit seinem kapitalistischen Wirtschaftssystem zeichnet sich durch den Schutz des Privateigentums und die Steuerung des Wirtschaftslebens durch Märkte aus. Dies impliziert, dass jeder mit seinen Eigentumstiteln das machen darf, was er für gut befindet, solange er damit nicht das Eigentum anderer Menschen verletzt. In anderen Worten: Es herrscht Wahl- und Vertragsfreiheit unter der Bedingung der Eigenverantwortung und der Einhaltung des Rechts. Restlos alle Menschen profitieren von diesem Schutz. Was konkret an dieser Ordnung zu mehr Egoismus und Gier führen soll, ist nicht ersichtlich.

Ganz anders sieht es in staatsinterventionistischen Systemen aus, in denen es keine engen Grenzen der staatlichen Machtausübung gibt. Diese Systeme bieten gewissenlosen, egoistischen und gierigen Menschen die Möglichkeit, sich auf Kosten anderer zu bereichern, ohne ihren Mitmenschen einen Dienst erweisen zu müssen. Für mächtige Interessengruppen ist es dann ein Leichtes, für sich Privilegien herauszuholen: etwa in Form von Subventionen für einzelne Branchen, NGOs oder Unternehmen, die von der Bevölkerung bezahlt werden müssen. Oder in Form von marktbehindernder oder -verdrängender Regulierung, welche die Konkurrenz daran hindert, in einen fairen Wettbewerb zu treten. Für die Konsumenten bedeuten solche Regulierungen eine Reduktion der Wahlfreiheit und tendenziell höhere Produktpreise.

Sobald es für Interessengruppen salonfähig geworden ist, für gesetzliche Privilegien zugunsten der eigenen Klientel zu kämpfen, verkümmert das Bewusstsein für die wenigen allgemeinverbindlichen Regeln, die es für friedliche und faire Austauschbeziehungen braucht. An die Stelle der Ordnungspolitik treten dann rücksichtslose und raffgierige Gruppenegoismen: Immer schamloser und gieriger bedient man sich mithilfe des staatlichen Gewaltmonopols am Portemonnaie anderer Bürger und Gruppen.

Ganz anders in einer liberalen Marktwirtschaft: Die Theorie und die Erfahrung haben gezeigt, dass Werte, die allgemein als „gut“ erachtet werden – wie Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Friedfertigkeit –, hier eher gefördert werden, während „schlechtes“ Verhalten eher sanktioniert wird. Agiert eine Person verlogen, aggressiv oder hinterhältig, schadet dies ihrem persönlichen Ruf, womit sie sich diverse unternehmerische und berufliche Opportunitäten verbaut. Solange kein ausgebauter Sozialstaat zu Hilfe eilt, schaden sich die Personen selbst, die sich so benehmen.

Gleiches gilt für ein Unternehmen, das seine Produkte unzuverlässig ausliefert, unehrlich mit seinen Kunden umspringt oder diesen sogar droht: Sein Ruf oder die Reputation seiner Marke wäre schnell zerstört, worauf sich viele Kunden von ihm abwenden dürften. Dies trifft umso mehr im heutigen Internetzeitalter zu, in dem im Nu – für alle sichtbar – Rezensions-Sternchen vergeben sowie Kundenbewertungen und Erfahrungsberichte verfasst werden können. Es ist also im ureigenen Interesse der Marktteilnehmer, sich adäquat, aufrichtig und anständig zu verhalten.

In einer freien Marktwirtschaft gibt es viele solcher Mechanismen zur Eindämmung und Sanktionierung schlechter Verhaltensweisen. Diese ermöglichen es, dass die Informationsasymmetrien zwischen Herstellern und Verbrauchern auf ein Minimum herabgesenkt werden können. Nebst dem Ruf der Führungsperson oder einer Firma gibt es beispielsweise das Mittel der Garantie. Diese ist ein äußerst wirkungsvolles Instrument gegen Betrug, weil sie vertraglich abgeschlossen und notfalls gerichtlich durchgesetzt werden kann, wenn ein Produkt nicht das hält, was es versprochen hat.

Ein ebenfalls bewährter Mechanismus ist das kostenlose Ausprobieren eines Produkts: So kann man sich beispielsweise risikolos – ohne zu bezahlen – bei Onlineshops Kleider und andere Produkte nach Hause bestellen und diese zunächst anprobieren. Überzeugen sie nicht, kann man sie wieder retournieren. Bei komplexeren Produkten wie etwa Medikamenten oder Nahrungsmitteln, bei denen für die Kunden die Qualität nicht immer auf Anhieb ersichtlich ist, könnten unabhängige private Zertifizierungsstellen – die sich im Wettbewerb miteinander bewähren müssten – die Qualität und Eignung prüfen und sie zum Nutzen der Kunden entsprechend begutachten.


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