Gestahlfedert: Unfreiheits-Funk: Libertäre böse böse böse!
Eine öffentlich-rechtliche Märchenstunde über den Libertarismus
von Michael Werner
Kennen Sie „Funk“? Wenn Sie jetzt an die großartige Musik von James Brown oder Prince denken, dann können Sie sich glücklich schätzen, bisher dem Grauen noch nicht ins Auge geschaut zu haben. Doch Ihre schöne, unbeschwerte Zeit endet leider just in diesem Moment, da Sie sich leichtsinnigerweise entschieden haben, diese Kolumne zu lesen. Wobei es allerdings mehr als angebracht ist, dass Sie etwas, das Sie bereits seit fast auf den Tag sieben Jahren großzügig finanziell unterstützen, nun endlich auch mal etwas näher kennenlernen. Erleben Sie Ihr Geld bei der „Arbeit!“
„Funk“ ist ein deutsches Online-Content-Netzwerk von ARD und ZDF, das sich insbesondere an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren richtet, die längst kein reguläres Fernsehen mehr gucken und daher für die zwangsgebührenfinanzierte Staatspropagandaschleuder kaum oder gar nicht erreichbar sind. Um auch deren Gehirne nicht ungewaschen davonkommen zu lassen, hält „Funk“ sich dank eines bescheidenen Jahres-Etats von läppischen 45 Millionen Euro Ihres sauer verdienten Geldes einen ganzen Stall voller hoffnungsvoller Nachwuchs-Sprechpuppen im Alter der Zielgruppe, die dann vor laufender Kamera die erwünschten Narrative der herrschenden Ideologie aufsagen dürfen. Die fertigen Filmchen, die so illustre Titel tragen wie „Morbus Crohn – Ich kacke in einen Beutel!“, „trans*-Elternschaft – Brix, welche Hürden gibt es?“ oder „Aufgewachsen in einer polyamoren Familie“, sind passend zurechtgeschnitten für populäre Onlineportale wie zum Beispiel Youtube, wo dann alle Protagonisten ihren eigenen Sub-Kanal damit zumüllen. Einer dieser Kanäle, seit der ersten Stunde mit dabei, heißt „Die Da Oben!“, gibt vor, sich mit politischen Themen zu befassen, und hat trotz der üppigen finanziellen Ausstattung und massiver PR-technischer Schützenhilfe in sieben Jahren gerade mal eine Viertelmillion Abonnenten gewinnen können.
Nun, da Sie jetzt ungefähr wissen, was „Funk“ ist, geht’s gleich ans Eingemachte: Besagter Kanal „Die Da Oben!“ veröffentlichte am 18. September auf Youtube ein knapp zwanzigminütiges Video mit dem Titel „Das wollen Libertäre“ – da konnte ich natürlich nicht widerstehen und wollte herausfinden, ob diese Bananenbieger wirklich wissen, was Libertäre wollen, oder ob sie es in Wahrheit gar nicht so genau wissen wollen.
Als kleinen Service für die Eiligen und diejenigen unter Ihnen, die nicht mit Details belästigt werden wollen, das Fazit vorab, damit Sie den Rest nicht mehr lesen brauchen:
Die Ersteller dieses öffentlich-rechtlichen Beitrags werden in weiten Teilen den Maßgaben des für sie bindenden Rundfunkstaatsvertrags zur seriösen, ausgewogenen, objektiven, unparteilichen und neutralen Berichterstattung unter Einbeziehung der journalistischen Sorgfalts- und Wahrheitspflichten nicht gerecht.
An dieser Stelle kann ich Ihre Überraschung förmlich spüren. Geben Sie es zu, das hat Sie jetzt eiskalt erwischt, nicht wahr? Wer hätte denn auch mit sowas rechnen können! Dass ein öffentlich-rechtlicher Beitrag den Eindruck erweckt, als hätte sich die Redaktion kurz zuvor mit dem Rundfunkstaatsvertrag kollektiv den Allerwertesten abgewischt, hat Ihre Vorstellungskraft soeben schier gesprengt, zumal so etwas bei ARD oder ZDF bisher ja auch noch nie vorgekommen ist, richtig?
Ernst beiseite, kommen wir endlich zu den schmutzigen Details. Wer meine folgenden Ausführungen noch näher an der Realität – quasi live, in Farbe, mitsamt Geruch und Geschmack, und vor allem mit viel Gefühl – genießen möchte, dem empfehle ich, sich vor dem Lesen zunächst einmal das Video (letzter Link unten) anzuschauen, dann flasht mein Text noch viel härter, das verspreche ich Ihnen!
Die junge Dame, die als Moderatorin durchs Video führt, hört auf den Namen Victoria Reichelt und trägt die Berufsbezeichnung „Journalistin“, dürfte aber wohl eher nicht mit dem gleichnamigen Julian gleicher Profession verwandt sein. Sie macht einen recht sympathischen Eindruck und „kommt gut rüber“, wie man das im Mediensprech nennt. Problematisch wird es allerdings, wenn sie – in Tateinheit mit debil-infantilem Getue – in ihrem mit Jugendsprache und Anglizismen aufgepimpten Sonderpädagogen-Duktus drauflosplaudert. Für rechts der „Bell Curve“ angesiedelte Zuhörer kann das Gesamtpaket zu einer ernsthaften neuralen Herausforderung werden. Dabei hat die Dame Wirtschaftskommunikation studiert und sollte daher eigentlich auch normal reden können, weshalb ich davon ausgehe, dass es sich bei ihrem Habitus lediglich um eine überambitionierte, aufgesetzte Show handelt, die der „Credibility“ bei der anvisierten Zielgruppe geschuldet ist – und damit wäre auch schon alles darüber gesagt, für wie deppert der Staatsfunk junge Menschen hält.
Dass nur über Libertäre gesprochen wurde, aber nicht mit ihnen, betrachte ich als das größte Manko der Sendung. Wäre ein Libertärer eingeladen worden, der dort seine Standpunkte samt Begründung im O-Ton vorgetragen und dann auch gern zur kritischen Diskussion gestellt hätte, wäre das Video sowohl informativer als auch unterhaltsamer geworden, und es hätte seriöser und ausgewogener gewirkt.
Stellvertretend für den „vergessenen“ Libertären wird der Libertarismus in dem Beitrag stattdessen von der Moderatorin selbst dargestellt – also von einer Frau, die von Zwangsgebühren bezahlt wird und damit indirekt auf der Gehaltsliste des Staates steht, weshalb sie ihren Job als „Advocatus Diaboli“ für die „Staatsfeinde“ verständlicherweise mit stark angezogener Handbremse ausübt. Dazu wurden dann kritische Statements des renommierten Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Karsten Fischer eingeblendet. Der Mann steht direkt auf der Gehaltsliste des Staates und ist höchstwahrscheinlich sogar verbeamtet, was ihn zu besonderer Loyalität gegenüber dem Staat verpflichten würde. In Artikel fünf Satz drei des Grundgesetzes steht zudem explizit: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Ich kann dem Professor daher unter der Prämisse, dass er ein Vertreter der existierenden Ordnung ist und diese zu verteidigen hat, nicht übelnehmen, dass er sich nicht dahin stellt und die Standpunkte derer, die das staatliche Bildungssystem – und damit auch seine Planstelle in ihrer bisherigen Form – durch ein marktwirtschaftliches ersetzen wollen, in so schillernden Farben vertritt, dass er damit am Ende noch neue Fans generiert, denn das könnte ihn den Job kosten. Das wäre die Aufgabe eines Libertären gewesen, und der Professor hätte dann mit ihm eine kontroverse Diskussion auf höchstem Niveau führen können. Sowas will ich sehen für die 18,36 Euro im Monat!
Nach einer kurzen Einleitung kündigt Frau Reichelt an, zunächst die „Basics“ des Libertarismus zu erklären, um dann einen „Deep Dive“ in die libertäre Gedankenwelt zu unternehmen. Leider bleibt es bei der Ankündigung, denn tatsächlich findet weder das eine noch das andere auch nur ansatzweise statt: Das Nicht-Aggressions-Prinzip“ (NAP), also die strikte Ablehnung jedweder initiierenden Gewalt, und damit das (!) „Basic“ des Libertarismus schlechthin, wird mit keinem Wort erwähnt. Ebenso kein Wort über die Österreichische Schule der Nationalökonomie, also die Wirtschaftslehre, die bisher immer richtig lag und auf der der Libertarismus fußt, oder gar über ihre wegweisenden Vordenker wie beispielsweise Ludwig von Mises, Friedrich-August von Hayek, Murray Rothbard oder Hans-Hermann Hoppe. Erst recht kein Wort zur Praxeologie, der Lehre des menschlichen Handelns. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er all das wunderbar erklären können, doch leider war das nicht so.
Es gibt also keinerlei „Basics“. Erst recht keinen „Deep Dive“. Statt des ideengeschichtlichen Fundaments werden effekthascherisch völlig unbedeutende Randpositionen erwähnt, die sich zuvorderst als Aufreger eignen, wie beispielsweise der „Verkauf der eigenen Organe“ oder das laut Max Stirner angeblich existierende „Recht, nach Lust und Laune zu morden“, das jedoch im eklatanten Widerspruch zum Nicht-Aggressions-Prinzip und damit zum Fundament des Libertarismus steht. Dank dieser entscheidenden Weglassung passt es nur zu gut, direkt danach die Karte mit dem Waffenrecht zu ziehen, um dem Publikum zu suggerieren, Libertäre seien wahllos herumballernde, potentielle Amokschützen und damit gemeingefährlich, obwohl das glatte Gegenteil der Fall ist. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er all das wunderbar erklären können, doch leider war das nicht so.
Bereits bei der Auswahl der „Protagonisten“ war man unseriös und manipulativ: Karl Ess und Claudia Obert, die einem sowohl im Video als auch in der Videobeschreibung als typische Repräsentanten des Libertarismus oder gar libertäre „Gallionsfiguren“ suggeriert werden, spielen in der deutschen libertären Szene gar keine Rolle und finden dort überhaupt nicht statt. Kaum jemand kennt sie, man sieht sie auf keinem libertären Event, weder unter den Besuchern noch am Rednerpult, und beide haben niemals etwas zum Thema veröffentlicht, noch nicht einmal einen Gastbeitrag im führenden libertären Magazin „eigentümlich frei“. Könnte das vielleicht daran liegen, dass es sich bei diesen beiden Sockenpuppen gar nicht um echte Libertäre handelt? Lediglich Peter Thiel ist wegen seiner Investitionen in Privatstädte-Projekte einigen Insidern bekannt. Dahingegen ist ein äußerst aktiver und immens populärer Libertärer wie Dr. Markus Krall im Bericht gerade mal mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Halbsatz vertreten. Wobei man andererseits froh sein kann, dass es dabei blieb, ohne zum drölfzigsten Mal den Reichsbürger-Popanz aus dem Sack zu lassen, wodurch diese Räuberpistole auch nicht wahrer wird.
Stattdessen kam Karl Ess, der irreführenderweise als „libertäre Stimme auf Youtube“ bezeichnet wird, mit einem kurzen Videozitat zu Wort, worin er Steuern mit der Begründung ablehnt, die staatliche Finanzverwaltung verbrauche bereits viel zu viel der eingetriebenen Steuergelder und sei deshalb ineffizient. Das stimmt zwar, ist jedoch nur einer von vielen schädlichen Nebeneffekten der Besteuerung und nicht der eigentliche Grund, warum Libertäre Steuern ablehnen. Dass ein Unternehmer wie Karl Ess keine Lust hat, Steuern zu zahlen, macht ihn noch längst nicht zum Libertären, sonst wäre jeder Steuervermeider sowie jeder, der seine Putzfrau nicht angemeldet oder einem Fliesenleger für seine Dienste mal einen Hunni cash in die Hand gedrückt hat, um die Mehrwertsteuer zu sparen, auch automatisch ein Libertärer. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er all das wunderbar erklären können, doch leider war das nicht so.
In der Gesamtbetrachtung ist das Thema „Steuern“ überproportional gewichtet, ein erheblicher Teil des Videos handelt nur davon, dass Libertäre Steuern ablehnen und sogar als Raub (und folglich den Staat als kriminelle Vereinigung) betrachten. Das ist zwar zutreffend, aber nicht der Kern des Problems, sondern nur eine Auswirkung. Sicherlich erlauben sich viele Libertäre gerne den Spaß, einem Staatsanbeter ein schmackiges „Steuern sind Raub“ vor den Latz zu ballern, nur um endlich mal wieder den unter Schnappatmung herausgepressten Klassiker „Aber wer baut denn dann die Straßen?“ zu hören zu bekommen, wohlwissend, dass die Parole „Steuern sind Raub“ eine reine Provokation ist, die niemanden inhaltlich überzeugt, wenn ihr nicht eine ausführliche Erklärung folgt. Und die gab es im Film leider auch nicht: Wir bekommen zwar mehrfach zu hören, dass Libertäre Steuern ablehnen, jedoch wird diese Sichtweise an keiner Stelle auch nur ansatzweise begründet. Stattdessen dient die wiederholte Erwähnung der libertären Steuer-Allergie stets dem Zweck, die von ihr Befallenen als unsoziale, kaltherzige, egoistische, geldgierige Unmenschen darzustellen, die nur an sich und ihren Profit denken und denen es schnurzpiepegal ist, wenn um sie herum alle Armen, Alten und Schwachen auf der Straße verrecken. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er wunderbar erklären können, dass das glatte Gegenteil der Fall ist, doch leider war das nicht so.
Fairerweise muss man einräumen, dass in dem Zusammenhang wenigstens eine libertärer Grundüberzeugung korrekt angeführt wird, nämlich dass Libertäre alles privatisieren und dem freien Markt überlassen wollen, weil sie glauben, dass der Markt alle Bedürfnisse der Menschen am besten befriedigen kann, vor allem besser als der Staat. Diese Stelle war für mich das Highlight des Berichts, allerdings fehlt auch hier wieder eine wenigstens kurze, prägnante Erklärung, warum das so ist. Stattdessen wird das als die „reinste Form von Kapitalismus“ geframt, wohl wissend, wie negativ das K-Wort – zu Unrecht! – dank jahrzehntelanger sozialistischer Indoktrination bei den meisten Menschen konnotiert ist. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er all das wunderbar erklären können, doch leider war das nicht so.
Professor Fischer gibt zu bedenken, eine Privatrechtsgesellschaft sei undemokratisch, da es dort keinen Staat und somit keine Regierung gibt, also folglich auch keine demokratischen Wahlen. Das ist rein sachlich zutreffend, doch löst eine solche Aussage bei den meisten Menschen ein mulmiges Gefühl aus, und damit will ich ihm noch nicht einmal unterstellen, dass das seine Absicht war. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte dieser nun wunderbar erklären können, dass eine Privatrechtsgesellschaft wesentlich demokratischer ist als jeder demokratische Staat, denn in einem solchen wird lediglich durch Mehrheitsentscheid darüber abgestimmt, wer die nächsten vier Jahre weitgehend uneingeschränkt über das Leben, die Freiheit und das Eigentum aller Menschen bestimmen kann, ohne dass man sich dem entziehen kann, und vor allem, ohne dass der Gewählte für eventuelle Fehler persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann. In einer Privatrechtsgesellschaft hingegen bestimmen die Menschen durch freiwillige private Vertragsabschlüsse und Kaufentscheidungen quasi permanent darüber, welche Anbieter sich erfolgreich am Markt halten werden und welche verschwinden sollen. Leistet ein gewählter Anbieter nicht wie vereinbart oder gewünscht, haftet er für die Folgen seines Versagens, und der Kunde kann zu einem Mitbewerber wechseln, der besser leistet. Jeder hat also die Auswahl zwischen mehreren Anbietern und bekommt immer exakt das, was er gewählt hat. Das ist doch viel demokratischer als eine staatliche Demokratie, wo man zum einen nur dann wirklich das bekommt, was man tatsächlich gewählt hat, wenn man das Glück hatte, dass die Mehrheit zufällig dasselbe gewählt hat, und wo man zum anderen keine Chance hat, sich bei Nichtgefallen umzuentscheiden oder gar Regress einzufordern. Aber leider war da kein Libertärer, der das hätte erklären können.
Wirklich auf die Palme gebracht hat mich, dass auch dieser Bericht mal wieder nicht ohne den Lieblings-Totschläger des medialen Mainstreams auskommt, indem Anarchokapitalisten in einem Atemzug mit „Rechtsextremen“ genannt werden und damit im allgemeinen Verständnis in der braunen Schmuddel-Ecke verortet sind. Vielleicht war dieses gleichermaßen überstrapazierte wie voraussehbare Framing ja ein Grund, warum die bedeutenden libertären Vordenker Ludwig von Mises und Murray Rothbard vorsichtshalber unerwähnt blieben, denn zwei Juden hätten da empfindlich gestört. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er an der Stelle mal nachhaken können, doch leider war das nicht so.
Doch statt mich zu ärgern, habe ich das nachgeholt und Herrn Professor Fischer angeschrieben. Ich ließ ihn wissen, dass ich an einem Artikel über den „Funk“-Beitrag arbeite, den ich in seiner Machart kritisch sehe, und legte ihm meine Sichtweise dar, verbunden mit der Bitte um eine Erklärung, wo denn die Gemeinsamkeit sein soll zwischen friedlichen, kapitalistischen, marktwirtschaftlichen Null-Staatlern, die Freiheits- und Eigentumsrechte des Individuums über alles andere stellen, auf der einen Seite, und mörderischen, kriegerischen, antikapitalistischen, planwirtschaftlichen Maximalstaatlern, die sämtliche Freiheits- und Eigentumsrechte des Individuums mit Springerstiefeln treten, auf der anderen Seite.
Zu meiner großen Freude erhielt ich kurz darauf eine sehr freundliche Antwort, die ich hier aus Gründen der Fairness und Transparenz komplett zitieren möchte, damit niemand denkt, ich hätte irgendwas weggelassen, das mich besser dastehen lässt: „Sehr geehrter Herr Werner, vielen Dank für Ihre ausführliche Nachricht und Ihre interessanten Überlegungen. Sie haben vollkommen recht mit allen Ihren Einschätzungen und Bewertungen des Nationalsozialismus, und ich wollte den Libertarismus auch nicht mit ihm gleichsetzen. Deshalb habe ich ihn auch nicht als ,rechtsextrem‘ bezeichnet, sondern nur betont, dass er in das extreme politische Spektrum gehört, und diese Einordnung halte ich nach wie vor für gerechtfertigt, insofern der Libertarismus nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und ausdrücklich die Demokratie ablehnt, worin dann immerhin auch eine Gemeinsamkeit mit dem Rechtsextremismus besteht. In der Hoffnung, das Problem damit geklärt zu haben und mit besten Wünschen für das Gelingen Ihres Artikels freundliche Grüße Karsten Fischer“.
Na, das ist doch mal eine gute, nachvollziehbare Antwort und eine echte Diskussionsgrundlage! Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er dazu anmerken können, dass der Libertarismus zwar die Demokratie ablehnt, aber nicht explizit und gezielt darauf ausgerichtet ist, die Demokratie in einem existierenden Staat, zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, abzuschaffen oder gar den ganzen Staat als solchen zu stürzen. Libertäre respektieren, dass es Menschen gibt, die in einem Staat leben wollen, und sie haben auch nicht vor, sie daran zu hindern und ihnen ihren Fetisch wegzunehmen, um ihnen stattdessen eine Privatrechtsgesellschaft aufzuzwingen. Sie wollen lediglich selbst nicht gezwungen werden, bei dieser Etatisten-Religion mitzumachen. Dafür würde es ihnen schon reichen, auf legalem Wege irgendwo ein Fleckchen Land erwerben zu können, um dort in Ruhe eine Privatrechtsgesellschaft aufzubauen. Insofern stellen sie keine konkrete Gefahr für die existierende Ordnung dar. Und wenn man schon damit argumentiert, dass Libertarismus und Rechtsextremismus die Ablehnung der Demokratie gemeinsam haben, dann muss man fairerweise auch dazu sagen, dass das auf den Linksextremismus ebenfalls zutrifft. Und vor allem, dass es doch einen immensen Unterschied macht, ob man die Demokratie durch eine friedliche, freiheitliche Privatrechtsordnung ersetzen will, in der jeder sein eigener Herr ist und jedermanns Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und geschütztes Privateigentum an erster Stelle steht, oder ob man die Demokratie durch eine mörderische, menschenverachtende Diktatur samt Führerkult ersetzen will. Doch leider war da kein Libertärer, der das hätte erklären können.
Als einziger Libertärer von Bedeutung bekommt lediglich der Unternehmer Dr. Titus Gebel ein wenig Raum in dem Bericht, jedoch nur, damit man sein Projekt der freien Privatstädte anschließend als eine Art „Freiheits-Paradies für Reiche“ darstellen kann. So wie der ganze Bericht den Tenor aufweist, den Libertarismus als eine elitäre Veranstaltung exklusiv nur für Reiche zu framen, bei der einfache Leute unerwünscht sind und eh außen vor bleiben müssten, da insbesondere Arme, Alte, Kranke und weniger leistungsfähige Menschen sich in einer libertären Gesellschaft keine Schulbildung und keine medizinische Versorgung leisten können.
Dieses Zerrbild von unsozialen, kaltherzigen, egoistischen, empathielosen Libertären kann man nur erzeugen und aufrechterhalten, wenn man die ökonomischen „Basics“ komplett verschweigt: Zwar weiß fast jeder, dass Monopole nicht gut, sondern schädlich für die Konsumenten sind, jedoch blenden die meisten Menschen dieses banale Grundwissen komplett aus, sobald der Monopolist „Staat“ heißt, dessen Monopol auch noch auf Zwang beruht, was es doppelt schädlich macht. Dabei kann man überall sehen, dass staatliche Monopole, zum Beispiel im Gesundheitswesen oder in der Bildung, zu immer weiter steigenden Preisen führen, während die Qualität der Leistung stetig abnimmt. Der freie Markt hingegen erzeugt aufgrund des dort herrschenden Wettbewerbs die Notwendigkeit, effizient und kundenorientiert arbeiten und innovativ sein zu müssen. Das führt automatisch zu sinkenden Preisen oder zu steigender Qualität der angebotenen Leistungen; meistens sogar zu beidem gleichzeitig. Dabei handelt es sich um ein ökonomisches Naturgesetz, das man nicht aushebeln kann. Daher ist der freie Markt mit seiner Privatwirtschaft dem Staat in jedweder Form überlegen.
Die meisten Menschen wissen das auch, wenn es um Brötchen, Schuhe, Autos, Computer, Möbel et cetera geht. Die Libertären hingegen sagen: Weil das ein ökonomisches Naturgesetz ist, gilt es nicht nur für Brötchen oder Autos, sondern grundsätzlich und somit generell auch für sämtliche Leistungen, die der Staat als Zwangsmonopolist anbietet. Daher sollten alle staatlichen Leistungen privatisiert und den Gesetzen des freien Markts unterworfen werden.
Davon profitieren insbesondere sogenannte „Arme“: Wenn das Einkommen aller Menschen durch den Wegfall der horrenden staatlichen Besteuerung plötzlich mindestens die dreifache Kaufkraft hat, während gleichzeitig die Preise sinken, können sich auch Geringverdiener alles leisten, was sie zum Leben brauchen.
Bleibt immer noch die bange Frage, was mit denjenigen passiert, die – zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen – noch nicht mal ein geringes Einkommen erzielen, sondern gar nicht arbeiten können. Nun, trotz der weltweit höchsten Steuern- und Abgabenlast, trotz rapide gestiegener Energie- und Lebenshaltungskosten und trotz beängstigender Inflation haben die Deutschen im Kalenderjahr 2022 rund 5,67 Milliarden Euro für wohltätige Zwecke gespendet. Wenn nun jeder plötzlich dreimal so viel Geld hätte und gleichzeitig wüsste, dass es keinen Sozialstaat mehr gibt, dann würde wohl kaum weniger gespendet werden als zuvor, sondern eher deutlich mehr. Private Wohltätigkeitsorganisationen würden das Geld dann mit geringstem Reibungsverlust wesentlich effizienter an die wirklich Bedürftigen verteilen und es bei diesen durch Hilfestellungen, die der individuellen Problematik eines jeden Einzelnen angepasst sind, vor allem auch viel effektiver einsetzen als der Staat mit seinen „One-Fits-All“-Maßnahmen, die an einen Wasserkopf an Verwaltung gekoppelt sind.
Hierzu muss man wissen, dass der Staat sowohl der größte Verhinderer als auch der größte Vernichter von Wohlstand ist. In der freien Privatrechtsgesellschaft ohne Staat würde der allgemeine Wohlstand in Rekordzeit durch die Decke schießen. Davon würden Menschen mit geringeren Einkommen und kleineren Vermögen ungleich mehr profitieren: Sie bräuchten sich nicht mehr mit einem Hauptjob und zwei Nebenjobs bis knapp 70 halbtot zu arbeiten, um dann bis ans Lebensende Flaschen sammeln gehen zu müssen. Für einen Superreichen macht es keinen spürbaren Unterschied, ob er nun zweihundert Millionen oder dreihundert Millionen hat, aber für einen Kleinverdiener macht es einen Riesenunterschied, wenn er statt zweitausend plötzlich dreitausend hat.
Das Kernargument der Gegner des Libertarismus, dass dieser nur den Reichen und Superreichen nütze oder gar zu einer Art Konzernherrschaft führe, lässt sich so ganz einfach widerlegen. Außerdem kommt noch ein weiteres, entscheidendes Argument hinzu:
Wenn die Reichen sich vom Libertarismus noch mehr Reichtum versprächen, hätte die libertäre Bewegung eine mehr als prall gefüllte Kriegskasse, über Schulen und Universitäten würden täglich ganze Hubschrauberladungen mit Büchern von Hans-Hermann Hoppe abgeworfen, alles wäre zugekleistert mit „Steuern sind Raub“- und „Der Staat ist eine kriminelle Vereinigung“-Plakaten, und die zwei libertären deutschen Kleinstparteien, die PDV und „Die Libertären“ (die übrigens auch im Filmbeitrag erwähnt werden, mitsamt Auszügen aus dem Parteiprogramm), würden mit Milliarden an Parteispenden förmlich zugeschüttet.
All das passiert aber nicht. Stattdessen spenden Konzerne und Reiche Abermillionen an die etablierten, sozialistischen Parteien und stützen damit das System „Staat“, weil sie davon wesentlich mehr profitieren, zum Beispiel durch Lobbyismus, der in einer libertären Gesellschaft unmöglich wäre, weil dort nur der freie Markt (also die Summe der freiwilligen Kaufentscheidungen aller Individuen) über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Der Staat hingegen sorgt durch seine zahlreichen Vorschriften, Gesetze und Verordnungen, die in Wahrheit nichts anderes sind als Markteintrittsbarrieren für aufkeimende Konkurrenz, für die Besitzstandswahrung der Etablierten, der Reichen – und sorgt somit am ehesten für eine Art Konzernherrschaft. Dahingegen müssten sich die bisher Erfolgreichen und insbesondere die Großkonzerne in einer libertären Privatrechtsgesellschaft ohne staatlichen Protektionismus jeden Tag erneut am freien Markt behaupten, indem sie mit guten Produkten zu fairen Preisen um die freiwillige Kaufentscheidung der Menschen buhlen. Dabei müssten sie ständig fürchten, dass morgen ein kleiner Tüftler in irgendeiner Garage eine bessere Idee haben könnte. Und mit dieser besseren Idee könnte er sie dann bald schon komplett vom Markt fegen, weil kein Staat mehr da ist, der dem Tüftler zunächst einmal mit überflüssigem Bürokratie-Kram zwei Drittel seiner Zeit stiehlt, um ihn dann mit irgendwelchen frei erfundenen, völlig nutzlosen Auflagen, deren Erfüllung ihn fünf Millionen kosten, die er nicht hat, in den Ruin zu treiben. Das ist nämlich, was gerade passiert, quasi die Hauptaufgabe der EU.
Es sind also nicht die Reichen, die vom Libertarismus profitieren, sondern die einfachen Leute, auch die Armen. Würden Reiche beziehungsweise Superreiche vom Libertarismus profitieren, hätten wir ihn längst überall.
Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er all das, was ich in den letzten Absätzen ausgeführt habe, wunderbar erklären können, doch leider war das nicht so.
Am Ende des Videos sinniert die Moderatorin noch kurz darüber, ob sie selbst sich vorstellen könne, in eine libertäre Privatstadt zu ziehen, und kommt zu dem überraschenden Schluss, dass sie so nicht leben wolle. Der entscheidende Unterschied zwischen Libertären und Victoria Reichelt dürfte wohl sein, dass kein Libertärer sie jemals dazu zwingen wird, in seiner Privatrechtsgesellschaft zu leben, wohingegen sie es völlig in Ordnung findet, dass Libertäre dazu gezwungen werden, sie dafür zu bezahlen, von ihr öffentlich diskreditiert zu werden. Wäre ein Libertärer in der Sendung gewesen, hätte er all das wunderbar erklären können, doch leider war das nicht so.
Hach, wie gern hätte ich bei dieser Sendung mitgemacht, um die „Basics“ des Libertarismus aufzuführen und dann im „Deep Dive“ zu begründen! Wie gerne hätte ich darüber mit Professor Fischer diskutiert, denn der Mann hat doch mit seiner netten Antwort auf meine Nachfrage bewiesen, dass er an den Gedanken anderer Menschen interessiert ist und darauf eingeht, statt sich angegriffen zu fühlen – besser geht es nicht! Das wäre eine spannende Sendung geworden, für die ich sogar freiwillig GEZ abgedrückt und auf eine Gage verzichtet hätte! Noch nicht mal irgendwelche Spesen hätte ich verlangt, sondern wäre glatt auf eigene Kosten angereist, einfach nur, weil der Spaß, den alle daran gehabt hätten, in Geld nicht aufzuwiegen gewesen wäre!
Aber mich fragt leider nie jemand. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, warum das so ist, wo ich doch so ein netter Kerl bin: Ich beiße nicht, und an guten Tagen bin ich sogar stubenrein! Just call me – I’ll be there! Und nach der Sendung gehen wir alle richtig amtlich einen saufen – ich zahle die Zeche! Deal?
Quellen:
„Funk“ (Webseite)
Selbstdarstellung „Funk“ (Webseite)
Impressum Funk (Webseite)
Künstlerseite Victoria Reichelt (Barbarella Entertainment)
Lebenslauf Professor Doktor Karsten Fischer (Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München)
DAS wollen Libertäre (Youtube-Video aus dem „Funk“-Content-Netzwerk)
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