14. August 2023 18:00

Vorwahlen bei den US-Republikanern Vivek Ramaswamy: Wiederkehr eines verloren geglaubten Politikertypus

Bekommt der gesunde Menschenverstand im Westen eine neue Chance?

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Consolidated News Photos / Shutterstock.com Ebenfalls Präsidentschaftskandidat: Der Republikaner Vivek Ramaswamy

Wie die Präsidentschaftswahl in den USA ausgehen wird, ist überhaupt noch nicht absehbar. Jedoch tut sich im Vorfeld dieser Wahl im Kandidatenfeld etwas, das für die Politik im 21. Jahrhundert wegweisend sein könnte.

In der diesjährigen Sommer-Doppelausgabe von eigentümlich frei ist ein längerer Artikel von mir über die jeweils zwei aussichtsreichsten Kandidaten der beiden Hauptparteien für das US-Präsidentschaftsamt bei der nächsten Wahl. Es sind Joe Biden und Robert F. Kennedy jr. bei den Demokraten sowie Donald Trump und Ron DeSantis bei den Republikanern. Inzwischen aber ist Letzterer, der Gouverneur von Florida, im Rennen um die Nominierung der konservativeren der beiden Parteien deutlich auf dem absteigenden Ast. Lag er in den Umfragen zur Nominierung im Februar dieses Jahres bei etwa 38 Prozent, ist er jetzt auf etwa 15 Prozent abgesackt. Unter anderem liegt das wohl daran, dass Trump inzwischen bei uneinholbar scheinenden 60 Prozent liegt. Der Ex-Präsident hat allerdings im gleichen Zeitraum – seit Februar – „nur“ ungefähr zehn Prozentpunkte zugelegt.

Nimmt man realistischerweise an, dass ein Großteil dieses Zuwachses für Trump aus dem DeSantis-Lager kommt, stellt sich die Frage, wo die restlichen mindestens 13 Prozent des Verlusts für den Gouverneur hingewandert sind. Zu einem großen Teil, so scheint es, zu einem Kandidaten, der am 21. Februar antrat und seither von Null auf jetzt knapp zehn Prozent angestiegen ist. Die Rede ist von Vivek Ramaswamy. Zehn Prozent ist nicht die Welt, aber erstens steht er damit jetzt an dritter Stelle der Republikaner und zweitens ist das immerhin mehr, als etwa Trumps Ex-Vize Mike Pence (sieben Prozent) und die frühere UN-Botschafterin und Gouverneurin von South Carolina, Nikki Haley (fünf Prozent), gegenwärtig hinter sich scharen können.  

Eines der vielen erstaunlichen Aspekte seines Aufstiegs in der Gunst der Republikaner ist die Tatsache, dass Ramaswamy, im Gegensatz zu Pence und Haley, bisher kein politisches Amt hat oder hatte. Trump hatte das 2016 zwar auch nicht, aber Trump war schon damals bekannt wie ein bunter Hund. Wer ist Ramaswamy?

Hier einige Eckdaten des Aufsteigers: Geboren 1985 in Ohio, studierte er Biologie in Harvard und Jura in Yale. Er ist Gründer und war bis 2021 Vorstandsvorsitzender eines Pharmaunternehmens. Erfahrung in dem Feld sammelte er zuvor als Mitarbeiter in einem Hedgefonds, wo er laut Wikipedia „unter anderem die Verantwortung für das Biotechnologie-Investmentportfolio“ trug. Er ist zudem Autor zweier Bücher, die sich sehr kritisch mit dem Wokismus und der Identitätspolitik auseinandersetzen, mit Zensur und der Übernahme von Unternehmen durch den woken Wahn – und wie diese Phänomene den Unternehmen, der Wirtschaft und der Gesellschaft schaden. 

Eine weitere Auffälligkeit ist Ramaswamys Alter: Er ist vergangene Woche 38 Jahre alt geworden. Ungewöhnlich jung für einen Präsidentschaftskandidaten, der in dieser frühen Phase des Vorwahlkampfes zehn Prozent der Unterstützer auf sich versammeln kann. Er ist Sohn von Einwanderern aus Indien und selbst ein Hindu. Außergewöhnlich ist auch das insofern, dass man in Amerika bis vor kurzem keine Chance als Kandidat hatte, wenn man keinen glaubwürdigen christlichen Leumund vorweisen konnte. Bei den Republikanern noch mehr als bei den Demokraten. Ramaswamy versteht es jedoch sehr gut, die große Schnittmenge zwischen seiner Version des Hinduismus und dem Christentum hervorzuheben. Außerdem betont er regelmäßig, dass Amerika auf der Grundlage „christlich-jüdischer Werte“ groß geworden sei und dass er gedenkt, alles zu tun, um diese Grundlage zu erhalten. Seine beiden Bücher bezeugen die Ernsthaftigkeit dieser Aussage. Interessant in diesem Zusammenhang ist seine offene Ablehnung des „World Economic Forums“. Das WEF habe ihn, obwohl er mit ihnen nichts zu tun habe, auf die Liste ihrer „Young Global Leaders“ gesetzt – bis er sie zur Unterlassung verklagt habe, sagte er in einer (unten verlinkten) öffentlichen Veranstaltung.

Laut der amerikanischen Nachrichtenwebseite Fivethirtyeight.com gibt es drei Hauptgründe, weshalb Ramaswamy der – kleine, aber doch deutliche – Umfragedurchbruch gelang. Erstens ist er reich; nach Schätzungen von Forbes hat er ein Nettovermögen von 630 Millionen Dollar. Somit konnte er sich am Anfang die nötige Werbung kaufen, ohne bei potenziellen Großspendern anklopfen und mit ihnen Kompromisse schließen zu müssen. Zweitens kann er mit Medien umgehen; sucht man seinen Namen auf YouTube, findet man eine Unzahl an Interviews auf den verschiedensten Kanälen, ob Mainstream oder alternativ. Dort beweist er eine eindrucksvolle Redegewandtheit, Präsenz, Intelligenz und Allgemeinbildung. Nebenbei: Auch anderweitig scheint er ein gutes Verständnis von Marketing zu haben. Ramaswamy weist das unter den republikanischen Kandidaten mit Abstand beste Wahlkampagnenlogo auf. Es ist eine auf „V“ stilisierte US-Flagge – „V“ für „Vivek“, aber auch für „Victory“. Drittens, meint Fivethirtyeight, sehe Ramaswamy nicht wie ein typischer Kandidat der Republikaner aus. Er steche hervor. Dieser letzte Grund ist wohl der unwichtigste, denn es gibt auch andere Kandidaten, die äußerlich von der bisherigen „Norm“ abweichen. 

Warum soll die Kandidatur dieses Mannes wegweisend für das 21. Jahrhundert sein? Vor allem aufgrund seines nichtpolitischen bisherigen Werdegangs. Hier tritt jemand an, der nicht die übliche Ochsentour gemacht hat. Der auch ohne den Bekanntheitsgrad eines Trumps mit seinem authentischen Auftritt „ankommt“ – und an Boden gewinnt.

Einer, der das Zukunftspotenzial des indischstämmigen US-Bürgers erkannt hat, ist ein anderer Politiker mit ähnlichem Werdegang: Der Brite Nigel Farage. Der 1964 geborene „Mister Brexit“ arbeitete, bevor er während der Debatte um den EU-Maastricht-Vertrag Anfang der 90er Jahre in die Politik ging und infolgedessen 1999 erstmals in das EU-Parlament gewählt wurde, für verschiedene Broker an der Londoner Metallbörse. Farage schrieb Anfang August in einem Artikel für den „Sunday Telegraph“, dass Trump gut beraten wäre, Ramaswamy zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten zu küren.

Er habe Ramaswamy vor kurzem persönlich kennengelernt, schrieb im selben Artikel der instinktsichere Engländer, der vor kurzem zwei überwoke Bankvorstände zu Fall brachte, die sein Konto aus politischen Gründen kündigen wollten, und führte weiter aus: „Ich stellte schnell fest, dass er das Zeug dazu hat, eine Kraft in der amerikanischen Politik zu sein. Für diejenigen unter uns, die eine Rückkehr zum gesunden Menschenverstand in der westlichen Welt anstreben, kann er meiner Meinung nach auch eine Kraft für das Gute im Allgemeinen sein.“

Farage begründete den Ratschlag der Vizepräsidentschaft Ramaswamys für Trump, weil an der Nominierung von „The Donald“ derzeit zwar kein Zweifel bestehe und er trotz der Anklagen gegen ihn „keine Schwierigkeiten haben dürfte, bei einer Präsidentschaftswahl 42 oder 43 Prozent zu erreichen.“ Aber: „Es ist kein Geheimnis, dass er die überaus wichtige Wählerschicht der ‚Vorstadt-Moms‘ nicht anspricht.“ In diesem Bereich könnte Ramaswamy an der Seite Trumps seiner Meinung nach entscheidend sein.

Diese inhaltliche und strategische Konvergenz von Menschen aus verschiedenen westlichen Ländern deutet auf die Richtigkeit der Eingangsthese hin, nämlich der Entstehung eines neuen – oder vielleicht Wiederkehr eines verloren geglaubten – Politikertypus: Menschen, die sich im richtigen Leben bewiesen haben, bevor sie überhaupt daran denken, sich im demokratischen Prozess für eine Rolle anzubieten, in der sie über die Geschicke anderer Menschen mitbestimmen. Und die aktuell, interessanterweise, alle die Sphäre des Staates einschränken wollen. Oder, im Fall Trump, vorgeben, einschränken zu wollen. Dass er es, als es drauf ankam, nicht tat, ist das eine. Dass er schon allein dafür, dass er für diesen Wunsch stand – und gewählt wurde –, von den Möchtegerntyrannen in der Politik, den echten Tyrannen in der Bürokratie und ihren propagandistischen Helfershelfern in den Medien gnadenlos verfolgt wurde, das andere.

Auch in Deutschland ist dieser „neue alte“ Politikertypus auf dem aufsteigenden Ast und wird ebenso gnadenlos verfolgt wie Trump und Farage. Auch hier rührt diese Verfolgung ursprünglich aus der entsprechenden Ecke des polit-bürokratisch-korporatistisch-medialen Komplexes. Die Rede ist natürlich von der AfD, exemplarisch von ihren beiden Spitzenleuten Alice Weidel und Tino Chrupalla.

Weidel ist promovierte Ökonomin und hat als Vermögensanalystin für verschiedene Unternehmen gearbeitet, bevor sie sich als Unternehmensberaterin selbständig machte. Chrupalla ist Maler- und Lackierermeister mit eigenem Unternehmen. Man vergleiche diese staatsfernen Laufbahnen mit denen der gegenwärtigen Vorsitzenden oder Führungskräfte anderer Parteien, die die Politik schon mit der Muttermilch aufgesogen zu haben scheinen. Vom Durchschnitt ihrer Bundestagsabgeordneten ganz zu schweigen, wo gelernte Studienabbrecher, Pöstchenjongleure und Leute, die ihre Berufung zur Putzkraft oder zum Rausschmeißer verpasst haben, vorherrschen.

Vielleicht hassen und fürchten Politiker anderer Parteien die AfD auch deswegen, weil sie unbewusst erkennen, dass derzeit bei der neuen Partei Menschen das Sagen haben, die oft beruflich und charakterlich von einem Schlag sind, den sie selbst gerne hätten oder mal hatten. 

Zurück zur Vorwahl in den USA: Vivek Ramaswamy ist ein Ausnahmefall eines Politikers. Aber er ist kein Einzelfall mehr. Man sollte seine Hoffnung nicht in die Politik setzen, jedenfalls nicht allein. Aber die Tatsache, dass ein „alter“ Politikertypus neu auftaucht, ein Typus, der mitten im echten Leben seinen Mann steht, der Zuspruch findet, ist ein Zeichen, das Hoffnung auf eine, wie Farage es sagte, „Rückkehr zum gesunden Menschenverstand in der westlichen Welt“ macht.

Quellen:

Wikipedia-Seite (englisch) über die Vorwahlen der US-Präsidentschaftskandidatur 2024 bei den Republikanern (Hier befinden sich Umfrage-Ergebnisse und eine Übersicht unter anderem der Wahlkampflogos der Kandidaten.)

Fivethirtyeight.com: How Vivek Ramaswamy Became A Major Presidential Candidate

Ramaswamy über die Schnittmenge seines Hindusimus und des Christentums (YouTube, englisch)

Ramaswamy über seine erfolgreiche Unterlassungsklage gegen das WEF (YouTube, englisch)


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