Demokratie: Kleinparteien oder AfD oder gar nicht wählen?
So ein Schlamassel – was soll man nur wählen?
von Oliver Gorus
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Neulich, als ich in einer Diskussion begründete, warum ich nicht an Wahlen teilnehme, wurde ein Diskutant aggressiv: Was das Genörgel solle, bevor die AfD überhaupt eine Chance bekommen habe, sich zu beweisen! Aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zu wählen, sei Traumtänzerei, unrealistisch, religiös-ideologisch. Nur wer etwas tue, könne die Freiheit verteidigen. Und Nichtwähler täten ja nichts. Im Gegenteil, eine nicht abgegebene Stimme sei eine Stimme für die Ampel.
Stimmt, Nichtwähler tun nichts, sie unterlassen. Aber was unterlassen sie? Oder tun sie doch etwas? Und wer profitiert wirklich von ihrer nicht abgegebenen Stimme? Der Höhenflug der AfD in den Umfragen und die nahenden Landtagswahlen in Bayern, Hessen, Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie die Bundestagswahl 2025, die ihre Schatten vorauswirft, legen nahe, dass viele Leute sich gerade im Klaren darüber werden wollen, welche Wahl sie treffen sollen: Wählen oder nicht wählen, das ist hier die Frage. Und wenn wählen, welche Partei? AfD, CDU, Kleinparteien?
Nichtwählervielfalt
Zunächst mal gibt es zwei Sorten Nichtwähler: Diejenigen, denen es völlig egal ist, wer gewählt wird – Hauptsache, jemand herrscht, sagt, wo es langgeht, und nimmt ihnen die Verantwortung für möglichst viel ab. Und diejenigen, denen es völlig egal ist, wer gewählt wird, weil sie generell überhaupt nicht beherrscht werden wollen, niemanden brauchen, der ihnen sagt, wo es langgeht, und die an gar niemanden Verantwortung abgeben wollen. Es gibt also exakt gegengesetzte Motive, nicht zu wählen.
Ersterer Nichtwähler lässt sich treiben und trifft tatsächlich keine Wahl. Aber letzterer Nichtwähler ist eigentlich gar kein Nichtwähler, denn er wählt ja doch: Er trifft ganz bewusst die Wahl, nicht am angebotenen Demokratiespiel teilzunehmen.
Ja, es gibt natürlich auch den Nichtwähler, der am Wahltag zu besoffen ist, um zu wählen, und es gibt den Pechvogel, der auf der Fahrt zum Wahllokal vom E-Bike gefallen ist. Aber lassen Sie uns bitte mal bei den wesentlichen Gründen bleiben, um der Frage auf den Grund zu gehen.
Meine Prämisse ist: Jeder Vernünftige will, dass das Narrenschiff Utopia gestoppt wird, auf dem ein Roter und ein Gelber und ein Grüner auf die Klippen zusteuern, die individuelle Freiheit an eine panische Wahnvorstellung von eingebildeter Klimakrise verschachern und die Marktwirtschaft in eine neomarxistische Kriegs- und Kommandowirtschaft umschrumpfen.
Welche Optionen also hat ein Bürger, der die Ampel nicht will?
Was das Volk will, ist verfassungswidrig
Wenn Sie jetzt, wie so viele derzeit, vorschnell herausplatzen – „Ab jetzt nur noch blau! Nur die AfD!“ –, der möge bitte ein paar Fakten bedenken.
Erstens: In Slowenien wollte die Regierung die gleichgeschlechtliche Ehe durchsetzen, obwohl die Slowenen laut Umfragen mehrheitlich dagegen waren. Zunächst mal einigte sich das Parlament 2011 auf die weitgehende Gleichstellung und den Ausbau der Rechte von eingetragenen Lebenspartnerschaften, beispielsweise das Recht, die Kinder des Partners oder des Expartners zu adoptieren. Ein Jahr später gab es trotz der hohen Hürden eine Volksabstimmung darüber: Das Volk entschied eindeutig, dass es diese neuen Gesetze nicht haben wollte.
Wer nun glaubt, dass damit die Sache eigentlich erledigt gewesen sei, der kennt das Wesen der Demokratie noch nicht. Das Spiel ging nämlich weiter. Bereits drei Jahre später, im Jahr 2015, verabschiedete das Parlament kurzerhand die vollwertige Homoehe. Also: Die gewählten Volksvertreter entschieden brachial gegen den ausdrücklichen Volkswillen.
Noch im selben Jahr fand die nächste Volksabstimmung statt: Wieder entschieden die Bürger mit großer Deutlichkeit gegen die Homoehe, nämlich mit über 60 Prozent der Stimmen.
Aber das Parlament erließ einfach ein neues Gesetz, das die eingetragene Partnerschaft der Ehe faktisch gleichstellte und auch wieder die Adoption von Stiefkindern erlaubte. Lediglich hieß die Partnerschaft nicht „Ehe“ und die gleichgeschlechtlichen Paare konnten nicht beliebig Kinder adoptieren, sondern nur Stiefkinder. Die Politiker hatten also exakt das eingeführt, wogegen die Slowenen gleich zweimal per Referendum gestimmt hatten.
Des Volkes Stimme war nicht nur den Politikern völlig egal, sondern auch den Richtern des Verfassungsgerichts: Nach einer Klage von zwei homosexuellen Paaren entschied das Gericht, dass von nun an Ehen auch zwischen homosexuellen Paaren geschlossen werden dürfen, mit allen Rechten, inklusive freier Adoption. Denn alles andere wäre verfassungswidrig.
Mit anderen Worten: Was das Volk will, ist verfassungswidrig. Präziser kann man wirklich nicht belegen, dass das Volk in einer modernen verfassten Demokratie nicht der Souverän ist.
Wozu also an Wahlen teilnehmen, wenn der Staat durch seine handelnden Akteure letztlich ja doch macht, was er will, und sei es das glatte Gegenteil von dem, was die Bürger wollen?
Blödes Spiel
Sie glauben, das sei nur eine Ausnahme und außerdem nur in Slowenien so? Gut, dann erinnern Sie sich bitte zweitens an die letzte Landtagswahl in Thüringen. Auch hier kam etwas heraus, was den maßgeblichen Politikern nicht passte: Kemmerich von der FDP wurde vom Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt – auch mit den Stimmen der AfD. Die Wahl war demokratisch, sie war regelgerecht abgelaufen, sie war gültig. Doch die Bundespolitiker der etablierten Parteien Union, FDP, SPD; Grüne und SED hatten etwas dagegen.
Es gab keinerlei rechtliche Möglichkeit, die Wahl zu annullieren. Es wurde aber dennoch gemacht, und zwar auf Geheiß der Kanzlerin Merkel, die als Alleinherrscherin ohne Gewaltenteilung und ohne Rechtsgrundlage, also schlicht diktatorisch entschied, die Wahl müsse wiederholt werden. Fürst Lindner pfiff daraufhin Untertan Kemmerich zurück, der legte sein frisches Amt wieder nieder, es gab eine neue Abstimmung und diesmal wurde der Kandidat der SED zum Ministerpräsidenten einer Minderheitsregierung bestimmt, diesmal ohne Stimmen der AfD und die Politiker waren zufrieden.
Was die Bürger gewählt und was ihre Repräsentanten gewählt hatten: völlig egal. Der Souverän ist in einer Parteienherrschaft nicht der Bürger, sondern die Parteien. Deren Vorsitzende sind oberste Fürsten, und die bestimmen letztlich alles. Sie besetzen auch den Richterwahlausschuss und bestimmen somit, wer Richter wird. An die Schlüsselpositionen der Justiz setzen sie treue Parteimitglieder und schon läuft das Spiel in ihrem Sinne – in Exekutive, Judikative und Legislative. Das Spiel, in dem der Bürger nicht Akteur, sondern Statist ist. Oder Kulisse.
Am Ende machen sie, was sie wollen
Drittens: Haben die merkwürdigen Unregelmäßigkeiten, die bei der Wahl zum US-Präsidenten 2020 Donald Trump die Wiederwahl gekostet und das Land in Aufruhr gestürzt hatten, zu irgendwelchen Konsequenzen geführt? Wurden die Wahlgesetze geändert, die Wahlen fälschungssicherer gemacht? Wurde das plötzliche nächtliche Auftauchen von Massen von Wahlzetteln oder das plötzliche Verschwinden von Wahlzetteln geklärt und hat das zu besseren Wahlgesetzen und -verfahren geführt? Nein, es bleibt alles im Dunkeln, damit die Wahl nicht rückwirkend angefochten werden kann und damit alle Möglichkeiten zur Manipulation der Wahl weiter zur Verfügung stehen. Und 2024 bei der nächsten Wahl weiß wieder keiner, wie die Bürger der Schlüsselstaaten wirklich gewählt haben.
Viertens: Die Wahl in Berlin von 2021 war nachweislich irregulär, wie die unabhängigen Medien aufdeckten. Die drei Direktmandate der SED und damit das Überspringen der Parlamentshürden trotz des Verfehlens der Fünf-Prozent-Hürde waren nicht in einer regulär und gesetzmäßig verlaufenen Wahl erreicht worden.
Hat das irgendwelche Auswirkungen auf den Parlamentsbetrieb gehabt? Wurden dadurch Parlamentsabstimmungen ungültig? Verlor die Vizepräsidentin des Bundestags, Pau von der SED, ihr Amt? Wurde der SED der Fraktionsstatus genommen? Hat das irgendwen vom Parteienfürstenstaat überhaupt interessiert?
Der ehemalige englische Weltklassestürmer Gary Lineker hat 1990 gesagt: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten einen Ball, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“ Nach diesem Muster ist auch Demokratie ein einfaches Spiel: Millionen von Wählern geben ihre Stimme ab, und am Ende machen die Politiker, was sie wollen.
Das Argument, Nichtwähler würden nichts gegen die Freiheit unternehmen, Wähler dagegen schon, lässt sich somit entkräften: Ja, Nichtwähler unternehmen durch das Nichtwählen nichts für die Freiheit. Aber Wähler auch nicht!
Und die Geschichte bestätigt das: Seit Jahrzehnten nimmt die Freiheit in Deutschland Jahr für Jahr immer weiter ab, beispielsweise messbar an der abnehmenden Kaufkraft der Nettogehälter, und zwar egal, welche Parteien die Regierung bilden.
Köpflein wechsle dich
Aber mit der AfD werde alles anders? Schaun mer mal. In Italien hat die rechtskonservative Politikerin Giorgia Meloni die Wahl gewonnen – aber sie führt die Politik ihrer sozialistischen Vorgänger einfach fort. Der Kurswechsel, insbesondere bei der Migration, bleibt bislang aus. Vielleicht sind die Spitzenpolitiker ja alle gekauft? Vielleicht versuchen sie sich einfach nur irgendwie im Sattel zu halten, wenn das Rodeo beginnt? Vielleicht sind sie vergesslich?
In Wahrheit ist die Anreizstruktur im Politikerberuf eindeutig so gestrickt, dass ein größerer Staatsapparat mehr Machtpöstchen mit Pensiönchen für Berufspolitiker bereitstellt und mehr Macht und mehr Übergriffigkeit in die Leben der Bürger ermöglicht. Wer eine Karriere als Politiker anstrebt, will darum automatisch mehr Staat, mehr Kollektivismus. Aus Sorge um sein Einkommen und seine künftigen Jobs.
Wie eine Partei gestrickt ist, ist im Parteiengesetz exakt vorgegeben. Das Listengeschacher, die Seilschaften, der Filz, das Hochschleimen und Wegmobben, das Aussieben aller positiven und die Förderung aller negativen Charaktereigenschaften durch die inneren Parteistrukturen sind vorgezeichnet. Auch bei den neuen Parteien, beispielsweise bei den Grünen, den Piraten, den Freien Wählern, der AfD, der Basis. Parteipolitiker machen Parteiensachen – zu behaupten, bei der AfD sei das alles anders, ist nicht realistisch.
Das Auswechseln von Köpfen durch Kreuze alle vier Jahre bei Wahlen ändert daran nichts: Der Bürger gibt seine Stimme ab an einen Repräsentanten, der im Durchschnitt charakterlich und von seinen Fähigkeiten her zum Schlechtesten gehört, was das Land hergibt – dafür sorgen die Parteistrukturen und -mechanismen.
Meine Wahl
Darum habe ich meine Wahl getroffen: Ich habe gewählt, nicht mehr an dem demokratischen Wahlspiel teilzunehmen. Ich habe mit diesem politischen System, das uns bereits in der Schule als das einzig wahre und gute verkauft wird, abgeschlossen. Aus meiner Sicht ist eine Teilnahme irrelevant, es spielt keine Rolle, welche Partei man ankreuzt.
Ich habe keinerlei Zweifel, dass die AfD, sollte sie an die Macht kommen, an der Vergrößerung des Staats auf Kosten des Privaten weiterbauen wird. Denn das liegt in der Natur der Sache und an den Anreizen der Parteiendemokratie. Ich gebe Politikern, die allesamt, über alle Parteien hinweg, vom Betrügen und Rauben leben, keinen Vertrauensvorschuss mehr, auch nicht der AfD. Ich gehe keiner Partei mehr auf den Leim.
Mir ist es völlig egal, wer sich anmaßt, über mich und meine Familie zu herrschen, ich will grundsätzlich nicht beherrscht werden.
Dabei kann ich gut verstehen, wenn jemand hofft, mit den Blauen würde es anders oder wenigstens ein bisschen besser. Ich teile diese Hoffnung allerdings nicht. Die Kollektivisten werden sich durchsetzen wie überall, auch bei der AfD. Und wer genau hinschaut, für den ist das ja bereits sichtbar.
Also kleine Parteien wählen? Vielleicht die Libertären? Nun, sympathisch, das Programm ist das beste von allen, aber Programme sind in der Politik irrelevant. Kein Politiker hält sich nach den Wahlen daran, was vor den Wahlen niedergeschrieben wurde.
Sagen wir so: Kleinparteien wählen, ist nur eine elegante Form des Nichtwählens. Allerdings mit dem Nachteil, dass ich durch die Stimmabgabe die Parteienherrschaft legitimieren würde. Ich würde damit irgendwelchen Politikern eine Vollmacht erteilen, über mich zu herrschen. Und ich würde damit Politiker damit beauftragen, über andere zu herrschen. Aber das ist sehr unfreundlich.
Der Herrschaft nicht zugestimmt zu haben, kann ich nur behaupten, wenn ich bei Wahlen nicht mitgemacht habe. Und wenn ich sowieso nichts ändern kann, ob mit oder ohne Kreuzchen, dann ist dieses Gefühl, nicht eingewilligt zu haben, beherrscht zu werden, und niemanden beauftragt zu haben, über andere zu herrschen, für mich das letztlich schlagende Argument.
Aber das ist nur meine Wahl. Jeder trifft seine eigene. In einer freien Gesellschaft übrigens jeden Tag, nicht nur alle paar Jahre.
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