28. Juli 2023 08:00

Arbeit und Wert – Teil 7 Lässt sich das Geld abschaffen?

Nicht Geld ist knapp, sondern Waren

von Stefan Blankertz

von Stefan Blankertz drucken

Artikelbild
Bildquelle: Wikimedia Zigaretten: Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen sie in Deutschland vorübergehend die Zahlungsmittelfunktion des Geldes

Ist das Geld die Quelle allen Übels? Nach antikapitalistischer Auffassung stellt das Geld den großen Gleichmacher dar, der die unterschiedlichen Qualitäten der Güter, Tätigkeiten, ja den Menschen selber auf den quantitativen und materiellen Nenner des Geldes reduziert. Wohlgemerkt sind es dieselben, die in jeder anderen Hinsicht die Ungleichheit geißeln und zur Gleichmachung auffordern. Aber das nur am Rande. Wenn Geld die Welt regiert, würde dann mit der Abschaffung des Geldes die Regierung, die Herrschaft des Menschen über den Menschen aufhören? Lässt sich das Geld so mir nichts, dir nichts abschaffen und, wenn ja, auf welche Weise? Was käme dann?

Wenn mit der Abschaffung des Geldes nicht die des Preises gemeint ist (ein Thema, das ich letzte Woche behandelt habe), geht es nicht darum, jeden Handel und jeden Tausch zu unterbinden, sondern von einem durch das Geld vermittelten zu einem direkteren Tausch zurückzukehren. Davon erhoffen sich diejenigen, die von einer Abschaffung des Geldes träumen, dass zwar Güter oder Dienstleistungen (Arbeit) ausgetauscht werden können, aber die Anhäufung (Akkumulation) von Geld und die Spekulation mit Geld unterbleiben. Die Akkumulation von Geld zu Kapital scheint dieser Auffassung zufolge dem Kapitalbesitzer eine ungebührliche Macht über diejenigen zu verleihen, die über kein akkumuliertes Geld (Kapital) verfügen. Und die Spekulation führt dazu, dass die Güter ungebührlich teurer oder über das natürliche Maß hinaus verknappt werden. Geld scheint das eigentlich knappe Gut schlechthin zu sein: Fast jeder hätte gern mehr davon. Wenn es kein Geld gäbe, so die Überlegung, würde auf diese Weise auch die Knappheit verschwinden.

An zwei historischen, aber nicht einmaligen, sondern immer wiederkehrenden Entwicklungen können wir ablesen, was bei der Abschaffung des Geldes geschieht. Die eine Entwicklung ist eine starke Vermehrung der Währungseinheiten (auf den Unterschied von Währung und Geld komme ich gleich zu sprechen): Mit ihr wird das Geld (die Währung) von der Intention her nicht abgeschafft, sondern so viel Geld zur Verfügung gestellt, wie nachgefragt wird: Die staatlichen Währungskontrolleure wollen den Mangel an Geld beseitigen.

Aber natürlich verschwindet durch die Vermehrung des Tauschmittels nicht eine gegebene Knappheit der zu tauschenden Güter (und Dienstleistungen). Es kann nicht anders kommen, als dass die Preise für die Güter steigen (Inflation); nicht alle gleichmäßig, aber in der Summe müssen die Preise um genau den Betrag der Geldvermehrung steigen. Wenn sie es nicht täten, würden die ersten Nachfrager zu den alten Preisen einkaufen, die letzten jedoch vor leeren Regalen stehen (genau das geschieht, wenn die Staatsgewalt die Inflation mit Preiskontrollen bekämpft).

Ab einer gewissen Geschwindigkeit der Inflation (also der sie treibenden Geldvermehrung) erfüllt die Währung ihre Funktion des Geldes als verlässliches Tauschmittel nicht mehr. Die Hyperinflation kommt faktisch einer Abschaffung des Geldes gleich.

Doch das Geld lässt sich nicht abschaffen. Die Währung mag zusammenbrechen, gleichwohl tritt augenblicklich die zweite Entwicklung ein, die sich immer dann wiederholt, wenn das herrschende Tauschmittel (Tauschmittel der Herrschenden) entweder die Funktion durch überstarke Vermehrung verliert oder aus anderen Gründen für die wirtschaftenden Menschen nicht zur Verfügung steht: Die wirtschaftenden Menschen greifen auf andere Tauschmittel zurück.

Das Tauschmittel (Geld) entsteht in einem spontanen und nicht geplanten Akt aus dem Handeln der Menschen heraus. Da der direkte Gütertausch mühselig und unpraktisch ist, Eier gegen Smartphone, wenn ich einen Autoreifen brauche, um dann jemanden zu finden, der Autoreifen veräußert und ein Smartphone braucht. Es ist praktischer, ein Tauschmittel zu haben, das, erstens, universell begehrt wird und sich somit gegen praktisch alle Güter oder Dienstleistungen tauschen lässt. Dabei darf es, zweitens, nicht beliebig vermehrbar sein und sollte, drittens, alterungsbeständig sowie, viertens, kleinteilig oder leicht stückelbar sein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in Deutschland ein Markt, auf dem Zigaretten als Geld fungierten. Sie erfüllten das erste Kriterium (universelles Begehrtsein) und vierte Kriterium (Kleinteiligkeit), das zweite Kriterium (keine beliebige Vermehrbarkeit) nur innerhalb einer armen und abgeschotteten Wirtschaftszone, doch das dritte Kriterium (Alterungsbeständigkeit) verfehlten sie komplett. Als nach der Währungsreform des wirtschaftsliberalen Ludwig Erhards der Staat mit der D-Mark ein vorübergehend halbwegs stabiles Tauschmittel zur Verfügung stellte, kehrte die Bevölkerung dem Zigaretten-Geld den Rücken zu: Es war mittelfristig nicht funktional genug.

Freilich vertraut der Staat bei der Implementierung seiner Währung als Tauschmittel nicht nur der Funktionalität, sondern hilft nach – vor allem mit den Gesetzen des Geldmonopols, nämlich erstens der Verfügung, die staatliche Währung als Äquivalent jedweder Schuld zu setzen, sowie zweitens dem Zwang, die Steuern in der Währung zu begleichen (und dafür alle materiellen und immateriellen Besitztümer, Einkünfte und Leistungen in diese Währungseinheit umzurechnen). Aufgrund dieser Vorkehrungen ermöglicht es der Staat, dass die wirtschaftlich handelnden Menschen auch dann noch seine Währung nutzen, wenn diese durch unmittelbare Vermehrung der Währungseinheiten oder die indirekte Methode der Kreditausweitung inflationiert wird. Dennoch kann ein Punkt der Inflation erreicht werden, an dem die Währung ihre Funktionalität teilweise oder vollständige einbüßt, sodass die wirtschaftlich handelnden Menschen auf andere Tauschmittel ausweichen: auf echtes Geld.

Der Staat legt darum so viel Wert auf die Hoheit über die Währung (das Geld), weil die Inflation sein Mittel ist, um sich neben den Steuereinnahmen eine weitere Einkommensquelle zu erschließen. Der Kniff ist so einfach, wie er für die meisten Menschen unsichtbar bleibt: Der erste Besitzer des vermehrten Geldes (der Staat und die von ihm privilegierten Institutionen, allen voran die Banken) kaufen mit dem Geld zum alten Preis, während die nachfolgenden Besitzer (zuerst die Bürger, dann die Arbeiter und als Schlusslicht die Bauern) die angepassten höheren Preise bezahlen müssen: Dies ist eine schleichende Enteignung zur Finanzierung der Staatstätigkeit, allem voran des Kriegs.

Die inflationierte Währung hat mithin tatsächlich die Wirkung, die für die Bürger, Arbeiter und Bauern verfügbaren Güter zu verknappen – nämlich um genau die Menge an Gütern, die sich die Staatsgewalt und ihre Günstlinge unrechtmäßig aneignen.

Das Geld lässt sich nicht abschaffen. Wohl aber die Währung. Und sie sollte abgeschafft werden.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.