11. Juni 2025 06:00

Kulturkampf Was bringt mehr Freiheit?

Sechs Fragen „von rechts“ und sechs Antworten aus freiheitlicher Position

von Oliver Gorus drucken

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Bildquelle: Jacob_09 / Shutterstock Die einzige Antwort auf jedweden Kollektivismus: Mehr Freiheit!

Letzte Woche schrieb ich auf X einen Kommentar, der auf die etatistisch-kollektivistisch-sozialistische Positionierung der AfD durch die wirkmächtigsten Akteure innerhalb der Partei hinwies. Beleg dafür war eine entsprechend eindeutige Textstelle aus dem Buch „Politik von rechts“ von Max Krah.

Mir geht es hier jetzt aber gar nicht um diese Beweisführung, sondern um eine interessante Reaktion darauf. Wenn Politiker und Anhänger der AfD auf Libertäre (oder Klassisch-Liberale oder Freiheitliche) treffen, gibt es nach meiner Erfahrung zwei häufige Typen von Reaktionen.

Die erste will inkludieren beziehungsweise vereinnahmen und sagt sinngemäß: Was wollt ihr denn? Die Freiheitlichen sind doch wir. Daneben braucht es nichts. Bekennt euch endlich zu uns. Nur die AfD!

Die zweite will exkludieren beziehungsweise abgrenzen und sagt sinngemäß: Ihr seid doch auch nur Liberale. Weil alle, die nicht rechts sind, liberal sind. Liberal ist links und die Linken sind an allem schuld. Darum nur die AfD!

Das Wort „liberal“ ist anscheinend für viele Rechte eine Art Schimpfwort und negativ konnotiert. Sie verachten die Liberalen eher, als dass sie ihnen Lösungen für gesellschaftliche Probleme zutrauen. Die Liberallalla-FDP und die „Liberals“, also die Linken in den USA, haben das Wort ja auch tatsächlich nach links verschoben und entwertet. Insofern ist das nachvollziehbar, trifft aber die Freiheitlichen beziehungsweise Libertären nicht wirklich.

Einer, der so dachte, nämlich der X-Account @Chaos_Bull reagierte auf meinen Post mit Fragen. Und zwar mit sechs wirklich guten Fragen. Zwar waren sie aus seiner Sicht wohl eher als rhetorische Fragen gedacht, weil er sich der Antworten selbst schon sicher war, aber ich möchte sie hier ernst nehmen und nicht auf die Vorurteile antworten, sondern tatsächlich auf den Inhalt der Fragen. Ich übersetze daher „liberal“ mit „freiheitlich“:

Erstens: Wie kann liberal der Verfall der Gemeinschaft aufgehalten werden, der sich im Endstadiums-Individualismus in den psychologischen Erkrankungen wie Depressionen der Mehrheit der jüngeren Generationen äußert, mangels fehlenden Sinns der eigenen Existenz, Zugehörigkeit und sinnvoller Beschäftigung?

– Ich sehe die gesellschaftliche Krankheit, die auch @Chaos-Bull sieht, aber ich erkenne eine andere Ursache. Die Gesellschaft leidet nicht an zu viel Individualismus, sondern am Gegenteil: zu viel Zwang durch die Mehrheit, zu viel Gemeinwohl-Orientierung, zu viel Unterdrückung des Individuums, zu viel Autoritarismus. Die Persönlichkeit kann sich durch das staatlich gelenkte Bildungswesen, den staatlich gelenkten Meinungskorridor und im staatlich massiv eingeschränkten Wirtschaftsleben nicht mehr entfalten. Der Staat steht heute wieder über dem Einzelnen, wie es nach den beiden totalitären deutschen Staaten im 20 Jahrhundert eigentlich nie wieder hätte sein sollen.

Der Staat greift zweifellos viel zu tief ins Privatleben ein, beeinflusst ideologisch und moralisierend die Meinungen, ersetzt Funktionen der Familie durch sozialstaatlichen Paternalismus und treibt so in der Tat den Verfall der Gemeinschaft voran.

Eine freiheitliche Antioolitik, die den Bürgern weniger Politik, weniger Regierung, weniger Staat aufnötigen will, würde das Individuum befreien. Und dann würde etwas Bemerkenswertes passieren: Die Gesellschaft würde sich von selbst wieder einen und es würde sich wieder eine kulturell konservative Lebensart herausbilden: Freiheitliche Politik im Sinne von mehr Freiheit geht Hand in Hand mit konservativer Kultur: Familie, Religion, Sitten und Gebräuche, Regionalität, kulturelle Identität würden erstarken.

Zweitens: Wie wird ein dystopisches kapitalistisches System, in dem Firmen regieren und die Kontrolle über Politik übernehmen, liberal verhindert?

– Was hier mit „kapitalistisch“ bezeichnet wird, ist der nicht wirklich marktwirtschaftliche, sondern der korporatistische Teil der Wirtschaft. Regieren können Firmen nur, indem sie der Politik nahestehen, korrupte Politiker lenken und beeinflussen und bestechen, schmutzige Deals mit schmutzigen Politikern machen. Je mehr Macht Politiker in einem kollektivistischen System haben, desto anfälliger sind sie für Machenschaften in zwar legaler, aber illegitimer Verbindung mit politischen Unternehmern, die sich vor allem dadurch bereichern, dass sie das von den Politikern gedruckte inflationäre Schuldengeld mit ihren Regierungsdeals als Erste erhalten und in reale Güter eintauschen können, noch bevor das Geld in die „ehrliche“ Privatwirtschaft hinunterdiffundiert, dort aber bereits durch Inflation entwertet wurde. Der Cantillon-Effekt macht Reiche reicher, aber nur jene Reichen, die nicht „unternehmerische“ sind, sondern „politische Unternehmer“ sind, also Privilegien von korrupten Politikern erhalten.

Liberal im engeren, ursprünglichen Sinne ist das nicht. In einem freiheitlicheren Gesellschaftssystem haben, erstens, die Politiker weniger Macht und sind deshalb weniger lohnenswerte Bestechungsziele und erhalten, zweitens, Unternehmer keine Staatsaufträge. Der Staat zieht sich aus der Wirtschaft zurück und überlässt der Privatwirtschaft das Feld. Dadurch entfällt aber auch der Einfluss politischer Unternehmern, die sich dann wieder fairem Wettbewerb mit anderen Firmen stellen müssen.

Dystopisch wird es allerdings tatsächlich, wenn wir so weitermachen: mit einer durch und durch korrupten EU und einem aufgeblähten, hochverschuldeten Staatshaushalt, der Zielscheibe von Lobbyisten ist. Die freiheitliche Kur: drastische Reduktion der Staatsausgaben, Halbierung der Staatsquote.

Drittens: Wie wird liberal vermieden, dass die Mittelschicht weiter erodiert und sich zur Unterschicht entwickelt, während ein kleiner Anteil im Land immer weiter Kapital anhäuft und dementsprechend immer mächtiger wird?

– Indem die Umverteilung von unten nach oben durch einen viel zu großen Staat gestoppt wird, der weite Teile der Wirtschaft monopolisiert hat. In einer freiheitlichen Marktwirtschaft mit echtem Wettbewerb und freien Preisen in allen Wirtschaftsbereichen entsteht Wohlstand für alle. Das haben wir in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren bereits bewiesen.

Viertens: Wie kann sich ein völlig liberaler Staat gegen böswillige dritte Staaten schützen, die das Ziel der Destabilisierung, Übernahme oder Auslöschung des eigenen Staates anstreben?

– Hier wird „liberal“ mit wehrlos gleichgesetzt. Die Grenzöffnung für angereizte illegale Migration ist ein aktuelles Beispiel für Destabilisierung, ist aber keineswegs freiheitlich. In einem freiheitlichen Gesellschaftssystem gäbe es keine Transfers für Ausländer und somit auch keinerlei Anreize für Einwanderung, außer attraktive Arbeitsplätze für gut Gebildete aus kompatiblen Kulturen. Und das wäre kein Problem.

Eine unterfinanzierte und personell schlecht ausgestattete Armee ist auch ganz und gar nicht freiheitlich. Innere und äußere Sicherheit sind in einem freiheitlichen minimalstaatlichen System die Kernaufgaben des Staats (neben Rechtsetzung und Justiz), nämlich die Freiheit der eigenen Bürger (nicht irgendwelcher anderen) zu schützen und zu verteidigen. Dazu gehört auch militärische Abschreckung, die einzige erwiesenermaßen funktionierende Friedenssicherungsmethode.

Fünftens: Wie kann ein Staat ohne die Kernfamilie und eine gemeinsame Vision als Ursprung von unten heraus stabil gesellschaftlich organisiert sein und über Jahrhunderte bestehen, wenn die oberen Punkte alle nicht gedeckt sind?

– In einem freiheitlichen Gesellschaftssystem wären die Punkte alle gedeckt.

Sechstens: Wie schützt ein liberal freies Land die Schwächsten der Gesellschaft, ohne hier wohlhabende Gutmütige argumentativ einzuführen? Wie wird das strukturell gelöst?

– Der kollektivistische Staat, wie wir ihn heute haben, erfüllt diese sogenannte „soziale“ Aufgabe ja gerade nicht. Je mehr Geld er umverteilt, desto größer werden de facto die Probleme der „Schwächsten“. Echte Solidarität mit Schwächeren beruht immer auf Freiwilligkeit und kann durch Zwang nicht ersetzt werden.

Wohlfahrt muss daher privatisiert und regionalisiert werden. Nur vor Ort kann den unschuldig in Not geratenen Bürgern wirksam geholfen werden, auch deshalb, weil vor Ort sehr genau unterschieden werden kann, wer wirklich unverschuldet in Not ist und wer nur auf Kosten anderer leben will.

In einer freiheitlicheren Gesellschaft haben die Bürger wesentlich mehr Geld zur Verfügung und können daher freiwillig karitativ tätig werden. Was sie auch tun werden, quer durch alle Einkommensschichten, wenn der Staat den Bedarf nicht mit Steuergeld zukleistert. Auch Familien werden sich wieder deutlich besser selbst helfen, wenn der Staat aus der Wohlfahrt zurücktritt.

Organisatorisch sind, wenn es freiheitlich zugeht, neben den Familien die Kirchen, Gemeinden, Vereine, Stiftungen, spezialisierte gewinnorientierte Firmen, Nachbarn und Privatleute die Träger der Hilfe.

Vielleicht hätten Sie besser geantwortet als ich. Klar ist jedenfalls, dass diese Fragen genau die sind, die Libertäre heute beantworten können müssen, denn die dahinterstehende Kritik am Staat, der einem großen Teil des Volks heute zu „liberal“ im Sinne von linkskollektivistisch ist, und die Befürchtungen, die sich daraus ergeben, sind berechtigt.

Nur ist die zielführende Antwort auf linksautoritären Kollektivismus eben nicht rechtsautoritärer Kollektivismus, sondern: mehr Freiheit! Oder anders gesagt: Bei zu viel Mutti hilft nicht mehr Papi, sondern erwachsen werden.


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