20. September 2023 08:00

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (ÖRR) Kriegsfernsehen

Warum die Wurzeln des Staatsfunks im Krieg liegen und wie er enden wird

von Oliver Gorus

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Bildquelle: Deutsches Bundesarchiv / Wikimedia Mischraum der Deutschen Wochenschau im Jahr 1941: Hier erhielt die (Kriegs-) Propaganda ihren letzten Schliff

Wenn Sie sich heute manchmal fragen, warum sich das deutsche Fernsehen manchmal so merkwürdig anfühlt, als ob es im Krieg wäre, in einem immer währenden Kulturkrieg, in dem linienuntreue Leute in Talkshows fertiggemacht werden, in dem vermeintliche Satiriker Lügen über missliebige Personen in die Welt setzen, in dem täglich geframt, gelogen, gebogen, gehetzt, zersetzt, verschwiegen, übertrieben, ideologisiert, indoktriniert und Panikmache betrieben wird – eben wie im Krieg –, dann könnte das daran liegen, dass das deutsche Fernsehen seinen Ursprung tatsächlich genau dort hat: im Krieg.

Messters Kriegsgeschäft

Im Ersten Weltkrieg, genauer gesagt. Der Urahn des deutschen Fernsehens war die Messter-Wochenschau. Der deutsche Filmpionier Oskar Messter aus Berlin war ein genialer Optiker und Mechaniker. Ihm gelang die Konstruktion der ersten kinotauglichen Filmprojektoren. Als findiger Geschäftsmann gründete er 1896 auch gleich die ersten deutschen Kinos Unter den Linden und in der Friedrichstraße in Berlin, indem er Theatersäle übernahm und diese zu Kinos umgestaltete. Bald kombinierte er die Filmprojektion mit einem synchronisiert ablaufenden Grammophon und führte 1903 die ersten Tonbildaufnahmen auf.

Das Medium benötigte Content, würden wir heute sagen – jedenfalls produzierte Messter Hunderte von Filmen für seine Kinos kurzerhand selber. 1914 war Oskar Messter der unumschränkte König des Films.

Dann brach der Krieg aus. Messter machte sich nützlich mit dem, was er am besten konnte: Er wurde Leutnant der Presseabteilung des Generalstabs und produzierte in dieser Position die erste deutsche Wochenschau für die Kinos. Das war die Geburtsstunde des deutschen Staatsfernsehens, das nach einigen Verwandlungen noch heute existiert.

Heute heißt das „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ – dessen Lebenslüge war in seiner Geburtsstunde bereits angelegt: Offiziell dokumentierte die Messter-Wochenschau wahrheitsgemäß und neutral das Kriegsgeschehen für das Volk. In Wahrheit aber war Messters Metier natürlich die Kriegspropaganda. 1916 veröffentlichte er eine programmatische Schrift „Film als politisches Werbemittel“ und argumentierte darin, dass es legitim sei, das Volk mit Propaganda zu manipulieren, weil die Kriegsgegner ja ihrerseits deutschfeindliche Filme produzierten.

Der damalige Gouverneur von Kalifornien, Hiram Johnson, traf den Nagel auf den Kopf, als er sagte: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“

Goebbels Show

Pünktlich zu Kriegsende verkaufte Messter seine Unternehmen an die neu gegründete UFA, in der er später Aufsichtsratsmitglied wurde. Wie gesagt, er war ein cleverer Geschäftsmann.

In den Goldenen Zwanzigern wandten sich die Wochenschauen auch unterhaltenden Inhalten zu, das Format hatte sich aber etabliert und gehörte zum Alltag dazu. Sie bildeten zusammen mit den Zeitungen und den Radiosendern die Öffentlichkeit in der Massengesellschaft – eine Konstellation, die im Prinzip bis zum 9. Januar 2007 so erhalten blieb und die sich erst mit der Präsentation des iPhone durch Steve Jobs grundlegend veränderte. Seitdem das Internet überall und direkt durch das Smartphone erreichbar ist, sind die Social Media die primäre Öffentlichkeit, die nicht mehr von Politikern kontrolliert werden kann und an denen sich auch die anderen Medien orientieren müssen.

In den Zwanziger- und Dreißigerjahren gab es ein Zeitfenster zwischen den Kriegen, als der Staat die Medien ebenfalls nicht so ganz im Griff hatte. Da gab es vier Wochenschauen, die um die Aufmerksamkeit des Publikums miteinander in Wettbewerb standen. Alle vier wurden von privatwirtschaftlichen Firmen produziert.

Dann überfielen die Nationalsozialisten Polen, der Zweite Weltkrieg brach los, Propagandaminister Goebbels schaltete die vier Wochenschauen gleich und ließ „seine“ neue Wochenschau von der UFA produzieren.

Unter Goebbels wurden die nüchternen Kriegsberichte stark emotionalisiert, es wurde durch gekonnte Schnitttechnik, dick auftragende Sprecher und begleitende dramatische Musik eine richtige Show abgeliefert, vermischt mit ebenso ästhetisierten Nachrichten aus Politik, Sport und Kultur. Die Wochenschau zog die Menschen in ihren Bann und beeindruckte jede Woche mehr als 20 Millionen Zuschauer – also etwa doppelt so viele wie ihr heutiger Nachfolger „Tagesschau“.

Damit die Herrscher ihr Ding machen können, muss das Volk eben auf Linie gebracht werden. Messters Pionierleistung wurde von den Nationalsozialisten mit erheblichem Aufwand noch mal auf ein ganz neues Niveau gehoben. Die Standardwerke „Psychologie der Massen“ von Gustave Le Bon von 1911 und „Propaganda“ von Edward Bernays von 1928 wurden offensichtlich im Palais Blücher am Pariser Platz und in Babelsberg fleißig gelesen.

Adenauers Glotze

Die Bombardierungen waren vorbei, der Krieg war verloren, das Land lag in Trümmern und die Wochenschau lief weiter. Nach dem Krieg gab es in vielen deutschen Städten Kinos, in denen die Wochenschau den ganzen Tag über lief und in denen sich das Publikum informieren konnte, wann immer es Zeit fand – ganz ähnlich wie beim Radio. Die Shows behielten ihren pathetischen, emotionalisierenden Charakter, den die Nachrichtenmacher unter Goebbels gelernt hatten. Und noch eine andere Kontinuität gab es: Die Wochenschau war staatlich. Und sie blieb es auch nach Gründung der Bundesrepublik.

Adenauer nutzte die Wochenschauen ganz gezielt, um Stimmung im Volk zu machen, seine Regierungsarbeit gut zu verkaufen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Werbung für sich zu machen.

Die Struktur der Sendungen ähnelte immer mehr der heutigen Tagesschau beziehungsweise den Tagesthemen: zehn bis zwölf kurze oberflächliche Nachrichten mit Bildbeiträgen, direkt hintereinander, ohne Tiefgang, dafür mit volkspädagogischem Framing – betreutes Denken eben.

Gegen Ende der Fünfzigerjahre verlagerte sich das Geschehen mehr und mehr in die Wohnzimmer auf die Bildschirme der Fernsehgeräte, die sich im Volk immer mehr verbreiteten und die das Kino als Informationsraum nach und nach ablösten. ARD und etwas später ZDF wurden gegründet, um zwar gemäß dem Wunsch der Alliierten keinen offen staatlichen Rundfunk zu etablieren, aber durch die Hintertür der rechtlichen und organisatorischen Strukturen eben doch den Politikern alle Macht über die Sender zu erhalten. Darum hat der ÖRR heute so eine merkwürdige ungeklärte Zwitterstellung zwischen dem Eigentum der Bürger und dem Eigentum der Politiker.

Das Medium der Wochenschau entwickelte sich dabei aber einfach nur weiter: im Westen in die Tagesschau, im Osten in die Aktuelle Kamera.

Zwar kamen Mitte der Achtzigerjahre einige Privatsender hinzu, aber die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF blieben marktbeherrschend. Die Tagesschau um 20 Uhr hat heute einen Marktanteil im TV von etwa 40 Prozent beziehungsweise elf Millionen Zuschauern und ist damit die mit Abstand reichweitenstärkste und einflussreichste Nachrichtensendung im Fernsehen.

Was kein Wunder ist, da die Sender im Gegensatz zur privaten Konkurrenz im Geld schwammen und schwimmen, im Geld, das durch den Zwangsbeitrag von den Politikern in beinahe beliebiger Höhe eingetrieben werden kann. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht durch seine Entstehungsgeschichte, seine Finanzierung und sein einseitiges Programm in der direkten Tradition der Messter-Wochenschau aus dem Ersten Weltkrieg und der Goebbelsschen Wochenschau aus dem Zweiten Weltkrieg. Und diese kriegerischen Wurzeln sind zumindest für den aufmerksamen Rezipienten sehr deutlich spürbar.

Und wie geht es weiter?

Wem gehört der ÖRR?

Im Grunde gibt es früher oder später nur zwei Möglichkeiten – und die hängen davon ab, wem der ÖRR eigentlich gehört. Entweder ist der ÖRR, entgegen den Beteuerungen der Politiker und der Fernsehintendanten, Eigentum der Politiker. Oder es ist tatsächlich so, dass der ÖRR den Bürgern gehört.

Im ersten Fall wäre der ÖRR also tatsächlich wie in der meisten Zeit seiner Geschichte seit 1914 Staats- und Propagandamedium, ein Instrument der Politiker zur Meinungsmache, die den ÖRR als PR-Abteilung nutzen und die Bürger zwingen, ihre tägliche Gehirnwäsche auch noch zu bezahlen.

Indiz dafür, dass der ÖRR Eigentum der Politiker ist, ist unter anderem die Tatsache, dass die Parteispitzen der Regierungsparteien in Bund und Ländern über die Finanzierung, das Spitzenpersonal und die Regulierung des ÖRR entscheiden – natürlich ganz in ihrem eigenen Sinne.

In diesem Falle wäre der ÖRR ganz und gar „politisches Werbemittel“, so wie es von Messter und Goebbels ersonnen worden ist. Wenn das so wäre, dann müssten wir Bürger den ÖRR niederreißen, damit wir nicht mit ihm wieder und wieder ins Verderben geführt werden. Er wäre das Kennzeichen eines Unrechtsstaats, der nicht der freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDGO) entspricht, sondern den Bürgern feindlich gesonnen ist und sich über ihn, den Souverän, erhebt und sich anmaßt, das Volk zu belehren. In diesem Fall hätten die Deutschen die ethisch-moralische Pflicht und gemäß Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes auch das Recht zum Widerstand.

Im zweiten Fall würde der ÖRR den Bürgern gehören. Indiz dafür ist, dass sie ihn vollumfänglich bezahlt haben, wenn auch nicht freiwillig.

In dem Fall würde mich interessieren: Wo sind meine Aktien oder sonstigen Vermögensanteile? Und was sind sie wert? Ich wurde dann zwar zum Eigentum gezwungen, was reichlich merkwürdig ist, aber wenn es nun schon so ist: Was habe ich für mein Geld bekommen? Wo ist mein Eigentumstitel, auf dem ich es nachschauen kann?

Wenn der Staatsfunk den Bürgern, also anteilig auch mir, gehört, dann möchte ich nämlich meinen Anteil gerne verkaufen, und da ich diesen volkspädagogischen Kulturkampfmüll sowieso nicht konsumiere, möchte ich mit dieser Kriegswaffe auch nicht weiter behelligt werden. Das Mittelstrahl-TV ist heute nämlich für dei Information und Unterhaltung der Menschen komplett überflüssig, es gibt ja jetzt das Internet.

Andere, mehr an der Fortführung der Sender interessierte Eigentümer werden vielleicht in der Aktionärsversammlung durchsetzen wollen, dass die mafiöse Finanzierung durch Schutzgelderpressung aufhört, der ÖRR ein freundlicheres Image bekommt, überflüssige Mitarbeiter und Abteilungen (Rundfunkorchester, Chöre!) geschlossen beziehungsweise entlassen werden und vernünftige Gehälter ohne Massagesessel bezahlt werden. Und natürlich, dass ein attraktives Programm für alle Bevölkerungsgruppen gemacht wird, auch für Ungeimpfte, Massenmigrationsaverse, Kriegsgegner und Klimakrisenskeptiker.

Doch als Allererstes wäre dafür die unabdingbare Voraussetzung: Gebt uns unsere Aktien! Oder es gilt der erste Fall.

Früher oder später werden wir einen der beiden Wege friedlich beschreiten – so oder so, denn das Kriegsgeschöpf ÖRR muss weg. Meine Frage an die Häuptlinge lautet: Na, Herr Gniffke, Herr Himmler, welche der beiden Varianten bevorzugen Sie?


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