07. Juli 2025 11:00

Gestahlfedert: Verschifft Eine Seefahrt, die ist lustig…

Ein Reisebericht durch die rosarote libertäre Brille

von Michael Werner drucken

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Bildquelle: Michael Werner Hatte eine großartige Zeit: Unsere „Stahlfeder“ in der Karibik

Alle Hater, die nach zwei Wochen Ruhe vor mir schon gehofft hatten, das BRD-Regime hätte mich endlich aus dem Verkehr gezogen oder meine Kolumne sei wenigstens einem Shitstorm zum Opfer gefallen, haben sich leider zu früh gefreut: Ich habe mir lediglich einen kleinen Urlaub gegönnt, es ging auf Kreuzfahrt durch die westliche Karibik plus ein paar Tage Miami, was auch Start- und Zielhafen war.

Der Dampfer war recht modern, noch keine zehn Jahre in Betrieb, und die zugelassenen 4.266 Passagierplätze waren restlos ausverkauft. Der überwiegende Teil der Mitreisenden waren US-Amerikaner, was wohl dem Umstand geschuldet war, dass es sich um eine amerikanische Kreuzfahrtgesellschaft handelte, und ich war einer von insgesamt nur acht Deutschen an Bord – und somit ein Exot.

Ich liebe die Amis. Ja, sie sind unfassbar fett, sie sind laut, sie sind schlecht gekleidet und haben nach unserer Definition keine Esskultur – meinetwegen, mag sein, aber egal, ich liebe sie trotzdem. Sie sind saucool und tiefenentspannt, unkompliziert und freundlich. Vor allem die an Bord – ich würde den Anteil der Trump-Unterstützer unter den amerikanischen Passagieren bei gefühlten hundertsiebzehn Prozent ansetzen. Eine Woche lang keine grünviolett gefärbten Kurzhaarfrisuren mit Problempony und zehn Kilo Metall in der Fresse sehen zu müssen, sondern einfach nur normale Menschen, war die Reise eigentlich schon wert.

Man kam auch schnell ins Gespräch; vor allem ich, denn fast jeder, der mich reden hörte – egal ob auf Englisch mit meinem gepflegten deutschen Akzent, den ich gar nicht erst zu verbergen versuche, sondern kultiviere, oder gleich auf Deutsch – sprach mich sofort an, und der erste Satz war immer derselbe: „Where do you come from?“ Ich unterließ es, die Amis darüber zu belehren, dass die Frage, woher jemand kommt, rassistisch ist und man in Deutschland deswegen bereits bei einer halbstaatlichen Meldestelle denunziert wird und im Verfassungsschutzbericht lobend erwähnt wird. Zum einen fehlten mir dafür die Worte, denn so totalitäre Kackscheiß-Konzepte wie „Meldestelle“ und „Verfassungsschutzbericht“ sind dem Amerikaner nicht vermittelbar. Der erste Artikel seiner Verfassung garantiert ihm nämlich uneingeschränkte Meinungsfreiheit, und der zweite gleich darauf das Recht, einen Meinungsverstärker mitzuführen, um sich gegen genau diese Art von staatlicher Übergriffigkeit zur Wehr zu setzen. Zum anderen wollte ich auch nicht als geisteskrank angesehen werden, wenn ich sowas erzähle. Im Gegenzug verzichteten meine Gesprächspartner auf mitleidige Blicke, wenn ich die zutiefst rassistische Frage nach meiner Herkunft etwas peinlich berührt mit „Germany“ beantwortete, und schmetterten mir – höflich wie sie sind – ein lautes „great“ entgegen, unter Hinweis auf ihre deutsche Urgroßmutter oder ihren deutschen Schäferhund. Die Weitgereisten ergänzten „I’ve been to Heidelberg“, und nun war ich an der Reihe mit „great“, obwohl ich selbst zwar schon auf allen Kontinenten und in etwa fünfzig Ländern dieser Welt war, aber zu meiner Schande noch nie in Heidelberg, weshalb ich – um nicht aufzufliegen – sofort das Thema wechselte und ein zackiges „Oktoberfest“ in die Runde warf, wo ich wenigstens schon mal war, auch wenn ich an weite Teile dieses Unterfangens keinerlei Erinnerungen mehr habe – aus Gründen.

Die mehr als 1.700 Mann starke Besatzung bestand hingegen fast ausschließlich aus Nicht-Amerikanern. Um den Mitarbeitern die rassistische Frage zu ersparen, woher sie kommen, trug jedes Crew-Mitglied ein Schild mit seinem vollständigen Namen, seinem Herkunftsland und der Flagge seines Herkunftslandes. Weil die Kreuzfahrtgesellschaft betont stolz darauf ist, Menschen aus mehreren Dutzend Ländern zu beschäftigen. Weil dadurch aber jeder davon automatisch ein Leistungsträger ist und an derselben Sache mitarbeitet, bereitet die unterschiedliche Herkunft auch keine Probleme. Das ist echte Vielfalt: Alle kommen von woanders her, sind unterschiedlich, sehen unterschiedlich aus, aber sie sitzen alle im selben Boot, im wahrsten Sinne des Wortes, und ziehen am selben Strang.

Für die Kreuzfahrt hatte ich mir ein paar schrullige Vorsätze gefasst. Fangen wir an mit der größten Niederlage: Mein Vorhaben, durchgehend einen weißen Anzug zu tragen, scheiterte bereits kurz nach dem Boarding am Klimawandel. Um das konsequent durchzuziehen, hätte ich mich ausschließlich im vollklimatisierten Innenbereich des Schiffs aufhalten müssen, aber da hätte ich auch gleich zuhause bleiben können. Also musste ich diese Schnapsidee leicht modifizieren und trug den Anzug erst ab 19 Uhr.

Apropos Schnaps: Mein zweites Vorhaben war, nichts zu trinken, das keinen Alkohol enthielt, um permanent einen perfekten Tag gemäß der Definition von Harald Juhnke zu erleben: Leicht einen sitzen und keine Termine. Das hat immerhin fast geklappt, abgesehen von einem halben Glas Cola, einem halben Glas Wasser und zweimal Espresso gegen die Müdigkeit nach einem fulminanten Mahl. Dennoch habe ich dabei recht gesund gelebt: Beim Frühstück und Abendessen gab ich mich dem Genuss eines koscheren Chardonnays des Weinguts Barkan aus Ober-Galiläa hin, und dazwischen zimmerte ich mir im 20-Minuten-Takt Cocktails mit viel frischem Obst (Mango-Meltdown und Erdbeer-Daiquiri) rein – der Mensch braucht schließlich Vitamine!

Zur eigenen größten Überraschung hielt ich sogar mein drittes Vorhaben durch: Internet- und Social-Media-Detox! Maximal zehn Minuten online pro Tag, um die wichtigsten WhatsApp-Nachrichten zu lesen und zu beantworten; die ersten drei Tage war ich sogar komplett abstinent. Einmal kurz bei „X“ reingeschaut, wo sich gerade das vereinigte sozialistische Neidlumpen-Proletariat aller Länder über die Hochzeit von Jeff Bezos echauffierte. Kurz darauf den Fehler gemacht, auf „Bild“ und Spiegel“ mal zu spingsen, was im heimischen Shithole so abging. Volltreffer: Es gab den zwölften bundesweiten „Aktionstag gegen Hass und Hetze im Internet“ mit über 180 polizeilichen Maßnahmen, darunter mehr als 65 Hausdurchsuchungen, wobei man Bürger, die nach zwei Bierchen ihre „falsche“ Meinung etwas zu rustikal formuliert gepostet haben, morgens um sechs Uhr aus dem Bett rupfte, um ihnen die Bude zu verwüsten und sämtliche Kommunikationsmittel abzunehmen. Und weil unser Staat Humor hat, wurde diese dystopische Gewaltorgie am Geburtstag von George Orwell exekutiert. Derweil kam es in unseren Freibädern zwischen zugewanderten syrischen Fachkräften und weiblich gelesenen deutschen Minderjährigen zum interkulturellen Gruppenkuscheln, wobei man munkelt, dass die Teilnahme einer der beiden beteiligten Parteien nicht ganz so freiwillig gewesen sein soll. Da jedoch die großangelegte juristische und politische Verfolgung von Wortverbrechern bei der Exekutive jede Menge Ressourcen bindet – man muss schließlich Prioritäten setzen! – spulte man hier die bekannte Routine ab: Zuerst verschweigen, so lange wie es geht, und es dann auf den Klimawandel schieben. Diese zwei Nachrichten, vor allem im Verbund, haben mich zutiefst glücklich sein lassen, gerade am anderen Ende der Welt zu verweilen, und zudem den sehnlichen Wunsch aufkeimen lassen, das auch so beizubehalten.

Es war traumhaft an Bord: Essen und trinken rund um die Uhr, Motto-Bars und Spezialitäten-Restaurants, die ich begeistert frequentiert habe. Dazu Swimmingpools, Whirlpools, Wasserrutschen und allerlei verrückte Sportstätten und -geräte, denen ich gleichermaßen begeistert aus dem Weg gegangen bin.

Das Entertainment war ebenfalls allererste Sahne: Ich durfte zwei Musicals an Bord genießen, die qualitativ besser waren als vieles, was ich zuvor an Land gesehen hatte. Dazu jede Menge kleinere Shows und Acts. Besonders gefallen hat mir eine Show mit drei singenden Pianisten, denen man Zettel mit Songwünschen auf den Flügel legen konnte, die diese dann – sich reihum abwechselnd – spontan performten. Das Wort „performen“ habe ich sehr bewusst gewählt, denn sie spielten und sangen die Songs nicht nur einfach, sondern gaben wirklich alles, um das so mitreißend und unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Die Amis können Entertainment wie niemand anders, die haben es quasi erfunden. Eine der Pianistinnen fand heraus, dass ich Deutscher bin, weil wir nach der Show kurz ins Gespräch kamen, und am nächsten Abend sang sie extra Nenas „99 Luftballons“ – auf Deutsch! Sie stammte aus Arkansas!

Der denkwürdigste Moment war allerdings, als sich jemand bei einer dieser Piano-Shows „God Bless The U.S.A.“ von Lee Greenwood wünschte – also jenen Song, den die Country-Legende beide Male auf Donald Trumps Inauguration sang und den der Orange Man auch im Wahlkampf verwendete. Bevor er anfing, fragte der Pianist ins Publikum, ob ehemalige oder aktive Angehörige der US Army anwesend seien. Ja, da waren welche! Mir war zuvor schon aufgefallen, dass sich einige ältere Herren an Bord befanden, die offensichtlich die eine oder andere Gliedmaße in Vietnam zurückgelassen hatten. Ebenfalls ein paar jüngere, wo das analog in Afghanistan passiert sein dürfte. Beide Generationen vereinte der Umstand, dass ihr Opfer komplett für den Arsch war, wobei ich jedoch vermute, dass die selbst das nicht so sehen (wollen oder können). Jedenfalls bat der Pianist alle Army-Leute auf die Bühne, wo sie sich dann Arm in Arm aufstellten, und widmete ihnen den Song. Während er in die Tasten drosch und die Patrioten-Schmonzette hingebungsvoll ins Mikrofon schmetterte, kamen Frauen – junge wie ältere – aus dem Publikum an die Bühne und gaben jedem der Männer einen Kuss. Als endlich die Refrainzeile „And I'm proud to be an American where at least I know I'm free” kam, saß niemand im ganzen Saal mehr auf seinem Stuhl – alle waren aufgesprungen, pressten sich die rechte Hand aufs Herz und sangen lautstark und inbrünstig mit. In Sekundenbruchteilen entschied ich mich, es ihnen gleichzutun, auch wenn es gelogen war, schließlich bin ich gar kein „American“ – jedoch war meine Angst zu groß, fälschlicherweise für einen verschissenen Democrat gehalten und schneller über Bord geworfen zu werden, als ich glaubhaft machen könnte, from Tschörmeni zu sein.

Vornehmlich waren es jedoch die Landgänge, die mein libertäres Weltbild genährt, bestärkt und bestätigt haben, und das kann man mit einem einzigen Satz auf den Punkt bringen: Die Kreuzfahrtschiffe bringen Wohlstand, wo immer sie anlegen. Und zwar rasant wachsenden Wohlstand, von dem alle profitieren. Es gibt entlang der meisten Kreuzfahrt-Routen ganze Landstriche und Inseln, die früher einmal strukturschwach oder gar bettelarm waren, ohne realistische Perspektiven für die Einwohner, irgendwas zu verbessern. Dann kamen die Kreuzfahrtgesellschaften und investierten dort in den Bau von Häfen und Landungsstiegen, an denen die Riesenschiffe anlegen können, und weitere Infrastruktur, denn den Passagieren sollte beim Landgang ja auch etwas geboten werden! Daher gibt es überall ein vielfältiges Angebot für jeden Geschmack: Schnorcheln, Tauchen, Kanufahrten, Rafting, Strandleben, Kulinarisches, Bustouren ins Landesinnere für Aktivitäten und Besichtigungen aller Art – überall kann man zwischen Dutzenden von Möglichkeiten wählen, oder auch einfach nur auf eigene Faust an Land gehen und sich treiben lassen. An solchen Orten legen wöchentlich gerne mal zwanzig bis dreißig Schiffe an und spucken jeweils vier- bis fünftausend Touristen aus, die was erleben wollen und das Geld eher locker sitzen haben. O Wunder – plötzlich haben alle Ortsansässigen einen Job, wie von Zauberhand!

Nehmen wir beispielsweise die mexikanische Insel Cozumel: Auf der Insel liegen ein paar Maya-Trümmer herum, aber die gibt es in den umliegenden Ländern eigentlich überall, und die von Cozumel sind nicht gerade die sensationellsten und zudem noch recht „jung“. Die Einwohner konnten aufgrund der örtlichen Gegebenheiten außer Honig nichts selbst produzieren. Alles, was sie brauchten, musste vom Festland rübergeschippert werden. Allerdings wird man mit Honig nicht so reich, um das alles zu bezahlen. Ergo: Armut und Perspektivlosigkeit dominierten das Dasein, niemand wollte wirklich dort leben, sondern träumte davon, wegzukommen und es woanders besser zu haben. Dann kamen die Kreuzfahrtschiffe: Abgesehen von einem Einbruch in der Corona-Zeit legen jährlich etwa 1.200 Schiffe in Cozumel an und spülen mehr als vier Millionen Touris auf die Insel. Die Einwohnerzahl hat sich von rund 80.000 im Jahre 2010 auf aktuell knapp 100.000 erhöht, der Wohlstand wächst rasant, und es gibt dort inzwischen vier Hochschulen, davon zwei private. Jeder Einwohner, der was vom Leben will, ist an Bildung interessiert, insbesondere daran, möglichst gut Englisch zu lernen, um den internationalen Besuchern kultiviert und eloquent gegenüberzutreten und auch die Aufstiegschancen bei den Kreuzfahrtgesellschaften wahrzunehmen.

Als kulturinteressierter Mensch habe ich mir auf Cozumel brav die Maya-Ruinen angeschaut und gelernt: Die Maya kannten bereits Steuern, sie waren nur schlauer und nannten sie „Opfergaben“! Und sie hatten Straßen! Ob es da doch einen Zusammenhang gibt? Kann durchaus sein, denn die Straßen der Maya sind genauso beschissen wie die in Köln-Nippes.

Zum Glück ging es danach ins Tequila-Museum, und da habe ich wirklich was fürs Leben gelernt: Der Grund, warum fast jeder mal ein „schlechtes Erlebnis“ mit Tequila hatte (meins ist so peinlich, dass ich jeden, dem ich davon erzähle, sofort danach eliminieren muss), liegt im falschen Trinkverhalten! Wir Kulturbanausen kippen den Tequila nämlich auf ex und geben uns dann auch noch dem lächerlichen Ritual hin, Salz vom Handrücken zu lecken und in eine Limette zu beißen. Da rollen sich dem Mexikaner die Fußnägel hoch! Tequila, so durfte ich lernen, ist eine edle, feine Spirituose, so wie zwölf Jahre alter Whiskey, und den kloppt man sich schließlich auch nicht auf ex in den Hals. Allerdings muss man fairerweise dazusagen, dass echter, qualitativ hochwertiger mexikanischer Tequila, wie ich ihn dort probieren durfte, und die Billigplörre, die man sich in deutschen Sauftempeln in den Rachen schüttet, quasi zwei Paralleluniversen ohne Schnittmenge sind.

Honduras gilt ein Stück weit immer noch als Bananenrepublik und steht auf Platz sieben der Länder mit der höchsten Mordrate weltweit. (Wobei von den zwölf Ländern mit der höchsten Mordrate acht in der Karibik liegen, und drei davon habe ich auf dieser Tour besucht – zum Glück habe ich das erst jetzt recherchiert. Hier stimmt es ausnahmsweise: Unwissenheit ist Stärke!) Die honduranische Insel Roatán hingegen ist ziemlich sicher. Dort legen nämlich die Kreuzfahrtschiffe an und bringen den Wohlstand – die Bewohner dieses ehemaligen Armenhauses haben das verstanden und wollen die Touris nicht abschrecken. Und das, obwohl sie weitaus weniger davon profitieren, als es möglich wäre: Die ganze Kohle der Kreuzfahrtgesellschaften geht an die Zentralregierung, die damit – wie man es auch aus der Bananenrepublik Buntistan kennt – Schwachsinn, Mist und Unfug macht. Die Bewohner bekommen lediglich ihr Gehalt, was nicht gerade üppig ist, sowie die Trinkgelder, die ihnen direkt zugesteckt werden. Blieben die gesamten Einnahmen aus den Kreuzfahrten auf der Insel, wäre dort jeder längst Multimillionär.

Am 19. April 2024 brannte das örtliche Krankenhaus, das „Hospital Roatán“, ab. Ein erfolgreicher amerikanischer Unternehmer, der auf einer der umliegenden kleineren Inseln ein Domizil hat und sich bei der einheimischen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut, weil er dort viel investiert, hat sofort ein paar Millionen lockergemacht, um ein neues Krankenhaus zu bauen, und auch gleich mit dem Bau angefangen, denn ein Krankenhaus in erreichbarer Nähe ist Voraussetzung, damit die Kreuzfahrtschiffe weiterhin kommen. Doch halt! Ein privates Krankenhaus? Das geht natürlich gar nicht! Deshalb hat die Zentralregierung interveniert und darauf bestanden, dass es als öffentliches Krankenhaus fertiggestellt wird. Für meine libertäre Stammleserschaft könnte ich die Story an dieser Stelle enden lassen, da jeder weiß, wie sie weitergeht, aber in der Hoffnung auf Neuleser führe ich das Unhappy Ending aus: Überraschung – es gibt da immer noch kein Krankenhaus! Die Zentralregierung , die sich bekanntlich die gesamte Kohle der „Cruise Lines“ unter den Nagel reißt, verhindert zuerst den Bau einer Privatklinik, die längst schon fertig wäre und sie nichts gekostet hätte, aber das Problem gelöst hätte, kriegt es dann nicht auf die Reihe, das öffentliche Krankenhaus fertigzustellen, und riskiert damit, dass die Schiffe bald schon ausbleiben könnten, wodurch die gesamte Insel innerhalb von wenigen Wochen zurück in die Steinzeit gebeamt würde und die Regierung selbst auch noch immense finanzielle Einbußen hätte. Mit anderen Worten: Es ist einfach alles komplett dumm und falsch. Jaja, Staat fetzt schon richtig hart, nicht wahr?

Auf Roatán besuchte ich den Gumbalimba Naturschutzpark. Wer jetzt meint, na, immerhin sorgt die Regierung dort für Naturschutz, denn das wäre ohne Staat doch völlig undenkbar: Am Arsch die Waldfee! Der Park ist ein Privatunternehmen! Private Unternehmer schaffen es, die Natur zu schützen und zu erhalten, und dabei sogar noch Profit zu erwirtschaften, statt Steuermillionen sinnlos zu verballern und trotzdem ein schlechteres Resultat zu erzielen. Ich fand die Gumbalimba-Tour wirklich spannend und lehrreich; das Highlight waren die Weißgesicht-Kapuzineraffen, die sich einen Spaß daraus machten, unvorsichtige Touristen zu beklauen.

Belize war das zweite Mal in meinem Leben, dass ich ein Land besuchte, von dem ich vorher noch nicht mal wusste, dass es existiert. Den ersten derartigen Fall verschweige ich, weil es eine peinliche Bildungslücke war, aber in Belize leben weniger als halb so viele Menschen wie in meiner Heimatstadt, das kann ich verschmerzen. Immerhin kenne ich das Staatsoberhaupt von Belize: King (formerly known as Prince) Charles III., der, wenn er nicht gerade mit den Blumen spricht, nebenberuflich auch als Tampon eines Rottweilers tätig ist – Sie verstehen schon, der feine Herr Windsor.

Streng genommen haben wir an der Belize vorgelagerten Insel Harvest Caye angelegt – das ist eine Privatinsel, die der Kreuzfahrtgesellschaft gehört. Von dieser ging es dann mit einem kleineren Schiff zum Festland und mit dem Bus weiter ins Landesinnere, um eine Kakao-Plantage zu besuchen, wo ich gezeigt bekam, wie das braune Gold angebaut, geerntet und verarbeitet wird. Dabei erfuhr ich, dass Kakaobohnen in grauer Vorzeit dort als Währung dienten, also die Funktion des Geldes erfüllten. Damit wäre die alte Weisheit, dass Geld nicht auf Bäumen wächst, widerlegt, ebenso wie der Sponti-Spruch, dass man Geld nicht essen kann. Letzteres war jedoch – vielleicht des Genusses wegen, vielleicht aber auch zur Eindämmung der Inflation bei einer zu üppigen Ernte – dem Adel vorbehalten. Dem Plebs hingegen war es untersagt, Kakaobohnen zu verzehren. Wer sich bei einer Zuwiderhandlung erwischen ließ, wurde den Göttern geopfert. Das ist immerhin wesentlich charmanter als einfach nur profan hingerichtet zu werden.

Der Abstecher auf die Bahamas führte ebenfalls auf eine Privatinsel der Kreuzfahrtgesellschaft. Überhaupt war das Wort „Privatinsel“ die ganze Tour über recht häufig zu hören. Aber – für Deutsche unvorstellbar – nicht im Zusammenhang mit Neiddebatten und Enteignungsfantasien, sondern durch und durch positiv konnotiert.

Privatinseln sind irgendwie immer auch Privatunternehmen oder mit solchen verbunden, daher bringen sie Wohlstand. Kreuzfahrtschiffe bringen Wohlstand. Freier Handel, also der Austausch von Waren und Dienstleistungen, bringt Wohlstand. Je freier, desto schneller und mehr, und zwar für immer mehr Menschen. Immer mehr Menschen in immer mehr Ländern dort verstehen das auch und buhlen um die Gunst der Kreuzfahrtgesellschaften. Sogar das kommunistische Shithole neunzig Meilen südlich vor der Küste Floridas (böse Zungen betrachten es auch als eine Art Privatinsel, nur halt im Besitz des Castro-Clans, immerhin mit der größten real existierenden und voll fahrtüchtigen Oldtimer-Flotte der Welt) nimmt inzwischen liebend gerne die pööhsen kapitalistischen Penunzen des kreuzfahrenden Klassenfeinds an.

Ein Hoch auf die christliche – und vor allem kapitalistische – Seefahrt! Ahoi!


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