17. September 2023 08:00

Freiheitsespresso V Starke Faust statt unsichtbarer Hand

Wenn Bürokratie zum Selbstzweck wird

von Michael von Prollius (Beendet)

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Bildquelle: alphaspirit.it / Shutterstock Unheilvolle Entwicklung: Deutschland versinkt zunehmend in den Fluten des bürokratischen Regelwerks

Wohnungen werden nicht gebaut. Flüge sind nicht mehr bezahlbar oder werden nicht angeboten. Die Kaufkraft schwindet und schwankt. Wie man sprechen soll, wird vorgegeben. Ökonomische und gesellschaftliche Erschütterungen reihen sich aneinander. Im nahezu alltäglichen Krisengetöse verschwimmt der Unterschied zwischen Staat und privat, zwischen Bürokratie und Markt. Tatsächlich unterscheiden sich die beiden Sphären Markt und Gesellschaft sowie Staat respektive Bürokratie fundamental.

Markt und Gesellschaft lassen sich als spontane Ordnungen begreifen. Das bedeutet erstens: Es gibt weder ein übergeordnetes Ziel noch einen Plan, den die Menschen verfolgen, sondern viele divergierende Ziele und viel Pläne; zweitens: Es gibt keinen Führer, keine organisierte Hierarchie mit Zuständigkeiten und Weisungsbefugnissen, sondern vielmehr eine dezentrale oder nonzentrale Ordnung (Robert Nef), emergent entstanden durch sicht- und unsichtbare Hände; drittens: In vielgestaltigen, unübersehbaren komplexen Prozessen von Versuch und Irrtum wird Wissen erzeugt und verworfen. Die Koordination übernehmen in einer Marktwirtschaft Preise. Und sie sagen uns mit Friedrich August von Hayek, was wir zu tun haben, und das ist vielfach etwas anderes, als wir geplant hatten.

Wer Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften auf einen Begriff und eine Herausforderung reduzieren möchte, der darf das Koordinationsproblem in den Mittelpunkt stellen. Die drei Ps – Prices, Property, Profit/Loss – sorgen für die drei Is, die da sind Information, Incentives, Innovation (nach Peter Boettke). Der Tausch ist das Wesen der wirtschaftlichen Sphäre und ein wesentlicher Teil der gesellschaftlichen Sphäre, zum Beispiel mit privatem, entgeltlosem Engagement in der Nachbarschaft, in Vereinen, Interessengemeinschaften, zusätzlich zur investierten Zeit auch mit Spenden. Der amerikanische Publizist Henry Hazlitt schlug folgerichtig den Begriff „Cooperatism“ vor – anstelle von Kapitalismus und Liberalismus.

Staat und Behörden lassen sich als bürokratische Organisationen begreifen. Das bedeutet: Es gibt eine Aufgabe, und es gibt eine Organisation, wie diese Aufgabe bewältigt werden soll. Diese Organisation folgt einem erdachten, teils wohlüberlegten Plan. Gegebene Ressourcen werden verteilt, bekannte Aufgaben bearbeitet. Einen tiefen Einblick in das Wesen der Bürokratie bietet Ludwig von Mises mit seinem kleinen, lesenswerten Buch „Bürokratie“, geschrieben schon 1944. Bürokratie, in der übersteigerten Form als Bürokratismus, ist die Herrschaft des Büros, der Verwaltung.

Innerhalb einer festen Hierarchie nehmen Bürokraten, sowohl im Staat als auch in Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen, festgelegte Kompetenzen wahr. Idealerweise geschieht dies sachkundig, rational und rechtsgebunden, sodass die Vorschriften dem menschlichen Zusammenwirken dienen und nicht über den Menschen und über Lösungen gestellt werden. Zugleich bedingt die Hierarchie, dass die Regeln und Maßnahmen die Ausführung des Willens der obersten Behörde nach sich ziehen: „Bürokratisch heißt die Art der Geschäftsführung, die sich an genaue Regeln und Vorschriften halten muss, welche wiederum von der Autorität einer übergeordneten Person festgelegt werden“, konstatiert Mises und fährt fort: „Die Aufgabe des Bürokraten liegt in der Ausführung dessen, was diese Regeln und Vorschriften ihm auftragen. Seine Freiheit, nach eigener, bester Überzeugung zu handeln, wird durch sie bedeutend eingeschränkt.“

Das Problem ist nicht die Bürokratie an sich, sondern ihre Ausdehnung und ihre Existenz in Lebensbereichen, in denen sie nichts zu suchen hat. Das sind die Grenzen der Wirksamkeit des Staates, die Wilhelm von Humboldt skizzierte. Die Bürokratie neigt dazu, sich auszuweiten und zu verfestigen (Wagnersches Gesetz der zunehmenden Staatstätigkeit). Für den Ökonomen und Sozialphilosophen Anthony de Jasay ist der Zweck des Staates sogar der Staat selbst. Der Formalismus der Bürokratie wird zum Selbstzweck und tritt an die Stelle konstruktiver Problemlösungen. Das ist der Primat des Formalen und das Gegenteil von Unternehmertum. Die Auswüchse der Corona-Politik sind nur ein gruseliges Beispiel.

Was heute viele Menschen beklagen, wenn sie über Missstände der Politik und Bürokratie und deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft sprechen, sind lediglich die Symptome eines tieferliegenden Defizits. Tatsächlich leiden die Bürger und Unternehmen unter dem unfreiwilligen Verlust ihrer Handlungs- und Kooperationsfreiheit.


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