17. August 2023 08:00

Soziale Unterstützung Vernichtet der freie Markt die Solidarität …

… oder sorgt er nicht eher für eine gute Balance zwischen Eigennutz und Gemeinsinn?

von Olivier Kessler

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Bildquelle: Prazis Images / Shutterstock Freier Markt: Förderer von Egoismus und Gier?

Ob jemand mehr oder weniger egoistisch, empathisch oder solidarisch ist, hängt von den individuellen menschlichen Charaktereigenschaften ab. Es steht und fällt mit der Persönlichkeit des Betroffenen und hat letztlich nichts mit dem Wirtschaftssystem zu tun, in dem dieser lebt. Die freie Marktwirtschaft hat im Gegensatz zu staatssozialistischen Systemen hingegen bewiesen, dass sie dazu in der Lage ist, den vorhandenen Egoismus in einen Nutzen für alle umzumünzen.

Auch wenn dem freien Markt oft die Schuld für rücksichtslosen Egoismus in einer Gesellschaft in die Schuhe geschoben wird, ist das Gegenteil der Fall. Der Marktwirtschaft wohnt ein allgemeinwohl-fördernder Mechanismus inne, der selbst egoistische und durch Gier getriebene Menschen dazu bringt, der Gesellschaft Gutes zu tun. Wer einen möglichst großen Nutzen in Form eines hohen Einkommens oder Vermögens für sich selbst herausziehen möchte, muss anderen einen möglichst großen Nutzen stiften. Etwa dadurch, indem man anderen Produkte oder Dienstleistungen anbietet, die diese als nützlich betrachten und deshalb freiwillig nachfragen. Nur wer seinen Nächsten am besten dient, kann in einer freien Marktwirtschaft prosperieren und reich werden.

Der Liberalismus mit seinem kapitalistischen Wirtschaftssystem zeichnet sich durch den Schutz des Privateigentums und die Steuerung des Wirtschaftslebens durch Märkte aus. Dies impliziert, dass jeder mit seinen Eigentumstiteln das machen darf, was er für gut befindet, solange er damit nicht das Eigentum anderer Menschen verletzt. In anderen Worten: Es herrscht Wahl- und Vertragsfreiheit unter der Bedingung der Eigenverantwortung und der Einhaltung des Rechts. Restlos alle Menschen profitieren dadurch vom Schutz des Rechtsstaats, vor dem im echten Liberalismus alle gleichbehandelt werden. Was konkret an dieser Ordnung zu mehr Egoismus führen soll, ist nicht ersichtlich.

Ganz anders sieht dies in staatsinterventionistischen Systemen aus, in denen es keine engen Grenzen der staatlichen Macht gibt. Diese bieten gewissenlosen Menschen die Möglichkeit, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Für mächtige Interessengruppen ist es dann ein Leichtes, für sich Sonderprivilegien herauszuholen: Etwa in Form von Subventionen für einzelne Branchen, NGOs oder Unternehmen, die von der restlichen Bevölkerung bezahlt werden müssen. Oder in Form von marktbehindernder oder -verdrängender Regulierung, welche die Konkurrenz mit den weniger guten Beziehungen zur Politik daran hindert, in einen fairen Wettbewerb zu treten. Für die Konsumenten bedeuten solche Regulierungen eine Reduktion der Wahlfreiheit und tendenziell höhere Produktpreise.

Sobald es salonfähig geworden ist, dass jede Interessensgruppe für gesetzliche Sonderprivilegien zugunsten der eigenen Klientel kämpft, verkümmert das Bewusstsein für die wenigen notwendigen allgemeinverbindlichen Regeln, die es für friedliche und faire Austauschbeziehungen braucht. Anstelle der Ordnungspolitik treten dann rücksichtslose und raffgierige Gruppenegoismen: Immer schamloser bedient man sich mithilfe des staatlichen Gewaltmonopols am Portemonnaie anderer Bürger und Gruppen.

Dem freien Markt wird unterstellt, er höhle die Solidarität mit den Armen aus. Doch hier wird mit unehrlichen Karten gespielt. Echte Solidarität und aufgezwungene Umverteilung sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe. Der Begriff „Solidarität“ ist seit einiger Zeit zu einem mächtigen und besonders effektiven Euphemismus im Wettbewerb der Ideen herangereift. Dabei wird seine Bedeutung bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Heute werden damit in erster Linie die Unterstützung und Hilfe an Bedürftige, zwischenmenschliche Wärme und Barmherzigkeit in Verbindung gebracht – also positiv assoziierte Werte, die im Leben der meisten Menschen eine zentrale Rolle spielen. Der Begriff der Solidarität beschreibt genau genommen das unbedingte Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen und Ziele. Dies impliziert, dass die gewährte Unterstützung oder das Eintreten für jemanden aus freien Stücken zu erfolgen hat – und nicht aufgrund eines von oben aufoktroyierten Befehls, was im Widerspruch zu individuellen Eigentumsrechten und dem Willen des Einzelnen stehen kann. Wird Solidarität gegenüber in Not geratenen Menschen gar als moralische Pflicht angesehen, ist Freiwilligkeit eine Bedingung ihres ethischen oder tugendhaften Charakters: Was gesetzlich erzwungen ist, kann keinen moralischen Wert haben.

Trotzdem wird der Solidaritätsbegriff heute in klar demagogischer Absicht dazu verwendet, Zwangsumverteilung durch den Staat zu rechtfertigen. Werden etwa Alternativen zum aufgeblähten Wohlfahrtsstaat aufgrund seiner moralischen Defizite sowie finanzieller Fehlanreize und Ineffizienzen gefordert, appellieren die Befürworter staatlicher Umverteilung gebetsmühlenartig an die „Solidarität“, um solche Vorhaben zu unterbinden. Mit allen Mitteln abgelenkt wird von der Tatsache, dass Liberale mit ihren Reformen der echten Solidarität zum Durchbruch verhelfen wollen – also jener freiwillig gewährten Unterstützung, durch welche die Betroffenen echte zwischenmenschliche Wärme erfahren und die anstelle der Kälte der unpersönlichen, bürokratischen und vor allem auch ineffizienten Wohlfahrtsstaats-Automatismen treten soll. Die Wohlstandsverluste, die dadurch entstehen und gerade auch den tiefen Einkommen schaden, werden ebenfalls ausgeblendet.

Zwischenmenschliche Solidarität ist in einer freien Gesellschaft unbestritten ein wichtiger Wert, damit Menschen in Notlagen Unterstützung erfahren und nicht durch alle Maschen fallen. Die Bedeutung der Solidarität soll hier also keineswegs infrage gestellt werden. Solidarisch können Menschen allerdings nur dann sein, wenn ihnen selbst überschüssige Ressourcen über das Existenzminimum hinaus zur Verfügung stehen. Wohlstand ist daher eine zwingende Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der Solidarität eine gewichtige Rolle spielen soll. Nur der freie Markt hat bislang gezeigt, dass er großen Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten schaffen kann: Der Index wirtschaftlicher Freiheit etwa zeigt, dass die Einkommen (auch der Ärmsten) umso höher ausfallen, je höher der Grad wirtschaftlicher Freiheit in einem Land ist. Nur ein freier Markt schafft die Bedingungen, um erstens der Bedürftigkeit von Hilfe zu entkommen und zweitens überhaupt solidarisch sein zu können.

Anhänger der staatlich aufgezwungenen „Solidarität“ behaupten, dass es in einem freien System ohne aufgeblähten Wohlfahrtsstaat keine Garantie gäbe, dass Menschen in Not Hilfe zukomme. Dieses Argument kann nicht grundsätzlich bestritten werden – nur impliziert es fälschlicherweise, dass diese Garantie in einem Wohlfahrtsstaat gegeben sei. Dieser unterhöhlt nämlich die Grundlagen seiner eigenen Finanzierung – die produktive Wirtschaft –, indem er Anreize setzt, die diese erlahmen lassen. Irgendwann kommt unweigerlich der Moment, an dem die Mittel nicht mehr dynamisch genug erwirtschaftet werden, um die Ansprüche der Sozialleistungsempfänger befriedigen zu können. Der Wohlfahrtsstaat verstrickt sich in einem Netz der Überbesteuerung und Überschuldung und lässt am Ende ein Heer von unvorbereiteten Verzweifelten und Schutzlosen zurück.


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