14. September 2023 18:00

Polen, Argentinien, USA Die Erfolgswelle der jungen libertären Populisten

Ist libertär das neue Sexy?

von André F. Lichtschlag

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Bildquelle: Facundo Florit / Shutterstock Von der Jugend umringt und gefeiert: Javier Milei, libertärer Rockstar Argentiniens

Am 8. Oktober wird in Bayern und Hessen ein neuer Landtag gewählt. Die Grünen werden – da sind sich alle Prognosen einig – hoch verlieren, die AfD stark zulegen. Gründen dafür wurden in der letzten Ausgabe der Zeitschrift eigentümlich frei unter dem Titel „Grün vergeht, blau erblüht“ nachgegangen. Dann kam die „Flugblatt-Affäre“ um Hubert Aiwanger. Offenbar von langer Hand publizistisch und politisch vorbereitet, mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs. Es ging um einen bösen Streich in Aiwangers Schulzeit. Vor 35 Jahren. Ernsthaft. Und doch wäre eine solche Dreckskampagne – zumal mit der Erfolgsgarantie „Antisemitismus“ – noch vor Kurzem mit dem Rücktritt oder der Entlassung Aiwangers geendet. Seine politische Karriere wäre für immer beendet gewesen. Doch die Zeiten wandeln sich, das Pendel schwingt. Die Menschen sind der himmelschreienden heuchlerischen Doppelmoral der rot-grünen Leitmedien mehr als satt. Am Ende liegen Aiwangers Freie Wähler bei Rekordwerten in den Umfragen, nicht, wie von den Initiatoren der Kampagne erhofft und erwartet, bei Minusrekordwerten.     

Die „Aiwanger-Gschicht“ war nicht zuletzt ein Kräftemessen der alternativen Medien mit den Mittelstrahlmedien. Ein bis vor Kurzem noch sehr ungleicher Kampf, den nun erstmals in Deutschland die alternativen Medien klar für sich entschieden haben. Ein Kampf, der mit der Affäre Faeser unter umgekehrten Vorzeichen in die nächste Runde geht. Die Etablierten haben im „Fall Aiwanger“ nicht nur jeglichen Durchblick im Innern und ihre Deutungshoheit nach außen verloren. Sie haben auch ihre Gestaltungsmacht eingebüßt. Und wenn sie nur immer wilder um sich zielen, ihre Schüsse gehen nur noch nach hinten los. Der soziologische Fachbefund heißt: Reaktanz. Überall Reaktanz. Und das politmediale Establishment kann nichts mehr umlenken, macht mit jeder neuen niederträchtigen Kampagne nur alles noch schlimmer für ihre Spielfiguren und Anliegen. Und das betrifft offenbar nicht nur Deutschland. 

Eine Woche nach den Bayern, am 15. Oktober, wählen auch die Polen. Seit Wochen legt eine radikale Anti-Establishment-Partei immer stärker zu, die lange niemand auf dem Zettel hatte: die Konfederacja. Der Konföderation und ihrem 36 Jahre jungen Chef Slawomir Mentzen jubelt in vollen Bierzelten vor allem die polnische Jugend zu. Sie könnte zur entscheidenden dritten Kraft und zum eigentlichen Königsmacher aufsteigen – mit herzerfrischenden libertären Parolen. Mentzen will mit seiner jungen Truppe nämlich die Einkommensteuer sowie alle Benzinsteuern abschaffen, Waffen legalisieren, Bildung, Kultur und Gesundheitswesen privatisieren. Dazu fordert er, ähnlich wie Aiwanger in Bayern gerne mit einem Bier in der Hand, den Austritt Polens aus der EU und die Abschaffung der Sozialversicherungspflicht.

Wieder eine Woche später und 12.000 Kilometer entfernt, am 22. Oktober, wählt Argentinien einen neuen Präsidenten. Favorit unter den Kandidaten ist seit der siegreichen Vorwahl vom 13. August ausgerechnet ein Libertärer, ja, nach eigener Aussage: ein Anarchokapitalist. Sein Name ist Javier Milei. Sein Hund heißt Murray. Sein wildes Haar wird, wie er sagt, ausschließlich von der „unsichtbaren Hand“ gekämmt. Sein radikales Programm ist fast deckungsgleich mit dem von Mentzen in Polen. Oder besser: noch radikaler. Milei wettert wie wild gegen das Establishment und die politischen Parasiten, die lange genug das Land ausgeraubt haben. Auch ihm jubeln vorneweg die jungen Argentinier zu – in vollgefüllten Stadien. Auch Milei, selbst 52 Jahre und von Hause aus Ökonomieprofessor, wird gefeiert wie ein Rockstar.

Im Januar 2024 beginnen dann die Vorwahlen in den USA. Shootingstar unter den republikanischen Kandidaten ist wieder einer, den lange niemand auf dem Zettel hatte: Vivek Ramaswamy ist 38 Jahre jung und schon dadurch ganz „anders“ als das Duo der favorisierten US-Gerontokratie. Auch er kommt mit einem betont freiheitlichen Programm, das er jüngst zum Beispiel beim libertären Porcfest in New Hampshire vorstellte. Ramaswamy – „Ich bin der mit dem lustigen Namen“ – unterbricht im Wahlkampf zuweilen seine Reden, um spontan einen Rap-Song zu performen. Erst dann spricht er weiter über nötige radikale Entstaatlichung, fordert die Abschaffung der Geheimdienste und die Entmachtung der woken Wahnsinnigen und klärt seine Fans darüber auf, dass die Klimawandel-Agenda nichts ist als ein großer Schwindel.

Was ist da los, überall auf der Welt, wenn plötzlich radikal-libertäre Parolen zu Erfolgsgaranten werden – wenn libertär das neue Sexy ist? Und was bedeutet das für Deutschland? Hat nicht gerade der charismatische Hansdampf Markus Krall verkündet, bei der Bundestagswahl anzutreten zu wollen, um den Stasi-Staat auszufegen und die Marktkräfte auch in Deutschland endlich wieder zu entfesseln?

Die Ende nächster Woche erscheinende neue Ausgabe der Zeitschrift eigentümlich frei (ef 236, Oktober-Ausgabe) wird sich mit genau diesen spannenden Fragen beschäftigen: in einem Heftschwerpunkt zur Erfolgswelle der jungen libertären Populisten.


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