01. August 2023 18:00

Künstliche Intelligenz Anfang vom Ende des staatlichen Schulsystems

Nach Durchschreiten des Tals der Tränen steht die Renaissance der Bildung an

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Lernen mit KI: Am besten ohne Staat

Seit ChatGPT ist das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde und macht natürlich auch vor der Schule nicht halt. Dort trifft es – jedenfalls in Deutschland – auf Strukturen, die zwar künstlich sind, aber mit Intelligenz nicht unbedingt gut zurechtkommen. Stichwort: Bildungsplan. – Das Wort allein weckt schon eine schauerliche Ahnung von den Dimensionen der ganzen Katastrophe. Unterstrichen wird sie in den Ausschnitten, die man aus den Medien zugespielt bekommt seitens der korporatistischen Beteiligten, dem „Lehrerinnen- und Lehrerverband“, wie sich das heutzutage nennt, Elternverbände und natürlich Kultusministerien. Tapfer und trotzig klingen Worte seitens Lehrerverband, man müsse sich dem Thema nicht abwehrend, sondern positiv stellen und es in den Unterricht einbinden. Nun ja, in Zeiten, wo Schüler Aufsätze mittels KI generieren können, müssten diese halt nicht mehr als Hausaufgaben, sondern in der Unterrichtszeit unter Aufsicht geschrieben werden, hieß es da von dieser Seite. – Ein schöneres Bild für die ganze Hilflosigkeit staatlichen Schulsystemdenkens hätte ich mir nicht selbst ausdenken können.

Das mit der Politik verflochtene Staatsschulsystem hat seine in ihm tätigen Akteure nahezu vollständig vom Wesen der Bildung entfremdet. Es war kein Prozess, der von heute auf morgen stattfand – in Deutschland ist er ausgegangen noch von kleinstaatlichen, wettbewerbsorientierten Strukturen bis ins 19. Jahrhundert, die noch die Generationen bis ins frühe 20. Jahrhundert prägten. Jede Generation gab noch etwas von ihrem Bildungsbewusstsein mit in die nächste Generation, wo es, mit zunehmendem Zentralismus wieder etwas blasser geworden, bei der Übermittlung in die übernächste Generation weiter verblich. Bildung: Das war einmal die Beherrschung von Sprache, naturwissenschaftliches Wissen, die Grundlagen der Mathematik, um sich nicht etwas vormachen zu lassen, Kunst, Kultur, Literatur und dabei die eigene, ganz persönliche Auseinandersetzung mit den Fragen des Seins, die die Menschheit über Jahrhunderte hinweg beschäftigt haben und von den großen Geistern ihrer Zeit ganz unterschiedlich produktiv verarbeitet wurden.

Bildung wurde als Schlüssel zur Autonomie gesehen, als Grundlage für die eigene Urteilsfähigkeit, zur Mündigkeit. Bildung basiert auf dem Streben des Ichs nach Antworten, nach Findung seines Wesens, seiner Ziele, ihrer Erreichung und der individuellen Interpretation des Austauschs mit der Welt um sich herum. Entscheidend für erfolgreiche Bildung ist nicht die Frage des Niveaus, von dem sie ausgeht oder zu dem sie führen soll, sondern eine Haltung des Anspruchs an sich selbst, als Subjekt der Welt um sich herum gegenüberzutreten und nicht als sich lediglich anpassendes Objekt. Bildung ist Arbeit an sich selbst; sie entzieht sich dem Kollektiv. Bildung ist für den Staat daher völlig unbrauchbar – der Befund ist heute an seinem regierenden Personal sogar direkt ablesbar.

Das staatliche Bildungssystem hat aus Bildung eine Leistung gemacht, die der Staat als Quasi-Monopolist gewährt und die der Empfänger wie einen Konsumartikel gebrauchen könne. Selbst die Gutwilligen im staatlichen Bildungssystem verstehen unter Bildung meist nur ein Stück Papier, das den Zugang zu Jobs und Karriere zu öffnen verspricht. Der Bildungsempfänger bezahlt mit seiner teils erzwungenen Einordnung in das Bildungssystem. Der Staat misst seinen Erfolg an der Rate höherrangiger Dokumente zur Bildungsdokumentation. Anspruch und Inhalte legt er selbst fest – der Bildungsplan. Führen die Bildungsdokumente nicht zu den erhofften Jobs und der erträumten Karriere, kann natürlich nicht der Staat schuld sein, sondern nur etwa Diskriminierung, die der Staat zu bekämpfen verspricht. – Und in dieses System bricht nun ein neues technologisches Werkzeug ein, das quasi sofort jedermann zur Verfügung steht: Künstliche Intelligenz zur Bewältigung enormer Datenmengen in kürzester Zeit zur Nutzung für die Erfüllung schon etwas komplexerer, kleinerer Arbeitsaufgaben: Aufsätze, Mathematikaufgaben, Textanalysen. Die erste spontane Antwort des Systems: Mehr Kontrolle; weniger eigenverantwortliche Arbeit und mehr unter Aufsicht. Als ob das System noch Kapazitäten hätte und nicht schon jetzt längst überfordert wäre, will es also die systematische Zerstörung von echter Bildung mit noch höherem Mitteleinsatz vorantreiben. Lächerlich.

Doch das System sammelt sich und hat eigene – politische – Interessen, wie man das Thema an die Schule bringt. Natürlich haben sie nichts mit Bildung zu tun, dafür sehr viel mit Propaganda. Ein Blick auf die Webseite „KI-im-Unterricht.de“ veranschaulicht die Unausweichlichkeit des bevorstehenden Systemkollaps. Besonders das zweite Video über die „fünf Kompetenzen, die KI Schüler*innen vermittelt“, hat es mir als ungewollte, aber gelungene satirische Überzeichnung angetan. Bezeichnend der visuelle Blick auf die Schüler – sechs Kinder, die an qualitativ hochwertigen Holztischen und Stühlen sitzen, im Hintergrund ein Regal mit Büchern; freundliche, aufmerksame Gesichter, die mit großen Augen auf die imaginäre Lehrkraft gerichtet sind. Eine Mischung aus Wunschvorstellung und systemischer Selbstdarstellung. Dazu dann aber der gesprochene Text, hier ein kleiner Auszug zur Kostprobe: „Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz können auch gesellschaftliche Probleme innovativ gelöst werden. In diesem Zusammenhang ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler, sich aktiv an der Bewältigung sozialer Herausforderungen zu beteiligen und natürlich auch Verantwortung zu übernehmen. Im Rahmen von KI-Projekten können Schülerinnen und Schüler lernen, wie sie mit Hilfe von Datenanalyse und Algorithmen Lösungen für lokale oder globale Probleme in ihrer Gemeinschaft entwickeln können.“

Beispiele seien die Vorhersage von Umweltkatastrophen, die Optimierung von Energieverbrauch oder die Verbesserung der Gesundheitsversorgung – also die ganze dysfunktionale Politikagenda. Schülerinnen und Schüler würden wichtige Kompetenzen im Bereich der sozialen Verantwortung erwerben, was dazu beitrage, dass die Gesellschaft besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werde. – Längst hat der Bullshit-Indikator den oberen Anschlag gesprengt. Hier hört man die Stimme des Systems, das einzig und an dieser Stelle rein virtuell in sich und für sich selbst existiert. Die Phrasendreschmaschine, die karriereorientierte Lehrer mit Stoff versorgt, um sich gegenüber ihren Vorgesetzten und der politischen Aufsicht wichtig zu machen. Das Geschickteste ist da wohl, den jungen Kollegen an eine andere Schule wegzuloben. Aber vielleicht mache ich mir da ja falsche Vorstellungen, und das systemimmanente Personal nimmt den Stuss auch noch andächtig auf. Umso schlimmer – für das System.

Künstliche Intelligenz ist ein neues Werkzeug, so wie ein Faustkeil, ein Hammer, eine Säge, eine Dampfmaschine, ein Verbrennungsmotor, ein Computer irgendwann einmal neue Werkzeuge waren, die neue Möglichkeiten schufen, Ziele leichter oder überhaupt erst mit angemessenem Mitteleinsatz zu erreichen. Manche Ziele sind mit dem Vorhandensein eines neuen Werkzeugs überhaupt erst vorstellbar geworden und ergaben sich erst nach einer gewissen Zeit. Der Wohlstand in einer Gesellschaft hängt von der Verfügbarkeit von Werkzeugen (Kapital) und der Verbreitung der Fähigkeit ab, Werkzeuge nutzenstiftend, also produktiv einzusetzen und weiterzuentwickeln. Ein staatliches System kann mit einem neuartigen, mächtigen Werkzeug wie der KI nichts Vernünftiges anzufangen wissen, hat aber beliebige Mittel für den Missbrauch, vor allem zum Zwecke der Propaganda als größter Fake-Produzent, der der Staat zumal mit seinen Geheimdiensten natürlicherweise ist.

Der Staat, der beginnt, in seinem Schulsystem zu thematisieren, wie man von künstlicher Intelligenz produzierten Fake von authentischer Information unterscheidet, wird – egal wie er es anpackt – scheitern. Schüler werden immer wieder schneller sein, die neue Technik zu nutzen, um das System zu hintergehen. Es erzieht sie förmlich dazu. Und da es im System ohnehin schon keine echte Bildung mehr gibt, wird das auch von geringerem Schaden sein, als man vermuten möchte, wenn auch die längst bestehende Bildungswüste dadurch noch nicht fruchtbar wird. Das geschieht erst dann, wenn sich wieder die Einsicht durchsetzt, dass echte Bildung der Schlüssel ist, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und etwas zu erreichen; dass sie im eigenen Interesse ist, man sich selbst auf den Weg machen muss, und der Staat einen eher hindert als voranbringt, weil er nicht am freien, wohlhabenden Bürger interessiert ist, sondern am abhängigen. Mit abnehmendem Wohlstand und dem Scheitern des Staats auch als Versorger wird das Bildungsinteresse wieder wachsen – und der Staat schrumpfen.

Passen Sie auf Ihre Kinder und Enkel auf. Beim Bildungserwerb kommt es wie bisher auch bis auf Weiteres und noch in zunehmender Weise auf die Familie an, je sozialistischer die allgemeine Entwicklung verläuft. Bei den Kindern Ihrer Kinder und Enkel sieht es aber wahrscheinlich schon anders aus, und Bildung wird aus Eigeninteresse und dem Zugangstor zu einem gewissen Wohlstand eine Renaissance erfahren. Der Wohlstand, der gerade umfassend zerstört wird, muss früher oder später wieder aufgebaut werden, natürlich ohne das dabei hinderliche staatliche Schulmonopol.

Quellen:

Ki im Unterricht


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