25. August 2023 23:00

Bedeutung des Zinses – Teil II Kritik an der Zinskritik

Von Fehlanreizen, rückläufigem Kapitalstock und „falschen“ Risikosignalen

von Benjamin Mudlack

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Bildquelle: Sutthiphong Chandaeng / Shutterstock Zins: Setzt positiven Anreiz zum Sparen und Kapitalaufbau

Letzte Woche ging es um die naturgegebene und sehr menschliche Konzeption des Zinses und in diesem Zusammenhang um die sogenannte Zeitpräferenz. In dem heutigen Beitrag widmen wir uns unter anderem den Anreizsystemen, den Folgen von Fehlanreizen, den Risikosignalen und der zentralen Argumentation der Zinskritiker.

Ohne Zins kein Sparanreiz, keine Kapitalbildung, kein Wohlstand und kein Anreiz, Kredite zu vergeben

Aus der Zeitpräferenz ergibt sich der natürliche Zins, an dem sich auch der Marktzins ungefähr orientieren würde. Der Marktzins ist der Zins, der sich durch Geldangebot und -nachfrage am Kapitalmarkt bilden würde. Ohne Zins hätte auch kaum ein Sparer den Anreiz, einer anderen Partei sein Erspartes zu leihen.

Einfach gesprochen, ist der Zins nichts anderes als ein positiver Anreiz (Belohnung) zum Konsumverzicht (Sparen) und zum Kapitalaufbau. Ohne diesen positiven Anreiz oder gar im Falle negativer Zinsen gewinnt der Gegenwartskonsum immer mehr an Bedeutung. Die Menschen verschulden sich sogar, um zu konsumieren –Geld kostet ja nichts. Wer kennt die Lockangebote nicht: Heute kaufen und dann zu null Prozent Zins morgen in x Raten bezahlen. Die Menschen bevorzugen aufgrund des natürlichen Zinses ohnehin den Gegenwartskonsum. Wenn der Zins durch eine zentralverwaltende Stelle (Zentralbank) und durch übermäßige Geldmengenausweitung (Geldangebot) immer weiter herabgesenkt wird, leihen sich die Menschen buchstäblich aus ihrer eigenen ungewissen Zukunft Geld. Sie bauen keinen Kapitalstock auf, sondern zehren den zukünftigen bereits heute auf.

Der Kapitalstock einer Volkwirtschaft ist jedoch sehr wichtig. Er ist die Grundlage, die Substanz für den Wohlstand der Zukunft. Das Kapital wird investiert in Produktionsstätten, die Waren und Güter produzieren, oder in Werte, die Dienstleistungen erbringen. Ohne Zins oder mit negativem Zins wird in der Tendenz deutlich mehr konsumiert und von der Substanz gelebt. Der Kapitalstock als Grundlage der Produktion und Dienstleistungserbringung schmilzt dahin. Der Wohlstand speist sich aus der Qualität und Quantität der verfügbaren Waren, Güter und Dienstleistungen. Gerade aktuell wird viel Kapital aus Deutschland abgezogen. Im Jahr 2022 waren es laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) ungefähr135 Milliarden US-Dollar, die das Land verlassen haben – eine Rekordsumme! Die Gründe haben eher mit den Standortnachteilen als mit dem Zins zu tun. Aber im Kontext der Bedeutsamkeit des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft ist diese verheerende Entwicklung einer Erwähnung wert.

Zins und Kurse von Schuldpapieren als Maßstab für Risiko und Bonität

Der Zins ist nicht nur isoliert als Preis des Geldes anzusehen. Der Zins zeigt auch an, mit welchen Risiken ein Geldleihgeschäft behaftet ist, womit er folglich auch ein Maßstab für das Risiko und für die Kreditwürdigkeit des jeweiligen Schuldners ist. Je höher der Zins ist, desto höher sind logischerweise die Risiken eines Kreditausfalls. Man könnte auch sagen, dass ein hoher Zins den Kapitalgeber (Gläubiger) für das entsprechend höhere Risiko entlohnt.

In der heutigen Geldplanwirtschaft greifen die Zentralbanken jedoch aktiv in die Märkte für die Staatsschulden (Anleihemärkte) ein, sodass dieser Risikomaßstab komplett verwässert ist. In der Praxis ergäbe sich der Zins in einer real existierenden Marktwirtschaft auf Basis der frei handelbaren Anleihen (Staats- und auch Unternehmensanleihen). Die Papiere werden zu 100 Prozent ausgegeben, verzinsen sich während der Laufzeit mit dem entsprechenden Nominalzins und werden am Ende der Laufzeit wieder zu 100 Prozent zurückgezahlt. Würde sich nun in einer tatsächlichen Marktwirtschaft die schwindende Kreditwürdigkeit (Bonität) eines Landes herumsprechen, würden die Gläubiger das Weite suchen und die Papiere abstoßen. Das Angebot an Anleihen dieses Landes würde die Nachfrage übersteigen und der Kurs würde fallen. Aus dem fallenden Kurs ergäbe sich dann eine höhere Nominalverzinsung für Staatsanleihen, die dieses Land neu ausgibt. Der sinkende Anleihepreis wäre ein Warnsignal. In der heutigen Zeit ist es jedoch so, dass die Zentralbanken die Anleihen kaufen und somit die Kurse stützen oder gar nach oben in Richtung 100 Prozent kaufen. Die Zentralbanken nehmen die Staatsanleihen auf die Aktivseite ihrer Bilanz und schöpfen im Gegenzug per Buchungssatz auf der Passivseite neues Geld. Die Geldmenge wird inflationiert und der mengenmäßige (quantitative) Tauschwert des Gelds sinkt. Die Quantität des Geldes steigt, während seine Qualität (der Tauschwert) sinkt.

Die Qualität des Geldes wird ebenso wie die Aussagekraft der Anleihekurse verwässert. Zins und Anleihekurs sind dann nicht mehr marktgerecht. Sie werden durch die Aktivitäten der Zentralbanken manipuliert. Insofern ist der Begriff der Geldplanwirtschaft durchaus zutreffend und nicht übertrieben oder überspitzt formuliert.

Der Kurs der Staatsanleihen wird zudem durch die Zinsfestsetzung der Zentralbanken beeinträchtigt. Das heißt, dass der Anleihekurs der zentralplanerischen Zinsfestsetzung und nicht dem Preissignal der Marktteilnehmer folgt – eine völlig verrückte Welt.

Gesund wäre es hingegen, wenn sich der Anleihekurs am Markt bilden würde. Je tiefer dabei der Kurs wäre, desto abschreckender wäre die Investition in die jeweilige Staatsanleihe. Den Schuldenexzessen wäre dadurch Einhalt geboten und die Staatschulden würden sich eher im tragbaren Rahmen bewegen – nicht so jedoch in der heutigen Geldplanwirtschaft!

Zentrale Argumentation der Zinskritiker

Das zentrale Argument der Zinskritiker ist, dass durch den Zinseszins-Effekt die Geldmenge und mit ihr die Überschuldung massiv ansteigen würden. Der Kapitalkostenanteil am Gesamtpreis der Produkte würde folglich sukzessive zunehmen. Dieses Argument ist in einem System des deckungslosen Schuldgeldes (Fiatgeld) durchaus richtig. Gerade die Staaten zahlen ihre Schulden in den seltensten Fällen zurück. Alte Schulden werden durch neue beglichen, wodurch sich die Welt in einer fortwährenden Auf- und Nachschuldungsorgie befindet.

In einem System der absolut konstanten Geldmenge (oder nur langsam steigenden Geldmenge, also wie zu Zeiten des Goldstandards) ist das Argument jedoch nicht zu halten und müsste fallen gelassen werden.

In einem Umfeld der konstanten Geldmenge müsste der Zins erwirtschaftet und samt Kredittilgung bezahlt werden. Andernfalls kommt es zum Kreditausfall oder zu einer quotalen Zahlung und Abschreibung der Differenz. Die Quantität der Geldmenge bleibt davon unberührt. Die pauschale und undifferenzierte Zinskritik greift folglich eindeutig zu kurz.

Schlussbetrachtung

Die Sinnhaftigkeit und unbedingte Notwendigkeit des Zinses sollte auf Basis der genannten Gründe und aus Sicht der Geldtheorie der „Austrians“ deutlich geworden sein.

Dennoch habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn private Geldanbieter Vorschläge ohne Zins oder gar auf Basis eines Schwundgeldsystems unterbreiten. Die Menschen sollten frei sein in der Wahl des Geldes, das für sie am dienstlichsten sein mag. Über die Zeit werden sich dann auf Basis eines Marktprozesses die besten Gelder durchsetzen. Es ist die absolute Konsumentensouveränität der Menschen, die in sämtlichen Märkten im Vordergrund stehen sollte – auch und gerade bei der Wahl des Geldes!

Carl Menger, der Begründer der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, hat diese These auf Seite 257 in seinem bahnbrechenden Werk aus dem Jahr 1871, „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, wie folgt auf den Punkt gebracht: „Das Geld ist keine staatliche Erfindung, nicht das Produkt eines legislativen Aktes und die Sanktion desselben Seitens der staatlichen Autorität ist demnach dem Begriffe des Geldes überhaupt fremd. Auch die Existenz bestimmter Waren als Geld hat sich naturgemäß aus den ökonomischen Verhältnissen herausgebildet, ohne dass die staatliche Einflussnahme hierbei erforderlich gewesen wäre.“

Dauerhaft nicht marktgerechte Zinsen führen zu einer Fehlsteuerung von Geld und somit auch zu einer Fehlsteuerung und Verschwendung von Ressourcen. Überdies kommt es zum Überkonsum und zur Aufzehrung des Kapitalstocks. Mit dem schwindenden Kapitalstock gehen wohlstandsmindernde Effekte gehen. Die Steuerungseffekte des Zinses werden von den Zinskritikern gemeinhin unterschätzt. Auch die Zinsmanipulation durch Ausweitung des Geldangebotes und durch Zinsfestsetzung sollten tiefergehend hinterfragt werden. Die Fehlentwicklungen sind allzu offensichtlich.

Benjamin Mudlack: „Geld-Zeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“

Zinsmanipulation schadet dem Mittelstand

Bedeutung des Zinses – Teil I: Menschliches Handeln ist komplex und nicht modellierbar


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