12. September 2023 23:00

Agenda 2030 Der Ausgang aus der Unmündigkeit. Die Psychologie der Politik

Wieso die Menschen nicht in einer friedlichen Gesellschaft leben wollen

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Erwachsen sein heißt: Verlassen der unbewussten Inkompetenz

In meinen letzten Kolumnen legte ich dar, dass dem menschlichen Handeln eine logische Struktur zu Grunde liegt, die der geniale Ökonom Ludwig von Mises (1881–1973) erkannte, aufschlüsselte und als Praxeologie bezeichnete. Dank dieser Handlungslogik können wir menschliches Handeln klar in feindliches, freundliches und – zumindest – friedliches Handeln kategorisieren, und zwar a priori, das heißt, wir müssen dies nicht ständig empirisch testen (und könnten es auch gar nicht). Wir konnten die Prinzipien einer friedlichen Gesellschaft darstellen und dass Agenda 2030-Ziele, wie sie die Vereinten Nationen postulieren, sich auf friedlichem Wege nur durch freiwillige Kooperation erreichen lassen – also ohne die Androhung von Zwang und Gewalt gegen friedliche Menschen.

Aus der Praxeologie folgt aber auch, dass Menschen ihre Ziele gemäß ihrem Denken und Fühlen wählen und dass ihr Denken und Fühlen von ihren – oft unbewussten – Einstellungen und Überzeugungen herrühren. Und diese Haltungen der Menschen zu sich und der Welt sind oftmals derart „infantil“ oder „unmündig“, wie etwa C. G. Jung (1875–1961) oder Immanuel Kant (1724–1804) sich ausdrückten, dass viele Menschen eine friedliche Gesellschaft gar nicht begehren. Sie wollen keine Gesellschaft der freiwilligen Kooperation, sondern haben im Grunde feindselige Haltungen zu sich und der Welt. Zudem legte ich dar, dass die Haltungs-Sets der Menschen darüber hinaus in sich widersprüchlich sind, als ob ein Mensch aus verschiedenen „Innenpersonen“ bestünde, die, je nach Lebensbereich, ihre Rolle spielten.

Wie kommen wir da raus?

Ausgang aus der Unmündigkeit

Wie lernen Menschen? Wie lernen sie, erwachsen zu werden? Die erste Stufe ist die der unbewussten Inkompetenz. Die Menschen kennen ihre infantilen, widersprüchlichen Haltungen zu sich und der Welt nicht und das ist ihnen noch nicht einmal bewusst – es stellt für sie kein Problem dar. Von der Wiege bis zur Bahre bleiben sie in ihrer Infantilität befangen. Die Initiation durch Dritte, also dass man die Menschen auf die infantilen und widersprüchlichen Haltungen aufmerksam macht und ihnen „beim Wachsen hilft“, spielt heute für alle praktischen Belange keine Rolle mehr. Konfirmation, Kommunion oder Jungendweihe sind inhaltslose Überbleibsel, die die Bedeutung von Initiation heute nicht einmal mehr erahnen lassen. Heute ist es die Krise, welche die große Rolle beim „Ausgang aus der Unmündigkeit“ spielt.

In der Krise folgt der zweite Schritt des Lernprozesses: Die bewusste Inkompetenz. Der Mensch merkt, dass er etwas nicht weiß beziehungsweise nicht kann. Er hat kein rechtes Glück beim Handeln. Selbst wenn er seine Ziele erreicht, sein Denken und Fühlen werden immer noch von Schuld und Scham oder Ungenügen oder Angst vor Trennung bestimmt – oder von alldem zusammen –, und das ist ihm unangenehm. Nun stehen ihm zahlreiche Ablenkungen zur Verfügung: Amüsements, Extrem-Sport, Rauschmittel, Pharmazeutika, Yoga, Meditation, Kloster-Auszeit und dergleichen, um seine Unzufriedenheit zu vermindern, aber „nachhaltig“ scheint dies alles nicht. Denn wenn wir die praxeologische Kausalkette ansehen, dann folgt das Handeln aus dem Denken und Fühlen und das wiederum folgt aus den – oft unbewussten – Haltungen zu sich und der Welt. Da kann sich einer noch so viele gute Vorsätze vornehmen, noch so viel politische Macht haben, ein noch so großes Vermögen haben – all dies wird ihm nur kurzfristig helfen, sich besser zu fühlen, all dies sind nur Kaubonbons, die den hohlen Zahn nicht heilen können, sondern auf Dauer den Schmerz noch befeuern. Auf der Handlungsebene lässt sich das Problem nicht lösen, entscheidend ist die Einstellungsebene.

In meinem Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“ habe ich im Anhang 31 Einstellungssätze beschrieben, die mit der Handlungslogik konform sind. Es sind Sätze wie „Ich bin jederzeit vollkommen“, „Ich lasse die Angst zu“ oder „Selbst wenn das Schlimmste geschieht, ich entscheide, wie ich damit umgehe“ und dergleichen. Für viele Menschen hört sich das geradezu absurd an. „Ich bin doch nicht vollkommen!“, wird etwa einer einwenden, aber die Wahrheit ist, dass jedermann das unvermeidliche Ergebnis seiner Lebensgeschichte ist, seiner Ontogenese, Phylogenese und letztlich des Ganges des Universums. Dies folgt aus dem Prinzip der Kausalität, also dass nichts aus dem Nichts heraus geschieht, sozusagen „ex nihilo“, sondern alles seinen Grund hat. Das Gegenteil oder etwas, das im Widerspruch hierzu steht, kann nicht als wahr gedacht werden, weil ein Nichts per Definition nicht existieren kann. Deswegen handelt es sich um eine a priori wahre Aussage, eine Letztbegründung. Und dies erkannte wohl bereits der Bayreuther Philosoph Max Stirner (1806–1856), von dem der Satz „Wir sind allzumal vollkommen“ ursprünglich stammt. In diesem Sinne also, dass jeder das unvermeidliche Ergebnis seiner Lebensgeschichte ist, ist der Mensch vollkommen und nicht ungenügend, und zwar zu jedem Zeitpunkt. Und das gilt natürlich auch für all die anderen „da draußen“.

Wer beispielsweise dies erkannt hat, braucht sich nicht länger mit dem Thema „Ungenügen“ martern oder mit Scham quälen oder mit Schuldgefühlen. Das hat im Übrigen nichts mit Verantwortungslosigkeit zu tun, denn Verantwortung bedeutet, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Und wenn wir beispielsweise anderen schaden, dann werden diese sich wehren, Widergutmachung verlangen oder Vergeltung üben – sofern wir ihnen nicht einreden können, dass wir ihnen „schaden durften“ oder sie „gestockholmt“ sind. „Respice finem!“, „Bedenke die Konsequenzen!“.

Ich kann an dieser Stelle natürlich nur einen kleinen Einblick geben in „praxeologisch informierte Haltungen“, und dem einen oder anderen mögen sofort Gegenargumente einfallen, aber wer tiefer einsteigen möchte, für den habe ich in den diesem Artikel nachfolgenden Quellen einige Hinweise.

Am Ende des Tages geht es darum, dass der Mensch seinen eigenen Verstand benutzt, so Kant, und seine infantilen, widersprüchlichen Haltungen „abklopft“ und so zu seiner eigenen „Kosmologie“ gelangt, und nicht diejenige behält, die man ihm als Kind aufs Auge gedrückt hat. Er muss sich der logischen Struktur seines Verstandes bedienen, die ihm aber zum Glück schon mitgegeben ist. Am Verstand liegt es nicht, erkannte bereits Kant, sondern am Mangel an Mut und Entschlossenheit, weil die Menschen verängstigt wurden, in den geistigen „Gängelwagen“ gesperrt und ihnen „Vorurteile eingepflanzt“ wurden.

Ausgerüstet mit handlungslogisch widerspruchsfreien Einstellungen und Überzeugungen wird der Mensch dann die dritte Stufe des Lernens erklimmen: Die bewusste Kompetenz. Durch Wiederholung (und zahlreiche andere geistige Übungen) kann er seinen neuen Einstellungen so verinnerlichen, dass sie dann unbewusst ablaufen, also wie „von selbst“. So, wie ein erfahrener Tennisspieler sich seinen „Return“ nicht erst bewusst vorstellen muss, sondern dieser Ablauf bereits „in ihm steckt“, wird er dann, in diesem Sinne, „unbewusst kompetent“, die vierte Stufe des Lernens. Sein Denken und Fühlen ändern sich dann sozusagen automatisch.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Damit die Menschen sich selbst und andere in diesem Sinne „aufklären“ können, müssen gewisse gesellschaftliche Vorbedingungen erfüllt sein. Kant war ja zuversichtlich, dass sich die Menschen schon alleine aufklären würden, wenn man sie nur ließe, allein: Man lässt sie nicht.

Welchen praktischen Ausweg Murray Rothbard (1926–1995) sah, welche Rolle zeitgenössische „Populisten“ dabei spielen könnten und wieso die Gretchen-Frage „Nun sag, wie hast du’s mit der Zensur?“ so wichtig bei diesem Unterfangen ist, darauf werde ich in meiner nächsten Kolumne eingehen.

Quellen:

Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? - zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke)

Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe (Andreas Tiedtke)

Der Einzige und sein Eigentum (Max Stirner)

Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)


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