Expats-Umfrage: Ein Lächeln für den „Standort Deutschland“
Für Auswanderer ist die Bundesrepublik ein schwieriges Pflaster
Besonders seit 2015 ist hierzulande ja viel von „Willkommenskultur“ die Rede. Doch dass zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung der Deutschen oft eine breite Lücke klafft, zeigt die diesjährige Umfrage der Auswanderer-Plattform „InterNations“. An der Umfrage beteiligten sich 12.000 Expats, die in 172 Ländern verstreut leben. Der Index berücksichtigt nur Länder, in denen sich mindestens 50 Auswanderer beteiligt haben. Die stärksten Rückmeldungen kamen mit rund 1.000 Antworten aus Deutschland, welches auch das Land ist, in dem die meisten der von InterNations befragten Expats leben. Insgesamt 53 Länder wurden berücksichtigt. Und die Ergebnisse haben es in sich. „Expats in Deutschland zählen zu den unglücklichsten und einsamsten weltweit“, fassten die Macher der Studie ihr Kapitel über Deutschland in ihrer Überschrift zusammen.
Tatsächlich liegt Deutschland in der Kategorie „essenzielle Grundbedürfnisse“ auf dem 53. und damit letzten und in der Kategorie „Eingewöhnung an das Leben im Land“ auf dem 50. und damit viertletzten Platz. Besonders die abgefragten Unterkategorien lassen tief blicken. In der Rubrik „schnelles und stabiles Internet“ belegt Deutschland den vorletzten Rang. Vor der Bundesrepublik finden sich Staaten wie Costa Rica, Kenia, Indonesien und Vietnam.
Doch auch im Umgang mit Einheimischen tun sich Ausländer hier offenbar schwerer als anderswo. 50 Prozent der Befragten gaben an, dass es schwierig sei, in Deutschland zu leben, ohne die Sprache zu sprechen. Der weltweite Durchschnitt der Erhebung beträgt 32 Prozent. Das liegt sicher auch an einer sehr – sagen wir es mal vorsichtig – selbstbewussten Einstellung vieler Deutscher zu einer Sprache, die sie oft irrigerweise glauben zu beherrschen, unterstützt sicher auch durch einen Staat, der selbst Ausländer, die fließend Englisch sprechen, mit Deutschzwang behelligt und davon gar die Erlaubnis abhängig macht, sich im Land aufhalten zu dürfen. Daraus erwächst im Übrigen sicher keine Liebe zur deutschen Sprache.
Die Denkweise „Wer hierherkommt und hier leben will, soll gefälligst Deutsch lernen“, ist leider immer noch sehr weitverbreitet. Ich selbst habe im Ausland nie einen vergleichbaren Druck auf meine Frau oder mich erlebt, die Landessprache zu lernen. Wie stellen sich die Leute das auch überhaupt vor? Viele Auswanderer sind drei Jahre hier und dann fünf Jahre dort. Ich habe während meiner Zeit im Ausland andere Expats getroffen, die mit Mitte 30 bereits in mehr Ländern gelebt haben, als ich jemals bereist habe. Ihren Arbeitsplatz nehmen viele von ihnen mit. Alle sprechen Englisch. Warum also Deutsch lernen? Eine Sprache, die sehr schwierig zu erlernen ist und von immer weniger Menschen auf der Welt gesprochen wird. Und für die alltägliche Kommunikation kommt man in der Regel mit etwas gutem Willen, einem Smartphone und einer Übersetzungs-App prima zurecht. Die drei am meisten vertretenen Nationalitäten unter den an der InterNations-Umfrage teilnehmenden Expats sind in Deutschland übrigens US-Amerikaner, Briten und Inder, die oft nicht über ausreichend Tagesfreizeit verfügen, um einen Sprachkurs zu belegen.
Doch Sprache scheint in der Wahrnehmung der meisten Expats nur ein Symptom eines größeren Problems zu sein. 30 Prozent gaben nämlich an, die Menschen in Deutschland begegneten Ausländern wenig freundlich (weltweiter Durchschnitt 18 Prozent). 55 Prozent finden es schwierig, Freundschaften mit Einheimischen zu knüpfen (weltweit: 36 Prozent). Bei diesen Werten handelt es sich übrigens keineswegs um statistische Ausreißer. Seit Beginn der jährlichen InterNations-Umfrage 2014 liegt Deutschland konstant auf den hinteren zehn Plätzen.
Die beste Willkommenskultur haben demnach Mexiko, Brasilien und die Philippinen. Die Griechen sind mit Platz zehn die freundlichsten Europäer. Die größte Offenheit in Sachen Sprache herrscht der Befragung zufolge in Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Oman. Das erste nicht englischsprachige europäische Land ist hier Luxemburg auf Platz zwölf.
Früher hätte ich solche Klagen von Auswanderern mit einem Schulterzucken abgetan. Dann sollen sie eben woanders hingehen, hätte ich in meiner Ignoranz gedacht. Doch durch meine amerikanische Frau bekomme ich vieles nun aus einem ganz anderen Blickwinkel mit – auch die Schikanen, denen Expats oft bei den Ausländerbehörden ausgesetzt sind. Die lockere Asylpolitik der Bundesregierung hat viele Menschen fälschlicherweise glauben lassen, Deutschland habe sehr liberale Aufenthalts- und Einwanderungsregeln.
Doch während der Einzelne keinen Einfluss auf das Gebaren von Behörden hat, kann doch jeder im Alltag etwas tun, um Expats willkommen zu heißen. Nur ein Beispiel aus dem Ausland: In Albanien musste ich mehrmals die Woche für meine Frau und mich Wasser in Sieben- oder Zehn-Liter-Flaschen kaufen, weil das Leitungswasser in der Hauptstadt Tirana nicht trinkbar ist. Da wir kein Auto hatten, habe ich diese dann regelmäßig den kleinen Hügel zu unserem Haus hochgeschleppt. Immer wieder haben Autos angehalten und mir angeboten, einzusteigen, Menschen, die kein Wort Englisch gesprochen haben. Einmal hat mir sogar ein Albaner beim Tragen geholfen. In Deutschland völlig undenkbar.
Sicher ist dies ein Beispiel aus einem Land mit einer völlig anderen Mentalität. Doch schon kleine Dinge können einen Unterschied machen. Etwa nicht gleich ärgerlich zu reagieren, wenn aufgrund von Sprachbarrieren die Kommunikation schwierig wird. Auch sollte man nicht vergessen, dass der Raum für Missverständnisse umso größer ist, je größer die Sprachbarriere ist. Und abgesehen davon darf sich jeder auch gerne mal etwas Mühe geben. Meine Mutter ist Rentnerin und kommuniziert mit meiner Frau nur in ihrem Schulenglisch aus der Realschule. Wenn dies eine Rentnerin kann, deren Englischunterricht über ein halbes Jahrhundert zurückliegt, darf man doch von einem 30-Jährigen zumindest Grundkenntnisse erwarten. Mit Ausnahme von Albanien haben die Menschen bisher in jedem Land, in dem ich gelebt habe, besser Englisch gesprochen als hierzulande.
International gibt es einen Wettbewerb um Expats. Die verdienen nämlich in der Regel gut und lassen ordentlich Geld an dem Ort, an dem sie leben. Wer den „Standort Deutschland“ für Ausländer attraktiver machen möchte, braucht nicht auf die Politik zu schielen. Manchmal genügen dafür schon ein Lächeln und etwas Freundlichkeit.
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