27. Juli 2023 18:00

Umfrage-Sensationen aus Bayern und Hessen CDU und FDP vor dem Abdanken, AfD und Freie Wähler übernehmen

Was passiert, wenn die Brandmauer nicht wie einst die Dachlatte schnell wieder abgebaut wird

von André F. Lichtschlag

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Bildquelle: photocosmos1 / Shutterstock „Der Lauch“: Friedrich Merz als tragische Figur

Vor lauter Aufregung um eine neue Belanglosigkeit von Friedrich Merz und einem weiteren seiner Umfaller schon am nächsten Morgen gingen die jüngsten Umfrageergebnisse zu den beiden Landtagswahlen, die am 8. Oktober in Bayern und Hessen stattfinden, völlig unter. Wohlgemerkt und das vorab: Was nun folgt, betrifft weder ein linkes Legoländchen wie Bremen noch ein östliches Bundesland mit AfD-Sonderstärke, sondern das nach Einwohnerzahlen zweitgrößte und das fünftgrößte Land der Republik.

Für Hessen prognostiziert das Umfrageinstitut WK in dieser Woche folgende aktuellen Werte (in Klammern das Ergebnis der letzten Landtagswahl 2018).

CDU: 25,5 % (27,0 %)    

SPD: 20,0 % (19,8 %)     

Grüne: 16,0 % (19,8 %)

AfD: 20,0 % (13,1 %)     

Freie Wähler: 5,5 % (3,0 %)        

FDP: 5,0 % (7,5 %)          

Linke: 2,0 % (6,3 %)       

Sonstige: 6,0 % (3,5 %) 

Für Bayern sagt ebenfalls WK nun diese Zahlen voraus:

CSU: 39,0 % (37,2 %)     

SPD: 9,0 % (9,7 %)          

Grüne: 14,5 % (17,6 %)

AfD: 16,0 % (10,2 %)     

Freie Wähler: 10,5 % (11,6 %)   

FDP: 4,0 % (5,1 %)          

Linke: 1,5 % (3,2 %)       

Sonstige: 5,5 % (5,4 %) 

Nun war die Union in Bayern immer schon stärker als in Hessen, das lange als rot-grüne Hochburg galt – das Land des ersten grünen „Turnschuhministers“. In Bayern liegt die CSU mit 39,0 Prozent weit vor SPD und Grünen zusammen mit 23,5 Prozent. In Hessen kommt die einstige Modell-Regierungskoalition aus SPD und Grünen immerhin jetzt noch auf 36,0 Prozent, die CDU des Ministerpräsidenten gerade auf 25,5 Prozent. Dazu spielen die Freien Wähler in Bayern „rechts der Union“ eine größere Rolle als in Hessen. Ansonsten aber fallen Gemeinsamkeiten ins Auge, die offenbar einen Trend in diesen beiden großen westlichen Bundesländern anzeigen.

Die beiden Parteien „rechts der Union“, also AfD plus Freie Wähler, kommen jeweils auf zusammen etwa 26 Prozent (Hessen 25,5 Prozent, Bayern sogar 26,5 Prozent). Und das gemessen, bevor in dieser Woche die CDU begann, ihren Vorsitzenden Friedrich Merz – bekannt im ganzen Land als „der Lauch“ – endgültig zu demontieren.

Wo werden AfD plus Freie Wähler Anfang Oktober stehen, wenn die Implosion der CDU – die eine sie zerreißende Diskussion um die Frage „Wie hältst du es mit der AfD?“ gar nicht mehr wird verhindern können – im Spätsommer weiter Fahrt aufnimmt? Bei zusammen 30 Prozent? Oder noch mehr?

Es ist schon eine stramme Leistung, was die links- bis körperöffnungsoffene CDU sich rechts von ihr hat systematisch heranwachsen lassen. Die Grünen haben nach ihrer Gründung 1980 drei Jahre gebraucht, um erstmals in den Bundestag einzuziehen, fünf Jahre bis zum ersten Landesminister (besagter hessischer Herr Taxifahrer in Laufschuhen) und 31 Jahre bis zum ersten Ministerpräsidenten.

Die AfD benötigte nach ihrer Gründung 2013 vier Jahre bis zum Bundestagseinzug. Da aber die CDU die „Brandmauer“ nicht verwarf wie die SPD einst sehr schnell die „Dachlatte“ gegenüber den Grünen, überspringt womöglich jetzt die AfD den Landesminister und wird in Rekordzeit gleich einen Ministerpräsidenten stellen. Nächstes Jahr in Thüringen oder Sachsen könnte es so weit sein.

Zurück zu den aktuellen Umfragewerten: Es sind nun offenbar zwei Parteien, die auf dem Mist der Union wachsen, was im politischen Berlin noch gar nicht richtig registriert wurde. Mit der Ausgründung der Werteunion könnte bald eine dritte hinzukommen, Platz gibt es offenbar genug.

Und das, während die Union gerade erst richtig zu implodieren beginnt und die FDP diesmal vielleicht doch ihren letzten Niedergang erlebt. Sie könnte nämlich in Hessen wie in Bayern so „achtkantig“ wie leistungsgerecht aus dem Parlament fliegen. Wie wird diese FDP, wie werden die um ihre Posten und Beutegelder bangenden Funktionäre dann am Abend des 8. Oktober mit einem solchen Schlag umgehen? Wird diese erneute Niederlage der Vorsitzende Lindner im Amt überleben? Oder führt er selbst eine Panikaktion an, die nur lauten kann, die Koalition im Bund sofort aufzukündigen?

Was passiert dann im Herbst in Deutschland mit 30 Prozent rechts der Union, Tendenz weiter steigend, im Osten sind es längst über 40 Prozent, an einigen Orten ist es bekanntlich auch schon die Mehrheit der Wähler. Wird sich die CDU aufspalten? Was sagt eigentlich Hans-Georg Maaßen am Abend des 8. Oktober?

Wird womöglich auch die Bayernpartei einen Überraschungserfolg landen? Und demnächst die Freien Sachsen? Kehrt dann auch der Separatismus endlich heim nach Deutschland? Wohlsein! 

Und da haben wir die Implosion der Linken noch gar nicht gewürdigt, einer Partei, die bei der letzten Landtagswahl in Hessen – heute kaum mehr zu glauben – mit 6,3 Prozent der Stimmen noch sicher im Landtag dieses großen westlichen Bundeslandes landete. Was wird Sahra Wagenknecht am Abend des 8. Oktober antworten, wenn sie mal wieder nach ihren Plänen bezüglich einer eigenen Partei gefragt wird?

Deutschland fliegt in diesem Herbst womöglich das gesamte hergebrachte Parteiensystem um die Ohren – warum, weiß jeder Beobachter mit Restverstand diesseits der Tat-Parteien und der „Mittelstrahlmedien“, wie sie jüngst Kollege Oliver Gorus so wunderbar treffend bezeichnete.

Ich hab’ auch schon Pipi in den Augen bei der Show, die uns dann erwartet. Nur darum geht es mir, und auch darin bin ich mit Oliver Gorus einig, der so schön schließt: „Ich habe längst genug und wähle keine Parteien mehr, insofern kommentiere ich das alles nicht als Sympathisant einer der Parteien, auch nicht als Protestwähler, sondern als gefasster bis angewiderter, für jede Parteiränke verlorener Zuschauer von außerhalb des Spielfeldrands.“

Wohlan. Wer es anders sieht, darf auf die Geschichte der genannten Grünen zurückblicken, die auch mal als mit der Dachlatte geächtete, gemiedene und verleumdete Anti-Parteienpartei gestartet sind, die bei der Gründung den Austritt aus EU und Nato, freie Privatschulen und die Abschaffung des Verfassungsschutzes forderte. Dann wurde der erste Minister vereidigt – man wandelte sich vom politischen Opfer zum Täter – und die unumgänglich fortschreitende Korrumpierung im System nahm ihren Lauf. Insofern: Nein, Hoffnung macht es auch mir nicht, wenn das alte Parteiensystem nun endlich zusammenbricht und neue Minister mit neuen Logos und Markenzeichen in alten Sesseln furzen.

Aber der Showdown der Clownswelt von heute könnte wunderschön werden. Pop-Körnchen!


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