Eine Bürokratenidee, wie sie im Buche steht: Vom Kaiser neu verordnete Kleider
Kabinettsbeschluss zum „Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz“
von Christian Paulwitz drucken
Zu den hartnäckigsten, obwohl unzählige Male widerlegten Mythen der Politik gehört die Vorstellung, sie könne ihre bürokratisch organisierten Zwangssysteme durch immer neu geschaffene Regelsetzungen zu einem ergebnisorientierten Nutzen verbessern. Eine solche Erwartungshaltung scheint immer noch weit verbreitet zu sein, gestärkt dadurch, dass der lächerliche Anspruch auch medial nicht einmal im Ansatz in Frage gestellt wird. Jeder tut irgendwie so, als wären Gesetzentwürfe, die dank fehlender Gewaltenteilung zur Regierungstätigkeit gehören und in den Ministerien erstellt, bevor sie vom Parlament, das die Regierung trägt, abgenickt werden, in ihren formulierten Ansinnen nicht komplett lächerlich und absurd, sondern irgendwie im Wortsinne ernst zu nehmen, und nicht nur der Schaden, den sie vorhersehbar anrichten werden.
So hat letzte Woche der verwirrte Mann im Bundesgesundheitsministerium die neue Idee der Bundesregierung zur Bürokratieausweitung vorgestellt, das sogenannte „Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz“. In der Propagandameldung der Regierung heißt es dazu, das Gesetz schaffe die Grundlage für die Veröffentlichung eines interaktiven Krankenhaus-Atlas im Internet – passenderweise zum ersten April des nächsten Jahres –, der übersichtlich darstelle, welche Klinik welche Leistungen mit welcher Qualität anbiete. So können Sie sich, liebe Leser, bequem bei einem Tässchen Kaffee oder einem kühlen Bier zu Hause über das Internet informieren, für welche Akutbehandlungen und Therapien die Krankenhäuser ihrer Umgebung oder in den besten Panoramalagen in einschlägigen Urlaubsgebieten sich am kompetentesten halten und ihren Behandlungsbedarf durch geeignete Krankheiten oder Unfälle darauf abstimmen. Festgestellt wird die Kompetenz über Selbst-Meldungen der einzelnen Krankenhäuser an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus („Inek“), das wiederum Daten und Auswertungen an das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen („Qitig“) zur Aufbereitung an das Verzeichnis liefert (systematische Meldungen, meist jedoch über Dritte, findet diese Regierung ja überhaupt so großartig wie keine andere vor ihr seit dem Fall der Mauer).
Großartig, welche Bürokratiestellen hier wieder neu geschaffen, aber auch Kräfte in den Krankenhäusern gebunden werden, um die Daten zu liefern, die natürlich zweckmäßig vorbereitet werden müssen. Wir erinnern uns ja noch alle daran, wie während der sogenannten Pandemie sich Krankenhausbürokraten damit beschäftigt haben, leere Patientenbetten virtuell oder auch physisch in Besenkammern und Lagerräume zu schieben, um höhere Auslastungen melden zu können, die wiederum Zusatzzahlungen aus dem politischen Verteilungstopf zur Folge hatten. Es ist ja nicht so, dass die Ersetzung jeglicher Marktsignale durch bürokratische Steuerungsmechanismen zur Folge hätte, dass die Akteure nicht mehr die Erreichung ihrer individuellen, also auf Gewinn ausgerichteten Ziele anstreben würden. Sie orientieren sich nur nicht mehr an den unterdrückten Marktsignalen zur bedarfsgerechten Ressourcenallokation, sondern an der Befriedigung des bürokratischen Apparats, für den die Ressourcen vorzugsweise aufgewendet werden, da dieser über die Mittelverteilung herrscht. Wenn Zahlen für vorgehaltenes Personal oder Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe gemeldet werden sollen, so gibt es das natürlich nicht aufwandsfrei und einfach so, sondern es müssen sich Menschen um Bewertung und Zuordnung mindestens bei interpretationsfähigen Anlässen kümmern, da diese Zahlen ja unter Umständen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben könnten.
Schließlich wollen ja am Ende alle mit einer „Eins“ bewertet worden sein; das ist nicht zuletzt auch im Interesse des Ministers, der sich dann auf die Schulter klopfen kann, wie großartig die Krankenhäuser unter seiner ministeriellen Leitung sind. Kommt dann nach einer gewissen Zeit ein Pressebericht über einen Missstand aus einem bestbewerteten Krankenhaus, dann kann der Minister wieder seinen Apparat in den Vordergrund stellen, der sich der Sache annehmen und nachjustieren wird. So wird wieder ein bisschen mehr Bürokratie draufgesattelt, die Abfragen werden etwas verändert und angepasst, Kontrolleure beauftragt, um nach einiger Zeit die Realität wieder anzupassen, die sich nicht etwa aus dem ergibt, was geschieht und von den Personen im System erlebt und wahrgenommen wird, sondern aus dem, was dokumentiert ist. So wird alles gut in der neuen technokratischen Normalität.
Freilich gibt es das nicht ohne Kollateraleffekte; die Schaffung zusätzlichen bürokratischen Aufwands führt zur Mittelumleitung, tendenziell also weg aus dem medizinischen Bereich, wo der Kosten- und Knappheitsdruck erhöht wird, hinein in den bürokratischen Sektor. Um das als einzelnes Krankenhaus stemmen zu können, braucht man eine gewisse Größe, damit der Bürokratieaufwand pro Patient in einem Rahmen gehalten werden kann, der noch tragfähig ist. Kleinere, lokal verwurzelte und womöglich noch auf Patienten ausgerichtete Krankenhäuser verschwinden zugunsten der wachsenden großen und leichter nach zentralen Vorgaben zu lenkenden Einheiten. Universitätskliniken dürften zu den Lieblingen der Politik zählen, da sie sich mit ihnen als „Wissenschaftsstandort“ präsentieren kann. Dass die Politik mit der Pharmaindustrie im Bunde ganz gerne auch ein bisschen Großversuche machen lässt, wissen wir spätestens seit den „Impf“-Kampagnen. Deutschland soll schließlich ein attraktiver Forschungsstandort sein. Knappes und durch den Zwang zur Bürokratiebefriedigung vom Patienten weggelenktes Personal ist schon lange eine systemische Begleiterscheinung. Nach den Erpressungsbemühungen der Politik, die das Krankenhauspersonal als staatliches Eigentum betrachtet, das seine Körper gefälligst für Injektionsexperimente zur Verfügung zu stellen habe, scheint die berufliche Attraktivität der Branche nicht unbedingt größer geworden zu sein; aber wer hätte das auch ahnen können?
Anders als die nicht ganz so transparenten Regierungsaktivitäten hinsichtlich der Vertragsbeziehungen mit Impfstofflieferanten, den Haftungsregelungen, der Auswertungen der nicht ganz so eifrig und gezielt erhobenen Daten zu Impfnebenwirkungen, der (fehlenden) Qualitätskontrollen und vieler anderer Aspekte des pharmaindustriellen-politischen Komplexes ist dieses Gesetzesvorhaben immerhin so transparent wie des Kaisers neue Kleider aus dem gleichnamigen Märchen: Man sieht die nackte, hässliche und nutzlose Bürokratie und die Verschärfung der Knappheiten durch fehlgelenkte Ressourcen. Wohl dem, der im Falle eines Krankenhaushaltes verwandtschaftlich unterstützt wird; dass mitunter das Personal und die Zeit fehlt, um Patienten, sofern notwendig, beim Essen zu unterstützen, ist bereits heute vielfach Realität, wie man gelegentlich mitbekommt. Und Beziehungen zur Selbstversorgung mögen mitunter erst eine vitamin- und eiweißreiche Kost zur Wiederherstellung der Kräfte ermöglichen anstelle der billigen Kohlenhydrate der Krankenhauskost mit CO2-minimiertem Fußabdruck. Der Laie wird solche Umstände aus einem abstrakten Personalschlüssel, der als Kennzahl in irgendeinem Internetportal berichtet wird, kaum ablesen können, noch wird er sich diese Mühe machen, wenn er akut ein Krankenhaus aufsuchen muss. Er wird der Empfehlung des Hausarztes in der Regel folgen und – je nach Diagnose – froh sein können, einen Platz im Knappheitssystem zu bekommen.
Quelle:
Bundeskabinett beschließt Krankenhaustransparenzgesetz
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