„Grüne“ Politik: Gute Menschen, böse Menschen
Unterschiede im Umweltschutz zwischen China und dem Westen
von Stephan Unruh
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Nein keine Sorge, ich will sie nicht mit dem 100. Artikel zum „Klimahoax“ langweilen oder mit dem 1.000.000. Artikel darüber, dass unsere Erde brennt und wir alle binnen zwölf Jahren sterben müssen – wenn nicht sofort die Steuern erhöht werden. Vielmehr will ich zum Kernunterschied in Sachen Umweltschutz zwischen Ost und West vordringen.
Zunächst einmal ist es zweifelsohne so, dass der Westen einen deutlichen Vorsprung hat. Völlig undenkbar, dass die kleine Anne-Sophie vor den Augen ihrer Großeltern die Eisverpackung in die Landschaft feuerte und dafür allenfalls einen sanften Tadel, wenn überhaupt irgendeine Reaktion erhielte. Stattdessen bekäme die junge Dame eine Standpauke, die sich gewaschen hätte, und selbstredend müsste sie danach den Müll aufheben und in die dafür vorgesehene Tonne befördern. Der kleine TongTong hingegen kommt mit so einem Verhalten (meist) problemlos durch. Auch sind die meisten Seen und Flüsse in China nach wie vor schwer belastet. Dass den Fischen die Seen zu sauber sein könnten, ist hier so unvorstellbar, dass diese kuriose Anekdote vom Starnberger See entweder völligen Unglauben oder lang anhaltendes Gelächter hervorruft.
Auch muss die Luftverschmutzung hier nicht künstlich nach oben gerechnet werden, indem man beispielsweise die Messgeräte mittig in der 3. Pekinger Ringstraße installiert, und das auf idealer „Abgashöhe“ – nein, Luftverschmutzung ist hier ein so ernstes Thema, dass es sich längst in klar berechenbare volkswirtschaftliche Schäden niederschlägt, beispielsweise in Form deutlich erhöhter Atemwegserkrankungen vor allem bei der jungen Bevölkerung. Diese wiederum belasten die Gesundheitsversorgung und das Einkommen der davon betroffenen Familien.
Insbesondere im Nordosten, dem Zentrum der chinesischen Schwerindustrie, aber auch in Peking oder hier in der Greater Bay Area ist die Umweltbelastung ein ernstes Thema – und auch eines, das ernst genommen wird. Winnie Pooh (aka Xi Jinping) hat „Klimaneutralität“ bis zum Jahr 2060 versprochen, und ab 2035 sollen die Schadstoffausstöße der chinesischen Wirtschaft absinken. Klar – bis dahin fließt noch viel Wasser den Yangtze hinunter, und auch wenn man die notorische Langlebigkeit chinesischer Führer miteinbezieht, ist es doch recht unwahrscheinlich, dass der heute 70-Jährige im Jahr 2060 noch das Staatsruder in der Hand halten wird. Ob die Zielvorgabe also tatsächlich eingehalten wird, ist eher ein Problem eines seiner Nachfolger. Und dennoch spürt man deutlich einen Wandel.
Als ich beispielsweise in Peking studierte, da roch die komplette Innenstadt (also innerhalb der 2. Ringstraße), insbesondere in den Wintermonaten, nach „Barbecue“ – denn es wurde mit Kohleöfen nicht nur gekocht, sondern damit auch die Wohnungen geheizt. Die dreirädrigen Lastenfahrräder, auf deren Ladefläche sich feinsäuberlich die rund gepressten Kohlebriketts stapelten, waren damals ein alltäglicher Anblick in der chinesischen Hauptstadt. Heute sind sie aus dem Stadtbild der Pekinger Innenstadt ebenso verschwunden wie die Schrott- oder Styroporsammler.
Auch hier in Guangzhou hat sich vieles verändert: Als ich vor rund zehn Jahren hier ankam, sah man nachts keinen einzigen Stern. Das war nicht zuletzt den nächtlichen Aktivitäten der Leder- und Textilindustrie zu verdanken, die über die Stadt zumeist einen gewaltigen Dunstschleier legten. Dieser ist nun weitgehend verschwunden, was natürlich nicht nur an den staatlichen Regulierungen liegt, sondern banalerweise auch daran, dass besagte Industrien nach Vietnam und Myanmar weitergezogen sind, da dort die Löhne niedriger und die Regulierungen laxer sind – aber eben nicht nur.
Dass Umweltschutz inzwischen weit oben auf der chinesischen Agenda steht, hat nicht nur mit den bereits erwähnten volkswirtschaftlichen Konsequenzen der Umweltverschmutzung zu tun, sondern vor allem damit, dass sich die Chinesen Umweltschutz mehr und mehr leisten können. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt inzwischen bei etwa 12.500 US-Dollar. Der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Umweltschutz ist eindeutig und seit langer Zeit belegt: Ab einem durchschnittlichen Einkommen von etwa 10.000 US-Dollar setzt bei breiten Bevölkerungsschichten ein Umweltbewusstsein ein.
Auch geht in China die Entwicklung deutlich schneller vonstatten als im Westen. In den USA dauerte es beispielsweise rund 150 Jahre ab dem Zeitpunkt der einsetzenden Industrialisierung, bis der erste Nationalpark eingerichtet wurde – in China nur knapp 30 Jahre (wenn man die Zeit des „Großen Sprungs nach vorn“ als Zeitpunkt der flächendeckend einsetzenden Industrialisierung in China ansetzen mag). Und war noch vor 20 Jahren die Versteppung weiter Teile des Landes eine echte Gefahr gewesen, so ist China heute führend in Sachen Wiederaufforstung.
Für mich am auffälligsten ist aber, dass die Chinesen nicht
selektiv vorgehen –
beispielsweise böse Abholzung im Kohlebergbau, gute Abholzung für Windräder –, sondern stets mit Augenmaß das
Gesamtbild vor Augen haben.
Wichtige Infrastrukturprojekte beispielsweise würden sicherlich nicht wegen
einer Fledermaus monatelang auf Eis gelegt oder gar komplett ausgebremst
werden. Der Mensch steht stets im
Vordergrund – Umweltschutz
ja, aber nicht auf Kosten beziehungsweise zulasten des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes, sondern im
Gegenteil: Idealerweise lässt sich selbiger durch den
Umweltschutz erhöhen.
Damit sind wir dann auch schon bei dem wohl zentralen Unterschied. In meiner
Wahrnehmung geht Umweltschutz im Westen und vor allem in der BRD, wo er darüber
hinaus inzwischen fast ausschließlich auf den absurden „Klimaschutz“ verengt
wird, mit einer extremen Menschenfeindlichkeit einher: Weil wir Menschen so
gierig, so unverantwortlich, so rücksichtslos, mit einem Wort so böse sind,
stirbt unser Planet. Wir sind das Krebsgeschwür des Planeten. Deshalb muss man
eben auch rücksichtslos gegen die bösen Menschen vorgehen und ihr Wirken, das den Planeten tötet, staatlich
so stark wie möglich
beschneiden und kontrollieren.
Anders in China. Hier nimmt man den Umweltschutz als Erfolg gemeinsamer Anstrengungen wahr. Mit großem Stolz wird dem interessierten Zuhörer erzählt, was man alles geschafft und wie man für Umwelt und Menschheit Win-win-Situationen generiert habe. Wie die Wasserqualität verbessert werde, was man zum Schutz bedrohter Arten unternehme, wie es chinesischen Wissenschaftlern gelungen sei, Wüstensand in fruchtbares Ackerland zu verwandeln, wie die große Grüne Mauer der Versteppung Einhalt gebiete, wie entlang von Bahnlinien Grünstreifen etabliert würden, die zeitgleich als Versandungsschutz dienten, wie die Stahlindustrie von klassischen Kohlehochöfen auf elektrische Lichtbogenöfen umstelle und, und, und …
Intuitiv wird in China verstanden, dass echter Umweltschutz nur dann funktioniert, wenn er für die Menschen, die ja in und mit der Umwelt leben (müssen), betrieben wird. Der (politische) Umweltschutz des Westens hingegen richtet sich in seinem Wesen mehr und mehr gegen den Menschen selbst. Mittel- bis langfristig bedeutet dies für die Umwelt im Westen nichts Gutes.
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