02. August 2023 18:00

Was ist ein liberales Waffenrecht? Die beste Versicherung gegen Tyrannei

… wie uns die Geschichte eindeutig lehrt

von Markus Krall

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Bildquelle: YueStock / Shutterstock Wilhelm Tell: Ohne seine Armbrust wäre sein legendärer Schweizer Freiheitskampf undenkbar gewesen

Es gibt ganz unterschiedliche Qualifikationen, die ein Mensch erlangen kann, je nach Talent und Neigung, manchmal auch durch Erfahrung. Meine Erfahrung ist es, dass manches Eisen heiß ist, zu heiß für die meisten, um es anzufassen. Dann gibt es da noch die Wespennester, in die man stechen kann, um verhaltensbiologische Beobachtungen aggressiver flugfähiger Insekten vorzunehmen. Was das angeht, kann ich ihnen versichern: Ich bin ein echter Experte darin, mit heißen Eisen in Wespennester zu stechen. Ich kann daher mit Fug und Recht behaupten, gut vorbereitet zu sein auf die unvermeidlichen Reaktionen der Wespenvölker auf eines der heißesten Eisen überhaupt – und das ist das Waffenrecht.

Mindestens acht von zehn Deutschen dürften der Meinung sein, dass Waffen nur in die Hände der Staatsorgane gehören. Man hat ihnen erfolgreich eingeredet, dass alles andere zur Anarchie, zu täglichen Schul- und Kindergartenmassakern und ganz allgemein zu Mord und Totschlag in den Straßen des Landes führen würde. Ihre Befassung mit dem Thema ist medientechnisch reduziert auf die Berichterstattung der alle paar Jahre vorkommenden Tragödien an amerikanischen (gelegentlich auch deutschen) Schulen und die Kommentare unseres Politkommissariats zu dem Ereignis, die uns an ihrer Expertise über die Verhältnisse in den USA teilhaben lassen und natürlich darüber, dass das liberale Waffenrecht dort die Quelle unendlichen menschlichen Leides sei.

So ist es aber mitnichten.

Vielmehr müssen wir feststellen, dass jede Entscheidung auch in der Frage des Waffenrechts mit Kosten verbunden ist. Entscheidet man sich für das Recht des freien Bürgers, Waffen zu tragen, so ist das – je nach Gestaltung – mit Kosten verbunden. Entscheidet man sich dagegen, so gilt das Gleiche, aber die Kosten sind andere. Diese Kosten sind gesellschaftlicher wie auch individueller Natur. Um sie zu analysieren, ist ein Blick in die Geschichte nützlich, aber auch ein Blick in die Statistiken und manchmal auch ein Blick in einzelne beobachtbare Phänomene, wenn das Waffenrecht auf ganz spezielle Weise gestaltet wird.

Dass Menschen sich bewaffnen, ist zunächst einmal ein historisches Phänomen. Die früh-zivilisatorische Situation der Menschheit war dergestalt, dass der Beobachtungshorizont der Menschen relativ klein war. Die Welt, in der sich ihr Leben abspielte, war begrenzt. Was hinter dem Horizont passierte, war unbekannt, aber es war nicht so weit weg, dass es nicht jederzeit in das Leben der Menschen einbrechen konnte. Schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte bildeten sich marodierende Banden, die davon lebten, andere Menschen zu überfallen, auszurauben und zu ermorden oder zu versklaven. Nicht selten waren diese Banden die Saat der Staatenwerdung, wenn ihre Führer herausfanden, dass es ein nachhaltigeres Geschäftsmodell ist, Schutzgeld zu erpressen und das Steuer zu nennen, als die Opfer einfach zu berauben und hernach umzubringen.

Es ist daher nicht überraschend, dass die Mehrzahl der Menschen über kurz oder lang auch dann bewaffnet war, wenn sie nicht zu einer dieser Banden gehörte – damit war das Prinzip der Verteidigung erfunden. Diejenigen Menschen, die das in der Frühzeit nicht taten, finden sich nicht in den ersten Berichten der frühen Historiker, und das hat einen einfachen Grund: Sie haben nicht überlebt.

In den darauffolgenden Jahrhunderten entwickelten sich Gesellschaften in unterschiedliche Richtungen. Manche erklommen die Leiter der Freiheit und fanden Wege, immer größeren Teilen des Volkes immer mehr Freiheiten zu ermöglichen, andere tendierten eher zu tyrannischen und unfreien Regierungssystemen, wieder andere oszillierten zwischen diesen Zuständen der Freiheit und der Unfreiheit. Es stellt sich die Frage, ob diese unterschiedlichen Entwicklungen abhängig waren von bestimmten Umständen oder „Zutaten“ und welche das waren.

Und es ist genau diese Frage, an der wir feststellen können, dass das Recht des Bürgers, Waffen zu tragen, ein wichtiger, wenn nicht der entscheidende Punkt war, an dem sich das Schicksal von Völkern entschied in ihrer Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Waffentragen und Freiheit gehen Hand in Hand. Nicht umsonst beruht der Mythos des schweizerischen Freiheitshelden Wilhelm Tell auf dem Umstand, dass er eine Armbrust nicht nur benutzen konnte, sondern auch eine sein Eigen nannte. Ganz ähnlich die Sage von Robin Hood. Seine Fähigkeiten, seine Feinde mit Pfeil und Bogen oder mit dem Schwert Mores zu lehren, darf legendär genannt werden. Nur am Rand möchte ich erwähnen, dass der Mann es nicht den Reichen nahm und den Armen gab, sondern dass er es den Steuereintreibern des Sheriffs von Nottingham nahm und den Steuerzahlern zurückgab. Der Konflikt zwischen freiem Mann und Staatsgewalt versinnbildlichte sich hier bereits überdeutlich, und dieser Konflikt war bewaffneter Natur.

Wir können das sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne empirisch belegen. Fangen wir mit einem positiven Beispiel, und da landen wir – nicht überraschend – im England des Spätmittelalters. Das Land befand sich im Hundertjährigen Krieg mit Frankreich um die normannischen Besitzungen der englischen Krone in Nordfrankreich und es war dem Gegner militärisch überlegen durch eine Waffe mit großer Distanzfähigkeit, nämlich dem Langbogen. Mit seiner Hilfe konnten die englischen Truppen einen todbringenden Pfeilhagel auf ihre Gegner niedergehen lassen, aber der Einsatz erforderte eine große Zahl geübter und trainierter Bogenschützen.

Also erließ der englische König ein Gesetz, nach dem jeder Bürger einen Langbogen besitzen und regelmäßig mit ihm trainieren musste. Sie ahnen wahrscheinlich schon, was das Resultat dessen war, und zwar die Waffengleichheit des Bauern mit dem marodierenden Raubritter und Steuereintreiber, der sich einen Sport daraus machte, die Haushaltskasse seiner Opfer zu plündern und stellvertretend für seinen Lehensherrn das Jus primae Noctis, das „Recht der ersten Nacht“, auszuüben gedachte, vulgo die Vergewaltigung der weiblichen Familienmitglieder der von ihm Heimgesuchten.

Der Bogen in der Hand des Bauern machte solch Ansinnen lebensgefährlich. Das Resultat war eine frühe und nachhaltige Dezentralisierung der Macht. Die Magna Carta, die die Rechte des Königs gegenüber den lokalen Fürsten begrenzte, war dabei nur der Anfang. Die Etablierung eines Parlamentes, zunächst mit dem Machtzentrum im adeligen Oberhaus, später die Verschiebung der Macht zum bürgerlichen Unterhaus, institutionalisierte die demokratische Ordnung in einer konstitutionellen Monarchie, die zu den ältesten und stabilsten ihrer Art auf der Welt zählt.

Erst das 20. Jahrhundert sah hier mit der Erlangung der Macht durch sozialistische, wenn auch demokratisch gewählte Regierungen eine Abkehr vom Prinzip des waffentragenden Bürgers. Dafür gab es in Großbritannien eigentlich keinen Anlass, dennoch wurde das Waffenrecht, insbesondere in den Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg, immer stärker eingeschränkt. Ich wage die Prognose, dass dies im langfristigen historischen Kontext für die Freiheit der Briten nichts Gutes verheißt.

Das Beispiel des alten Mutterlandes war den historisch bewanderten und gebildeten Gründervätern der Vereinigten Staaten durchaus präsent, als sie kurz nach Gründung der jungen Republik in einem Zusatzartikel ihrer Verfassung das Recht auf das Tragen von Waffen, insbesondere im Rahmen einer Bürgermiliz, verankerten. Die Gründerväter vertraten die explizite Auffassung, dass die Bürger eines Landes eine Regierung, die sich als tyrannisch erweist, auch mit Waffengewalt stürzen und beseitigen dürfen, und sie sahen die Bewaffnung des Volkes aus ebendiesem Grunde als zwingend an.

Gerade das konservative Amerika, der „Bibelgürtel“ und der Süden des Landes, verteidigen dieses Recht mit Zähnen und Klauen gegen alle Versuche der sozialistisch inspirierten Demokratischen Partei, es einzuschränken. Sie geben dabei keinen Millimeter nach, selbst dann nicht, wenn mit den scheinbar guten Gründen der Kriminalitätsbekämpfung ein zentrales Waffenregister oder Ähnliches gefordert wird. Der Grund ist einfach: Sie wissen, dass das nur der erste Schritt wäre. Ein zentrales Waffenregister wäre die Grundlage und Voraussetzung für Restriktionen und später die Konfiskation der Waffen.

In unseren Medien werden diese Menschen oft als „Hillbillys“, als Hinterwäldler mit plumpen Manieren und dümmlichen Ansichten, dargestellt. Das ist billige Propaganda, die mit der Realität nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hat. Die angeblichen Hinterwäldler aus dem mittleren Westen verfügen über solide Breitenbildung, in ihren Schulen werden konservative Werte gelehrt, das Leistungsprinzip wird ebenso hochgehalten wie das christlich inspirierte moralische Gerüst, die Werte der Familie und der freiheitlichen Traditionen, die das Land groß und erfolgreich gemacht haben. In den meisten Familien ist es ganz normal, dass die Eltern den Kindern den verantwortungsvollen und sicheren Umgang mit Waffen beibringen, wozu auch der Respekt vor den Gefahren und Risiken von Waffen gehört.

Eine Kleinstadt in den USA, in der das Gesetz gilt, dass jeder erwachsene Bürger verpflichtet ist, eine geladene Schusswaffe mit sich zu führen und auch ihren sachgemäßen Gebrauch zu trainieren, hat seit Jahrzehnten kein einziges Gewaltverbrechen mehr gesehen. Sie ahnen wahrscheinlich, woran das liegen könnte.

Oft wird eingewendet, dass in den USA sehr viel mehr Menschen durch Schusswaffen zu Tode kommen als im restriktiven Europa. Das mag sein, aber auch dieses Bild wird verzerrt geliefert. Die weitaus meisten Opfer von Schusswaffen finden sich in den hoch kriminalisierten Milieus der Großstädte, und die Taten werden von Personen begangen, die sich um ein Verbot ohnehin nicht scheren würden, weil sie kein Problem damit haben, das Gesetz zu übertreten. Dort gilt, was auch in Europa wahr ist: Das Verbot von Schusswaffen entwaffnet nur die gesetzestreuen Bürger, nicht die Kriminellen. Es stellt nur sicher, dass der Bürger wehrlos wird, sowohl gegenüber der Kriminalität wie auch gegenüber der Staatsgewalt.

Damit kommen wir zu den Negativbeispielen, nämlich den historischen Ereignissen, bei denen die Bürger entwaffnet wurden, und das sind, und dies nicht etwa zufällig, sozialistische Systeme gewesen, bei denen die Bedrohung durch den Staat und die Kriminellen zusammenfällt, weil die Verbrecher an der Macht sind. Nicht umsonst sagte Alexander Solschenizyn, dass im Sozialismus die Opposition kriminalisiert werde und die Kriminellen an der Macht seien.

Die beiden herausragendsten Beispiele waren Nazi-Deutschland und die Sowjetunion im 20. Jahrhundert. Die Entwaffnung der Bürger war Voraussetzung für die Errichtung der absoluten Tyrannei sowohl in Deutschland als auch in der UdSSR, der Herrschaft des stalinistischen Terrors, der Durchführung von Massenmord und Völkermord im großen Stil. Auf dem Höhepunkt des stalinistischen Terrors schwärmten jede Nacht Häscher der politischen Polizei und der Geheimdienste aus, um Menschen zu verhaften, die Stalin und sein KGB-Chef Berija wahllos und willkürlich auf Listen gesetzt hatten. Sie verschwanden auf Nimmerwiedersehen im Gulag, in den Arbeitslagern, Foltergefängnissen und vor Erschießungskommandos. Das hätte niemals funktioniert, wenn die Häscher hätten befürchten müssen, im Kugelhagel von ihren Opfern empfangen zu werden. Also mussten sie zuerst die Bürger entwaffnen.

Ja, der Waffenbesitz des freien Bürgers ist auch mit Kosten verbunden. Es gibt Unfälle, es gibt auch Tötungsdelikte. Aber die Lebenserwartung in den USA ist nicht niedriger als in Europa. Es wird also offenbar auch in Europa an Gewalt gestorben, nur weniger oft an Gewalt mit Schusswaffen. Aber die Kosten dieses Rechts werden millionenfach aufgewogen durch die Sicherheit, nicht in einer völkermörderischen Tyrannei zu landen. Der bewaffnete Bürger kann nicht beliebig ausgebeutet, unterdrückt und verfolgt werden. Er kann auch nicht so einfach eingeschüchtert werden, wie einige Beispiele aus den USA im Zuge der „Black Lives Matter“-Ausschreitungen gezeigt haben. Diese vermeintliche Gutmenschenbewegung hatte Plünderungen, Morde und Ausschreitungen zu ihrem Markenzeichen gemacht. Aber nicht überall. Ich erinnere mich an ein Video, bei dem ein plündernder Mob sich anschickte, ein Stadtviertel zu stürmen. Dessen Bürger stellten sich einfach mit der Waffe in der Hand schweigend, nicht einmal drohend, nur anwesend auf die Zufahrten zu ihrem Viertel. Der Mob drehte schneller ab, als er aufgetaucht war. Denn auch das ist Teil der amerikanischen Philosophie: Der Staat und die Polizei haben die Aufgabe, die Bürger zu schützen. Versagen Sie bei dieser Aufgabe oder werden von der Politik daran gehindert, so gilt das Recht auf Selbstverteidigung, nicht nur des eigenen Lebens, sondern auch des eigenen Eigentums.

Die beste Versicherung ist natürlich eine, die man nie braucht, aber damit das so bleibt, muss man diese Versicherung eben haben. Und die beste Versicherung gegen Tyrannei und die Herrschaft des Mobs ist das Recht des unbescholtenen Bürgers auf das Tragen von Waffen, am besten festgeschrieben in der Verfassung. Das lehrt uns die Geschichte.


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