08. August 2023 23:00

Agenda 2030 Weniger Ungleichheit – aber wie?

Der größere „Reset“

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Völlig natürlich: Ungleichheit beim Menschen

Nachdem ich mich in meinen vorangehenden Kolumnen Agenda-Zielen wie Wohlstand, Umweltschutz, Frieden und Gerechtigkeit gewidmet habe, und aufzeigte, wie diese auf friedlichem Weg erreichbar sind, möchte ich mich heute einem der Hauptargumente für den Einsatz von Zwang gegen friedliche Menschen zuwenden: Die Verminderung von Ungleichheit; es ist das Ziel Nummer 10 der 17 Agenda-2030-Ziele der Vereinten Nationen.

Reiche beuten Arme aus – wenn sie Zwang einsetzen

Ein bekanntes Vorurteil, das den Leuten „eingepflanzt“ (Immanuel Kant) wurde, ist, dass Reiche ihren Reichtum auf Kosten und zu Lasten der Ärmeren erworben haben. Dem ist nicht unbedingt so. Im Gegenteil, wenn der Reiche seinen Reichtum erworben hat, indem er seinen Mitmenschen schadlos ablehnbare Angebote gemacht hat, die diese freiwillig angenommen haben, dann hat er sie aus deren subjektiver Sicht noch mehr bereichert als sich selbst. Denn der Mensch gibt im freiwilligen Austausch etwas nur auf, wenn er sich von demjenigen, was er dafür erhält, mehr verspricht als von demjenigen, was er dafür hergibt.

Andererseits haben handlungslogisch gesehen all diejenigen, die ihren Reichtum erworben haben, indem andere Menschen mittelbar oder unmittelbar gezwungen wurden, nicht-ablehnbare „Angebote“ anzunehmen, ihren Reichtum tatsächlich ausbeuterisch erlangt. Wenn jemand gezwungen wird, für etwas zu bezahlen, das er nicht haben will, oder ganz ohne unmittelbare Gegenleistung etwas abzugeben, dann gewinnt der eine auf Kosten des anderen. Für die Gesellschaft insgesamt ergibt sich eine Pareto-Verschlechterung. Der Drohende erhält etwas zu Lasten des Bedrohten. Wird jemand also auf Grund von Zwangsabgaben reich, etwa weil er hieraus unmittelbar sein Einkommen bezieht oder weil er als Unternehmer mit Geldern bezahlt wird, die von erzwungenen Abgaben herrühren, dann ist er praxeologisch betrachtet wirklich auf Kosten und zu Lasten der Betroffenen reich geworden.

Reichtum ist für Ärmere kein Dilemma, sondern eine Chance

Wir beobachten empirisch, dass es Menschen gerade nicht dorthin zieht, wo die Ärmsten wohnen, etwa weil es dort nur wenige Reiche gäbe und sie damit im Vergleich immerhin noch besser dastünden. Sondern die meisten armen Menschen möchten in Regionen ziehen, in denen es relativ mehr Reiche gibt. Trotz der eingepflanzten Vorurteile über die angeblich „ausbeuterischen Reichen“ – und auf den Teil, der Zwang einsetzt, trifft dies ja auch zu –, scheinen sie instinktiv zu erspüren, dass dort, wo die Leute relativ „größere Kuchen“ haben, mehr für sie drin sein wird.

Nicht nur wirtschaftsgeschichtlich, sondern auch ökonomisch liegen sie damit richtig. Denn aus dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens folgt, dass jede zusätzliche Einheit eines einheitlichen Warenvorrats für den Menschen nur einen geringeren Wert haben kann, als die vorhergehende, und das heißt im Ergebnis, dass der Mensch seine drängendsten Bedürfnisse stets zuerst befriedigt. Wer seine drängendsten Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Wohnen und dergleichen befriedigen kann, der hat Mittel übrig, um sich weniger drängende Bedürfnisse zu erfüllen, wie etwa eine schöne Haarfrisur, eine Massage oder dergleichen. Auch karitative Bedürfnisse wie die Unterstützung von Armen oder Kranken können eher befriedigt werden, wenn Mittel reichlicher vorhanden sind.

Zudem ist in Regionen, in denen relativ mehr Wohlstand vorhanden ist, die Arbeitsteilung tiefer und breiter und Kapitalgüter sind reichlicher vorhanden. Das heißt, die Grenzproduktivität der Arbeit ist höher, und da diese ökonomisch die Obergrenze für die Gehälter ist, verdienen die Menschen relativ gesehen mehr. Und durch die Teilnahme am gesellschaftlichen Prozess der Arbeitsteilung vermindert sich die Ungleichheit automatisch, denn die Menschen werden unter sonst gleichen Umständen wohlhabender.

Umverteilung zerstört Wohlstand

Wer nun aber fordert, dass auch diejenigen „entreichert“ werden müssten, die ihren Reichtum auf freundliche Art und Weise erwirtschaftet haben, indem sie andere – aus deren subjektiver Sicht – noch mehr bereichert haben, der zerstört den Prozess, der zu Wohlstand führt.

Zunächst müsste den Reichen gegenüber feindlich gehandelt werden, damit sie etwas unfreiwillig abgeben. Sie müssten bedroht werden mit Zwangsgeld, Zwangspfändung, Zwangshaft und letztlich unmittelbarem Zwang, also Gewalt. Das Agenda-Ziel des Friedens in der Gesellschaft würde damit also vereitelt.

Und weil das Leid, das die Reichen durch den Zwang und die Wegnahme erfahren, nicht mit dem Nutzen der Ärmeren, die die Güter erhalten, nach einem objektiven Standard vergleichbar ist, kann eben nicht in utilitaristischer Art und Weise gefolgert werden, dass es „der Gesellschaft“ dadurch insgesamt besser ginge. Bei Nutzen und Leid handelt es sich um psychische Phänomene, die nicht mit Größenzahlen objektiv messbar sind, sondern nur in vagen Begriffen beschreibbar. Vielmehr kommt es zu einer Pareto-Verschlechterung, das heißt, einigen geht es besser auf Kosten und zu Lasten anderer, aber wir können nicht sagen, dass das Bessergehen der einen das Schlechtergehen der anderen „aufwiegt“, weil Wiegen eben Vergleichen mit einem objektiven Standard bedeutet.

Zum anderen ist es ein Denkfehler, den einheitlichen Prozess der Produktion zum Zwecke des Erwerbs aufzuspalten in einen Teil Produktion und einen Teil Verteilung. Wer produziert, um die Früchte seines Handelns zu genießen, der wird eben nicht gleichermaßen produzieren, wenn er ganz oder teilweise um diese Früchte gebracht wird. Und nimmt man von denjenigen, die besonders erfolgreich die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen im freiwilligen Austausch befriedigt haben, so schneidet man sich ins eigene Fleisch.

Schlussbetrachtung

Die Argumente, die gegen die „eingepflanzten Vorurteile“ gegen Reiche sprechen, die ihren Reichtum ohne Zwang und Gewalt erreicht haben, könnten fast beliebig fortgesetzt werden. In meinem Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“ gehe ich ausführlich darauf ein.

Die Ungleichheiten werden auf friedliche Art und Weise vermindert, wenn alle Menschen die Chance haben, unbehindert am Prozess der Arbeitsteilung und Kapitalbildung teilzunehmen und ihnen gerade nicht durch Arbeitsverbote oder Zwangsversicherungen Steine in den Weg gelegt werden. Zudem ist im Kapitalismus, wie Ludwig von Mises bereits erkannte, keiner dauerhaft reich. Er muss sich stets im Wettbewerb um die Kunden neu beweisen. Ohne erzwungene Privilegien, wie beispielsweise Urheber-Privilegien, erzwungene Monopolstellungen und dergleichen, lässt sich Kapital nur erhalten und mehren, wenn man vermag, seinen Mitmenschen Nutzen zu stiften.

Insgesamt können wir feststellen, dass sämtliche Ziele der Agenda 2030 nicht nur auch, sondern – auf friedliche und freundliche Art und Weise – nur in einer friedlichen Gesellschaft erreicht werden können. Der Einsatz von Zwang gegen friedliche Menschen konterkariert die Ziele, insbesondere natürlich das Ziel des Friedens.

In meiner nächsten Kolumne komme ich dann zur Gretchen-Frage: Wieso wollen die Menschen keine friedlich und freundlich strukturierte Gesellschaft, sondern wünschen sich den Einsatz von Zwang gegen friedliche Dritte, die sie noch nicht einmal kennen? Und das auch dann, wenn sie unter Umständen selbst schwere Nachteile dadurch erleiden, was sie verstandesmäßig leicht begreifen könnten. Doch mehr dazu beim nächsten Mal.

Quellen:

Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsozial (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Wirtschaftskrise, Inflation und Energieknappheit sind menschengemacht – eine handlungslogische Betrachtung (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Eine kurze Praxeologie der Politik in 7 Punkten (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)


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