Totalitarismus in Aktion: Tod eines unzureichend woken Kursteilnehmers: Richard Bilkszto
Einem rational argumentierenden, „progressiven“ Schulrektor wurde sein „Weißsein“ zum Verhängnis
von Robert Grözinger
Vor gut einem Jahr schrieb ich auf der Webseite von eigentümlich frei einen Artikel darüber, woran wir erkennen werden, dass der aktuelle Wahnsinn seinen finalen Endpunkt erreicht hat. Ich komme jetzt auf ihn zurück, weil sich vor kurzem ein tragischer Vorfall ereignete, der zeigt, dass „wir“, das heißt „der Westen“, wieder einen Schritt weiter auf dem Pfad in Richtung dieses Endpunktes vorangekommen ist. Er fand in Kanada statt – kein Wunder: Im Reich des überwoksten aller woken Regierungschefs, Justin Trudeau.
Das Merkmal, worauf wir achten müssen, meinte ich damals, sei das Aufkommen einer „institutionellen, öffentlichen, rituellen, bespaßenden Demütigung faktisch bereits zum Tode verurteilter Andersdenkender und -gläubiger.“ Ich schrieb dies, nachdem ich einen längeren Artikel über die Zustände im alten Rom unter Kaiser Nero gelesen hatte. Dessen Christenverfolgung und andere Exzesse unter ihm „brutal“ zu nennen, wäre geschmeichelt. „Bestialisch-sadistisch“ trifft es schon eher. Der Imperator, der sich für einen Gott hielt und entsprechend verehrt werden wollte, wurde daraufhin in der Offenbarung des Johannes angemessen als „das Tier“ gewürdigt und verewigt.
Was ist nun aktuell passiert? Es geht um den Fall eines 60-jährigen Schulrektors namens Richard Bilkszto, der als passionierter Lehrer auch nach seiner Pensionierung weiter im Schulbetrieb arbeiten wollte und sich als Aushilfsrektor anbot. Er hatte einen ausgezeichneten Ruf, auch bei seinen Schülern war er sehr beliebt. So bekam er in seinem Schulbezirk Toronto ziemlich schnell die angestrebte Aushilfsstelle. In seiner Zeit dort sollte er an einem vom Schulamt organisierten Fortbildungskurs teilnehmen, und zwar an einem über „Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion“. Kein Problem, dachte sich Bilkszto, der für seine progressiven Einstellungen ebenso bekannt war wie für sein Schwulsein – diese Eigenschaften bereiteten ihm schon lange keine Schwierigkeiten mehr, eher im Gegenteil, schließlich war er in Kanada. Zwei weitere Eigenschaften wurden ihm jetzt jedoch zum Verhängnis: Seine in Jahrzehnten trainierte Fähigkeit zum kritischen Denken und seine weiße Hautfarbe.
Am zweiten Tag des Kurses nahm das Unheil seinen Lauf. Die Fortbildungsleiterin sagte den etwa 200 Teilnehmern über Zoom – die Veranstaltung fand während der Corona-Lockdowns statt –, Kanada sei „eine Bastion der Ideologie weißer Überlegenheit und des Kolonialismus“. Der in Kanada erlebte Rassismus sei „schlimmer als in den USA.“ Bilkszto, dessen Schule, wo er Aushilfsrektor war, sich auf junge Menschen über 20 spezialisierte, die zuvor am Schulsystem gescheitert waren, und der einen Teil seiner eigenen Ausbildungszeit in den USA verbracht hatte, meldete sich und beschrieb kurz das kanadische staatliche Schulsystem, das Steuersystem und das staatliche Gesundheitssystem und schloss mit den Worten: „Wir haben eine viel gerechtere Gesellschaft.“
Rupa Subramanya, die Anfang August 2023 einen von mir als Quelle verwendeten Artikel über diesen Vorfall schrieb – siehe Link unten – und sich dafür die Mitschnitte des Fortbildungskurses angehört hatte, beschreibt auf der „The Free Press“-Webseite, was dann geschah: Kike Ojo-Thompson, die Fortbildungsleiterin, eine Schwarze, schwieg eine Weile. Auch die anderen Teilnehmer sagten nichts. Dann sagte sie: „Was ich interessant finde, ist, dass mitten in dieser Corona-Katastrophe, in der uns allen die Ungerechtigkeiten in diesem fairen und gleichen Gesundheitssystem deutlich vor Augen geführt wurden, Sie und Ihr Weißsein denken, dass Sie mir sagen können, was wirklich mit den Schwarzen passiert – ob es das ist, was Sie tun, denn ich denke, dass es das ist, was Sie tun, aber ich bin mir nicht sicher, also lasse ich Ihnen den Raum, mir zu sagen, was Sie gerade tun.“
Bilkszto mochte Recht haben, aber er hatte bei seiner Wortmeldung übersehen, dass er in der Opfer- und damit Autoritätshierarchie des Wokismus weit unterhalb der Kursleiterin stand, und dass im Wokismus rationales Argumentieren ohnehin einer Blasphemie gleichkommt. Selten wurde so deutlich gesagt, dass der Wokismus eine neue Religion ist. Überdeutlich wurde das mit den darauffolgenden Worten Ojo-Thompsons: „Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die nicht zu den persönlichen Erfahrungen von Weißen gehören. Das wird nie der Fall sein. Sie werden nie erfahren, dass es so ist. Ihre Aufgabe bei dieser Arbeit als Weiße ist es also, zu glauben.“ Am Ende der Veranstaltung bezeichnete sie Bilkszto indirekt als „Unkraut“. In ihrer Zusammenfassung sagte sie: „Wir haben uns ins Unkraut gestürzt und den Unkrautstecher rausgeholt. Es war heiß heute. Es war gut. Es war wirklich gut.“
Nach dieser Sitzung setzte sich eine natürliche Schikane-Dynamik fort, auf die jeder Mobber wettet. Eine andere Teilnehmerin twitterte über den Vorfall: „Wenn wir mit Widerstand gegen Anti-Schwarzen-Rassismus konfrontiert werden, können wir nicht schweigen, da dies den Schaden für schwarze Schüler und Familien verstärkt.“ – Und fügte hinzu: „Danke @KOJOInstitute, dass Sie das Unbehagen vorleben, das Verwaltungsbeamte manchmal erfahren müssen, um antischwarzen Rassismus zu bekämpfen.“ Die Autorin heißt Sheryl Robinson Petrazzini, sie ist leitende Beamtin in der regionalen Schulbehörde und ist schwarz. Sie hat, so berichtet Subramanya weiter, diesen Tweet inzwischen gelöscht.
Eine Woche darauf fand die nächste Sitzung statt. Die Fortbildungsleiterin äußerte sich darin laut Subramanya wie folgt: „Eine der Möglichkeiten, wie die weiße Vorherrschaft aufrechterhalten, geschützt, reproduziert, gestützt und verteidigt wird, ist der Widerstand.“ Es folgte ein kurzes Lachen von ihr, was auch im von der Journalistin verlinkten Audioausschnitt des Kurses zu hören ist, bevor Ojo-Thompson fortfuhr: „Ich bin so glücklich, dass wir einen perfekten Beweis haben, ein wunderbares Beispiel für Widerstand, das Sie alle miterleben durften, also werden wir darüber sprechen, denn ich meine, besser geht es gar nicht.“
Andere Anwesende schlossen sich dem an, berichtet Subramanya weiter. Eine Frau, die Thompson auf der Aufnahme „Lisa“ nennt, sprach über das „Unbehagen“ der Weißen an ergebnisoffenen Diskussionen über Rasse. Eine andere Frau, deren Name auf der Aufnahme nur schwer zu erkennen sei, verteidigte Ojo-Thompson vor den Kursteilnehmern und bezeichnete Bilkszto als „das Weißsein“ („the whiteness“). Sie sagte zur Kursleiterin: „Ich glaube, ich habe Sie sagen hören – ich bin eine schwarze Frau, ich sage Ihnen das –, aber das Weißsein sagte: ,Nein, das ist es, was ich Ihnen sage‘, und das ist oft die Haltung. Sie wollen nicht hören, was man sagt.“ Niemand habe zugunsten Bilksztos gesprochen. Weder in dieser noch in der vorangegangenen Veranstaltung.
Am Tag darauf meldete sich der pensionierte Rektor krank und legte bei seinen Vorgesetzten eine Beschwerde wegen Schikane ein. Im April dieses Jahres verklagte er die Schulbehörde wegen „rufschädigenden Verhaltens“. Doch damit waren seine Probleme nicht vom Tisch. In einem Interview mit der Webseite „Spiked“ – siehe Link unten – beschreibt Subramanya den weiteren Verlauf: „Ich habe versucht herauszufinden, was mit Richard in den Wochen vor seinem Tod geschah. Eine Sache, vor der er Angst hatte, war, dass seine Klage gegen die Torontoer Schulbehörde von den alten Medien entdeckt werden könnte. Ich glaube, er hatte gehört, dass ein Journalist die Klage entdeckt hatte und darüber schreiben wollte. Das wollte er nicht noch einmal durchmachen. Laut seiner Familie war Richard emotional völlig erschöpft. Er hatte Angst, dass ihr Name in den Dreck gezogen werden würde. Schließlich wurde ihm das alles zu viel und er nahm sich am 13. Juli das Leben.“
Nun schauen wir mal: Hatten wir eine „institutionelle, öffentliche, rituelle, bespaßende Demütigung“ eines „faktisch bereits zum Tode verurteilten Andersdenkenden und -gläubigen“? Nun, „rituell“ war sie nicht, die Demütigung Bilksztos, sondern eher spontan. Sie entwickelte jedoch ein Eigenleben, was mit einem – absichtlichen? – Mangel an deeskalierenden Ritualen zu erklären ist. Wie ist es mit „institutionell“? Der Vorfall ereignete sich im Rahmen einer Fortbildung in einer staatlichen Institution. Aber die Demütigung selbst ist nicht „institutionalisiert“. Noch nicht. „Öffentlich“? Ja. „Bespaßend“? Ja, im Ansatz: Die Kursleiterin hatte während ihrer Demütigung Bilksztos gelacht. Und den Tod hat sich der „Verurteilte“ praktischerweise selbst zugefügt. Auf jeden Fall war er bereits zum gesellschaftlichen Tod verurteilt worden.
Das „Neue“ an diesem Fall ist die nahezu Institutionalisierung der Demütigung, und der Spaß, den die Kursleiterin offenbar dabei empfand, ohne sich bemüßigt zu fühlen, diesen wenigstens zu verbergen. Diesmal traf es einen der ihren, einen „Progressiven“, dem das und auch sein Schwulsein nicht half, sein „Weißsein“, sein Alter und sein „Mannsein“ aufzuwiegen, als er es wagte, seine schwarze Kursleiterin mit einem höflich vorgetragenen kritischen Einwurf über ihre Behauptungen zum Rassismus herauszufordern.
Wen immer der Wahn als Nächstes trifft, wäre gut beraten, vorher Lehren aus der Geschichte zu ziehen und eine Perspektive anzunehmen, die über das eigene Leben hinausgeht. Neros Wahn tobte sich besonders an den frühen Christen aus. Aber er zerbrach auch an ihnen, ihrer stoizistischen Gelassenheit, ihrem Mangel an Todesangst und ihrer Gewissheit, langfristig auf der richtigen Seite zu stehen.
Quellen:
Rupa Subramanya: A Racist Smear. A Tarnished Career. And the Suicide of Richard Bilkszto (The Free Press)
The deadly consequences of cancel culture (Spiked-online-Interview mit Rupa Subramanya)
Robert Grözinger: Historischer Vergleich: Wie endet der aktuelle Wahnsinn? (eigentümlich frei)
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