01. Oktober 2023 08:00

Freiheitsespresso VII Denken wie die anderen

Wie erreichen Freiheitsfreunde andere Menschen?

von Michael von Prollius (Beendet)

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Bildquelle: Dejan Dajkovic / Shutterstock Erstrebenswertes Ziel aller Freunde der Freiheit: Werden wir zum Licht für andere!

Freiheitsfreunde tun sich schwer mit sozialer Gerechtigkeit, schrieb ich in meinem letzten Kolumnenbeitrag. Freiheitsfreunde tun sich überhaupt schwer mit ihren Botschaften. Das geht mir zumindest so und ich beobachte es bei anderen, ob liberal, anarcho, ordo. Und ich lese es auch hier bei den Freiheitsfunken.

Warum schreibe ich das? Weil es mir wichtig ist. Weil wir besser werden können und müssen. Es stehen harte Zeiten an. Wir müssen unsere Einsichten auf ein höheres Niveau bringen. Und das ist keine Frage des Wissens. Es ist vielleicht eine Frage des Vermittelns, und noch mehr hat es vielleicht mit einer inneren Haltung zu tun.

Mein Ausgangspunkt: Wir machen es uns zu einfach. Wir liefern schnell plausible Begründungen, konsentierte Einsichten der Klassiker. Die bereits Überzeugten nicken. Zu ihnen sprechen wir – viele von uns, nicht alle, nicht immer, aber zu oft. Das ist okay, nur der Wert der besseren Ideen kann sich nicht entfalten. Und immer wieder braucht es mehr als logische Schlussfolgerungen, Analogieschlüsse, Abgrenzungen von denen aus anderen Lagern.

Arnold Kling hat in „The three languages of politics“ aufgezeigt, wie die bipolaren Achsen der drei Stämme – Konservative, Progressive, Liberale – der Dämonisierung und Bekräftigung der jeweils eigenen moralischen Überlegenheit dienen. Zu den Ergebnissen gehören fruchtlose Debatten, geradezu religiöse Lagerbildung, aber auch in Kenntnis der Argumentationsmuster die Einschätzung, dass die Progressiven eine überzeugende Erklärung für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung haben.

Was ist die Alternative? Ich weiß es nicht. Ich habe keine beste Lösung. Die finden wir vielleicht in einem Prozess mit Versuch und Irrtum. Und es braucht Gehirnstürme, gemeinsam. Immerhin kann ich ein paar Denkanstöße bieten. Vorausgesetzt: Andere sollen für die Sache der Freiheit gewonnen werden.

Erstens: Entscheidend ist nicht, was Freiheitsfreunde toll finden, wie wir denken, was wir wichtig finden, was wir wissen und glauben, besser zu wissen. Es geht durchweg um die anderen, was denen am Herzen liegt, die noch keine Fans der Freiheit sind, deren Verstand nicht um Freiheit kreist, deren Fundament nicht Freiheit ist, denen Freiheit nicht in den Genen steckt.

Zweitens: Das bedeutet, die bisherigen Präferenzen, die Sorgen, Ängste und Nöte ernst nehmen. Das bedeutet, sich auf deren Probleme einzuschwingen und dafür Lösungen zu finden – freiheitliche, keine Frage.

Drittens: Wie lernen wir? Ein einfaches Modell besagt: Es gibt eine Komfortzone – im Zentrum. Um sie herum erstreckt sich die Stretching-Zone. Dort können wir wachsen, uns verändern, verbessern. Den Rand bildet der Panik-Bereich, dort geht nichts. Was hilft das für die frohen Freiheitsbotschaften? Menschen können wir in der Stretching-Zone erreichen, wir können sie aber nicht erreichen, sobald kritisierte Sozialtransfers, Eliten-Bashing oder das Abschaffen des Beamtentums – Reformbeamte vielleicht ausgenommen – für einen Sprung in die Panikzone sorgen.

Worauf ich hinauswill, ist hoffentlich offensichtlich mehr als Rhetorik. Rhetorik gibt es genug im politischen Betrieb. Es geht mir auch nicht darum, Rhetorik gering zu schätzen. Mir geht es zunächst um die Suche nach einem anderen Denken und anderen Ansatzpunkten für eine wirksamere Vermittlung der Erkenntnisse, die unsere Welt besser machen würde. Das geht mit einem Perspektivwechsel einher, hin zu: Was ist Ihnen wichtig? Was wäre für Sie hilfreich, als Freiheitslösung? Wie würde eine Argumentation und wie eine emotionale Botschaft aussehen, die die Mitmenschen aus ihrer eigenen Sicht überzeugt? Im Hintergrund dürfte zudem die Frage lauern, was Freiheitsfreunde dazu beitragen, dass ihre Botschaft nicht gehört wird.

Welche Ideen haben Sie? Möchten Sie überhaupt andere Menschen erreichen?

Ziele leiten uns. Ziele können uns verbinden. Ein gutes Leben – für die meisten Menschen gehören Friede, Sicherheit, Wohlfahrt, Mitmenschlichkeit dazu. Verantwortung übernehmen mag nicht jeder. Gegängelt werden niemand. Freiheit kann mit Unsicherheit verbunden sein, nicht nur als Essenz des Seins und als Gestaltungsraum begriffen werden.

Blinded by the light. Vielleicht braucht es eine Konversion ähnlich wie die des (erfolglosen) Stücks von Bruce Springsteen, (erfolgreich) gecovert durch Manfred Mann’s Earth Band. Statt zu sehr allein auf den Freiheitsnabel zu schauen und wie Motten vom Licht angezogen zu werden, müssen die Freiheitsfreunde selbst das Licht für andere werden, eben die Flamme, nicht die Motte.


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