Agenda 2030: Ungenügen, Schuld und Verdrängung der Gewalt. Die Psychologie der Politik
Wieso wollen die Menschen nicht in einer friedlichen Gesellschaft leben?
von Andreas Tiedtke (Pausiert)
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In den vorangegangenen Kolumnen legte ich dar, dass wir mit der Handlungslogik erkennen können, wie eine friedliche und freundliche Gesellschaft aussehen würde, welche Handlungsprinzipien ihr zugrunde liegen, und dass sich Agenda-2030-Ziele wie Wohlstand, Umweltschutz, Verminderung der Ungleichheit, Frieden und Gerechtigkeit auf friedlichem Wege und in ökonomisch effizienter Art und Weise für die Masse der Menschen nur im Wege der freiwilligen Kooperation erreichen lassen.
Aber schlussendlich wollen die meisten Menschen dies nicht und sie lassen sich nicht von ihren Vorurteilen abbringen über die Notwendigkeit von Zwang gegen friedliche Menschen, damit es ihnen besser geht. Denn ihnen wurden feindselige Haltungen mit auf den Weg gegeben oder sie haben sich diese in ihrer Kindheit zugelegt, um sich vor unangenehmen Gefühlen zu schützen. Dies wollen wir uns heute genauer anschauen.
Infantile feindselige Haltungen
Immanuel Kant (1724–1804) sprach bereits 1784 von der unmündigen Gesellschaft, und auch noch 1958 kam der Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung (1875–1961) zum selben Urteil: Er sprach von der infantilen Gesellschaft.
Infantil kann hier auf zwei Arten verstanden werden: Zum einen, dass es um kindliche Haltungen geht, die in der Kindheit durchaus ihren Sinn gehabt haben mögen, die aber im Widerspruch zu der Lebenswirklichkeit des Handelns stehen. Und zum anderen, dass viele Menschen – ganz wie Kinder – sich nicht für den Zweck der nüchternen Betrachtung von den eigenen Gefühlswallungen distanzieren können, sondern sie werden von ihren Gefühlen „mitgerissen“. Etwas, das bereits Seneca (circa 1–65) aufgefallen war.
Wir haben es also nicht mit etwas grundlegend Neuem zu tun, auch wenn der Autor und Künstler Raymond Unger darlegt, dass die Situation in Deutschland aufgrund des „Transtraumas“ durch die beiden großen Kriege vergleichbar schlimmer zu sein scheint.
Auch die „Massenbildung“, die der klinische Psychologe Mattias Desmet erläutert, mag besonders offensichtliche Spitzen der Feindseligkeit von Menschen untereinander erklären. Aber dass Menschen seit Jahrtausenden feindselige Haltungen sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber ausagieren, kann er damit nicht erklären. Denn das Phänomen der Herrschaft der einen über die anderen, also dass Menschen friedliche Mitmenschen zu Handlungen und Unterlassungen zwingen, dass sie diese bedrohen, damit diese gehorchen, dieses Phänomen ist so alt wie die Zivilisation selbst. Und dass Menschen sich nicht innerlich dagegen auflehnen, dass sie ihre Situation noch nicht einmal klar erkennen können, sondern oftmals wie „Gestockholmte“ auch noch Sympathien zu der sie bedrängenden Obrigkeit entwickeln, auch dies lässt sich nicht durch jüngere Phänomene der Geschichte erklären.
Drei typische Haltungen, die eine friedliche Gesellschaft konterkarieren
Die Kinder lernen für gewöhnlich drei Haltungen, die mit ihrer Infantilität (C. G. Jung) beziehungsweise Unmündigkeit (Immanuel Kant) zu tun haben. Erstens, dass sie Menschen etwas schuldig sein könnten, auch wenn sie sich hierzu nicht verpflichtet haben. Zweitens, dass sie so, wie sie jetzt sind, ungenügend sind. Und drittens lernen sie die Ohnmacht, dass sie nichts gegen die Autoritäten unternehmen können, zu verdrängen, sodass sie sich des Zwanges nicht mehr bewusst sind.
Diese Haltungen mögen in der Kindheit eben wegen der „Unmündigkeit“ der Kinder teilweise Sinn machen. Ein Kind kann viele Gefahren noch nicht einschätzen, beispielsweise wie schnell ein LKW auf der Straße daherkommt, und daher lernt es, dass es den Eltern – oder Autoritätspersonen allgemein – zu gehorchen hat, weil dies besser für es selbst sei.
Wenn man einem Kind beibringt, wohin es zu wachsen hat, wie es sich zu verhalten hat, welches Verhalten akzeptabel und welches unakzeptabel ist, was es zu können hat und dergleichen, dann verinnerlicht das Kind unter Umständen, dass es ungenügend ist, so wie es jetzt ist. Und tatsächlich werden heute beispielsweise die Leistungen der Kinder auch wortwörtlich mit „ungenügend“ oder „mangelhaft“ benotet, was ein Kind unter Umständen nicht nur mit den eingeforderten Leistungen verknüpft, sondern mit seiner Person und dann sich selbst als „ungenügend“ empfindet.
Und weil das Kind den Eltern und Autoritätspersonen quasi ausgeliefert ist, weil es sich nicht effektiv wehren kann, ist da eine Ohnmacht zu spüren, die es zu verdrängen gilt.
Heute finden wir diese Haltungen auch bei vielen Erwachsenen. Sie halten sich – und andere – für schuldig, auch wenn diese sich zu nichts verpflichtet haben, sondern lediglich gezwungen werden. Sie denken, andere friedliche Personen schulden ihnen etwas, etwa einen Teil des Einkommens, ein bestimmtes Verhalten oder dergleichen, auch wenn diese sich hierzu überhaupt nicht verpflichtet haben. Sie finden sich und andere ungenügend, auch wenn jeder natürlich das kausale Ergebnis seiner Lebensgeschichte ist und damit im Hier und Jetzt in diesem Sinne stets der Beste, der er eben sein kann. Und sie verdrängen Gewalt, der sie ohnmächtig gegenüberstehen, damit sie sich beruhigen.
Die einen richten Schuld und Scham und Ungenügen vor allem gegen sich selbst und gelangen darüber in niedergeschlagene Stimmungen. Die anderen haben sowohl gegen sich selbst gerichtete Einstellungen, finden aber auch die anderen ungenügend. Und die dritte Gruppe schließlich sieht bei sich selbst überhaupt keine Schuld oder Ungenügen: Schuld sind immer die anderen! Und entsprechend handeln sie auch. Obwohl andere ihnen nichts schulden, versuchen sie ihnen dies einzureden und sie zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, für den Fall, dass das Einreden alleine nicht fruchtet. In allen Fällen ausschlaggebend sind die kindlichen Haltungen zu Schuld, Scham und Ungenügen.
Schlussbetrachtung und Ausblick
Die bis hierhin besprochenen Haltungen sind ganz typische infantile Haltungen, weil sie in der Kindheit gelernt werden. Es sind „unmündige“ oder unaufgeklärte Haltungen, weil sie in dem Sinne falsch sind, dass sie im Widerspruch zu den Schlüssen der Handlungslogik stehen. Und aus ihnen ergibt sich eine feindselige Haltung gegenüber sich selbst und anderen, die das Werden einer friedlichen und freundlichen Gesellschaft verhindert. Menschen, die sich Herrschaft sichern wollen, müssten also tunlichst bemüht sein, diese Haltungen von Schuld, Scham und Ungenügen zu verstärken, und versuchen, dass der „Elefant im Raum“, die hinter den Drohungen stehende Gewalt, möglichst unsichtbar bleibt. Und dies ist auch beobachtbar.
Zu einer vierten, ganz maßgeblichen Haltung, nämlich der Angst, genauer gesagt der Angst vor Trennung, die letztlich die Angst vor dem Tod ist, kommen wir in der folgenden Kolumne. Menschen zu verängstigen, ist schließlich das schärfste Werkzeug der Propagandatechnik. Aber auch diejenigen, die herrschen und Angst einjagen wollen, sind letztlich von der Angst besetzt. Aber hierzu und zum „Ausgang aus der Unmündigkeit“ mehr in meiner nächsten Kolumne.
Quellen:
Raymond Unger: Generation ‚Babyboomer‘: Warum das transgenerationale Kriegstrauma die deutsche Gesellschaft spaltet (Ludwig von Mises Institut)
Mattias Desmet: Die Psychologie des Totalitarismus
Weiterführend speziell zu den infantilen Haltungen: Andreas Tiedtke: „Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe“ (Ludwig von Mises Institut)
Andreas Tiedtke: Der Kompass zum lebendigen Leben
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