Bedeutung des Zinses – Teil I:: Menschliches Handeln: komplex und nicht modellierbar
„Zentralzins“ als ein System der Fehlanreize und -steuerung!
von Benjamin Mudlack
Immer wieder werden Diskussionen und Kritikpunkte am Zins laut. Jedoch greift die Kritik oftmals zu kurz und die Analysen nicht weit genug, wodurch es der Gesamtthematik an Tiefe fehlt. Diese und nächste Woche widmen wir uns daher der Zinsfrage. Heute geht es um den naturgegebenen Zins und die Zinsmanipulation durch das Geldsystem und die Zentralbanken.
Zins als Preis des Geldes
Der Zins ist der Preis des Geldes und dient zudem im Wesentlichen der Koordination und der Verteilung von Geldmitteln. Es handelt sich beim Zins, laut Roland Baader, um das wichtigste Preissignal einer Marktwirtschaft. Dem würde ich mich anschließen, denn der Zins zeigt an, welche Investitionen rentabel sind, welche nicht und wo durch einen hohen Zins enorme Ausfallrisiken zu vermuten sind. Der Verschwendung von Ressourcen und der Fehlsteuerung von Arbeit und Kapital könnten durch diese Marktmechanismen Einhalt geboten werden.
Zins und Zeitpräferenz als naturgegebene Elemente
Geld dient der Güterverteilung (Güterkoordination), und der Zins wiederum ist als Preis des Geldes elementar für die Geldverteilung und -koordination. Überdies ist der Zins als ein natürliches und zugleich sehr menschliches Element einzustufen. Jeder Mensch verfügt über einen natürlichen Zins. Wir Menschen ziehen den heutigen Konsum einem späteren Konsum vor. Ökonomen sprechen von der Zeitpräferenz, die je nach Lebensphase variiert. Auch die elterliche Prägung und Erziehung haben einen gewissen Einfluss.
Im Alter sind die Menschen tendenziell eher auf den Gegenwartskonsum ausgerichtet. Die Sparneigung geht zurück und die Zeitpräferenz ist in der Tendenz höher als bei jüngeren Menschen. Einfach gesprochen, könnte man sagen, dass sich umso weniger zukünftige Lebenszeit ergibt, je älter man ist, weshalb sich der Fokus auf den Gegenwartskonsum verlagert. Sie genießen das Leben, den Moment und beschäftigen sich intensiver mit dem Ableben, als dies bei jüngeren Menschen der Fall ist.
Junge Menschen planen in der Regel deutlich langfristiger, sparen auf ein Eigenheim oder den Ruhestand. Bekommen die jungen Menschen ein Kind, nimmt die Zeitpräferenz rapide ab. Der Grund ist recht einfach und einleuchtend. Plötzlich plant man über seinen eigenen Tod hinaus und schmiedet Pläne für das Kind und für die Ausbildung des Nachwuchses. Die Sparneigung nimmt zu und das Konsumverhalten ändert sich radikal.
Zusammengefasst steht der Zins für den Wertabschlag, den ein künftig erst verfügbares Gut gegenüber einem jetzt schon verfügbaren Gut erleidet. Wenn der Zins manipuliert wird, dann erleiden die Güter eine Umwertung (der Preis variiert dann beträchtlich) und gesamte volkswirtschaftliche Produktionsstrukturen sind durch die auf dieser Basis gestörte Preissignalfunktion beeinträchtigt.
Der subjektive Charakter der Zeitpräferenz
Jeder Mensch hat, wie schon angeklungen, einen anderen natürlichen Zins beziehungsweise verfügt über eine andere Zeitpräferenz. Not und Armut prägen die Menschen. „Spare in der Zeit, dann hat du in der Not“, ist ein weitverbreiteter Satz. Folglich haben die Kriegs- sowie Nachkriegsgenerationen und deren Kinder logisch nachvollziehbar eine andere Zeitpräferenzrate als die danach in Wohlstand aufgewachsenen Kinder. Überhaupt wird die Subjektivität der Zeitpräferenz an dieser Stelle ganz klar erkennbar. Aus dieser Vielschichtigkeit ergibt sich auch die Diskrepanz zur heutigen Realität, in der ein zentralistisch-technokratisches Institut (EZB beziehungsweise Zentralbank) einen Leitzins auf Basis mathematischer Modelle festlegt. Doch allein aus dem Umstand, dass menschliches Handeln derart vielfältig und von so vielen Variablen abhängig ist, wird deutlich, dass diese Modelle zum Scheitern verurteilt sind.
Zinsmanipulation durch Zentralbanken und durch übermäßige Geldproduktion
Der natürliche Zins, der sich am Markt einstellen würde, entspräche in etwa der sich dynamisch verändernden Zeitpräferenzrate der Menschen. Der Marktzins würde sich in einer tatsächlich freien Marktwirtschaft durch Geldangebot und -nachfrage „markträumend“ bilden.
Durch die nahezu aus dem Nichts stattfindende Geldschöpfung durch die Zentral- und Geschäftsbanken wird das Geldangebot künstlich ausgedehnt. Durch dieses Überangebot an Geld sinkt der Zins unter die bereits thematisierte Zeitpräferenzrate der Menschen. Überdies beeinflussen auch die Zentralbanken die Zinsen, indem sie per Zinsdiktat die Zinsen senken oder anheben. Ein niedriger Zins setzt den Anreiz zur Kreditaufnahme – ein klarer Fehlanreiz!
Ist der Zins zu niedrig, neigen die Menschen zu einem Überkonsum und geraten schnell in die Überschuldungsfalle. Zudem neigt eine Konsumgesellschaft zu kurzen Produktlebenszyklen. Fernseher und andere Geräte werden durch die niedrigen Kapitalkosten zügiger ersetzt, wodurch es zur Verschwendung von Ressourcen kommt. Unternehmen geraten ebenfalls in eine Situation der höheren Schuldenquote. Der Fremdkapitalzins erhöht den Kostendruck, weshalb an der Güterqualität gespart wird. Dies geschieht zum Beispiel, indem minderwertige Vorprodukte verbaut werden. Die Qualität sinkt und verschiedene Güter müssen dadurch früher ersetzt werden. Auch dieser Punkt schadet der Umwelt und führt zur Verschwendung von wertvollen Rohstoffen und Ressourcen.
Zu niedrige Zinsen führen zudem zur Alimentierung verschuldeter Unternehmen. Die Kreditkosten sind niedriger, als sie es bei einem wirklichen Marktzins wären. Die niedrigen Zinsen wirken wie ein Subventionsprogramm. Die Kehrseite der Medaille ist, dass deutlich weniger Unternehmen der Schumperterschen kreativen Zerstörung zum Opfer fallen. Kapital, Talent, Arbeitskräfte und Ressourcen werden in unproduktiven und nicht effizienten Unternehmen gebunden. In anderen effizienteren Verwendungen (Unternehmen) würden die genannten Ressourcen gesamtwirtschaftlich zu Produktivitätsfortschritten führen und den Wohlstand mehren.
Die „faulen Kredite“ dieser Unternehmen sammeln sich in den Bankenbilanzen und erhöhen die Gefahr einer Bankenkrise. Die Wirtschaft zombifiziert sich. Dieser Umstand lässt sich auch empirisch belegen, denn die Zahl der Unternehmensinsolvenzen weist eine positive Korrelation zum Absinken der Zinsen auf.
Durch niedrige Zinsen und Gelddrucken werden substanzarme Boomphasen ohne nennenswerte Produktivitätsfortschritte in Gang gesetzt. Durch die jüngst erlebten Zinsanhebungen kommt es, unter anderem durch die plötzlich gestiegenen Kapitalkosten, zum Bust und zur Krise. Die Illusion von der Steuerungsmöglichkeit durch Geldpolitik gleicht eher einer Politik zugunsten der Finanzoligarchie. In dem Beitrag „Krise auf Zinsknopfdruck“ hatte ich diese Angelegenheit thematisiert.
Nächste Woche widmen wir uns den zentralen Argumenten der Zinskritiker, dem schwindenden volkwirtschaftlichen Kapitalstock und den „falschen“ Risikosignalen.
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