24. September 2023 08:00

Freiheitsespresso VI Soziale Ungerechtigkeit

Scharfsinnige Konter und sanftmütiges Aufbauspiel

von Michael von Prollius (Beendet)

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Bildquelle: yusufdemirci / Shutterstock La Fontaines Fabel von der fleißigen Ameise und der sorglosen Grille: Wurde von Thomas Sowell in Bezug auf unsere woke Welt etwas erweitert …

Freiheitsfreunde tun sich schwer mit sozialer Gerechtigkeit. Das gilt nicht nur für das sinnentleerte Wieselwort im hayekschen Sinne, sondern auch argumentativ. Vernunft versus Emotionen. Attacke und Besser-Wissen versus moralische Siege. Das ging schon den großen Denkern so. Hayek schrieb fast ein ganzes Buch darüber. Und liberalen Nachkommen. Dagmar Schulze Heuling schrieb ein Buch und begründete klug ihr „Lob der Ungleichheit“ (Edition Forum Freie Gesellschaft). Ich habe 30 Seiten für eine Studie beim Liberalen Institut aufgewandt, die soziale Gerechtigkeit auf den Prüfstand stellt. Geistige Grundlagenarbeit kann als Steinbruch dienen, um daraus in die alltägliche Auseinandersetzung zu gehen. Die darf dann griffiger sein. Zugleich wäre es hilfreich, über mehr als nur eine Taktik zu verfügen.

Zur Spielgeschichte: Unmittelbar nach Piketty hieß es von Liberalen, auch Freiheitsfreunde würden nicht umhinkommen, sich konstruktiv mit sozialer Gerechtigkeit zu befassen. Nun scheint das Thema blitzartig in sich zusammengefallen zu sein. Von sozialer Gerechtigkeit ist seit Jahren nicht mehr die Rede. Problem gelöst? Nein. Seit 2.500 Jahren ist Gerechtigkeit ein Thema, das die Menschen tief bewegt und auch als Verteilung von Rechten und Ressourcen betrachtet wird.

Freiheitsfreunde sollten sich nicht eine fremde Agenda aufdrängen lassen. Vielmehr gilt es, selbst Agenda Setting zu betreiben. Die beste Verteidigung kann der Angriff sein. Nur wenige Mannschaften haben dauerhaft erfolgreichen Konterfußball gespielt. Was tun? Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit adressieren.

Wie haben das die Großen getan? Zwei Beispiele. Milton Friedman. „Spiegel“-Interview. Oktober 2000: „Aber in den USA sind die schlimmsten Ungerechtigkeiten Ergebnis der Regierung, nicht der Wirtschaft. Es ist eine Schande, in welch miserablem Zustand sich unser Bildungssystem befindet, nur weil der Staat ein Monopol darauf hat. Wenn Sie dies stärker privatisieren würden, hätten Sie weitaus weniger Ungerechtigkeit. Dann würde die Ressource Bildung viel gleichmäßiger verteilt.“ Bereits 1980 hatte Friedman in „Free To Choose“ ein Millionenpublikum mit ungehörten Freiheitseinsichten konfrontiert.

Thomas Sowell. Eine Fabel aus seinem Reader. Umgeschrieben. Genauer eine Fortsetzung. Darin schuftet die Ameise George den ganzen Sommer und legt Vorräte an, während ein Grashüpfer sorglos das Leben genoss. Als der Winter kam, wurde der Grashüpfer hungrig und bat die Ameise um Essen. Die beschwerte sich bei einer anderen Ameise namens Lefty. Doch Lefty stand voll aufseiten des Grashüpfers, meinte, man dürfe seine Lebensweise nicht kritisieren. Das sei kulturelle Aneignung. Außerdem gebe es große Vorratslager bei der Regierung, für die er zum Entsetzen von George arbeitete. Lefty gewann die Debatte und die Gesellschaft für sich. Als die ältere Generation von Ameisen abtrat, führten immer mehr Ameisen das Leben der sorglosen Grashüpfer. Sie lebten glücklich, den ganzen Sommer lang. Dann kam der Winter.

Eine fordernde und lohnende Aufgabe ist es, Märchen und Geschichten fort- und umzuschreiben. Die Tuttle-Zwillinge sind ein Beispiel, Marie Winn – Was gibst du mir für meinen Fisch? – ist ein zweites. Freiheitsfreunde dürfen sich dem stärker widmen. So wie die Geschichtsauffassungen unsere Sicht auf Politik und Gesellschaft heute prägen, so prägen Märchen Mentalitäten. Was wäre, wenn Sterntaler in einem Unternehmen für Bekleidung ein bezahltes Praktikum macht, Hänsel und Gretel Haribo gründen und nicht nur Hexen jagen? Soziales Unternehmertum. Frohe Botschaften.

Dann ist da noch die dunkle Seite der staatlichen sozialen Gerechtigkeit: die soziale Ungerechtigkeit. Die Ergebnisse der Politik der letzten Jahre sind sozial ungerecht. Null- und Negativzinspolitik, nun Inflation haben für viele Menschen die Verbesserung ihres Lebens aus eigener Kraft und durch Sparen unmöglich gemacht. Die untere Mittelschicht ist der Verlierer. Die Corona-Politik hat nicht den öffentlichen Dienst getroffen, sondern die kleinen Selbständigen, die Frau in ihrem Blumenladen. Immigrationspolitik und Bürgergeld schüren das Gefühl der Ungleichbehandlung und der komfortablen Fütterung, leistungslos. Die Quasi-Verstaatlichung des Gesundheitswesens mit umfassender Lizensierung, Budgetierung, Preisfestsetzung, mit Ärzte- und gleichzeitigem Studienplatzmangel macht Gesundheit zu einem exklusiven Gut. Wohl dem, der sich privat versichern kann. Schlecht für alle anderen. Wie nennt man die Folgen dieser Politik, die bereits im Vorhinein feststehen? Vielleicht asozial, antisozial. Liberal geht es uns Menschen besser, fühlen wir uns besser, sind wir nicht ausgeliefert, sondern können uns und anderen helfen.

Ein Steilpass von Milton Friedman noch einmal aus dem Jahr 2000: „Der einzige Weg, den Staat effizienter zu machen, ist, ihn zu verkleinern. Ein großer Staatsapparat wird unweigerlich korrupt, weil es überall Beamte gibt, die über die Vergabe von Millionen und Abermillionen zu entscheiden haben. Das sehen sie ja besonders in Deutschland.“

Wir dürfen den scharfsinnigen Konter um etwas sanftmütige Zuwendung zu den politisch indoktrinierten Menschen ergänzen. Peppige Botschaften für die junge Generation kommen hinzu, damit sich deren Freiheit erheben kann. Liberale können die Welt wieder sozialer und gerechter machen.


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