Die Psychologie der Politik: Praxistipps. Einstellungen und Überzeugungen
Der Weg
von Andreas Tiedtke (Pausiert)
von Andreas Tiedtke (Pausiert) drucken
In meiner letzten Kolumne schloss ich mit der Analyse, dass wir eine politische Krise erleben, die das Symptom einer geistig-seelischen Krise ist. Und die „Vormünder“ (Immanuel Kant, 1724–1804) sind seit Jahrhunderten darum bemüht, die Infantilität des „Publikums“ zu erhalten und auszunutzen. Dante Alighieri (1265–1321) wusste das bereits, der in „De Monarchia“ (circa 1316) die geistig-politische Krise prosaisch beschrieb und in der „Commedia“ (1321) allegorisch. Und Ludwig von Mises (1881–1973) wusste es, wenn er sagte, dass die Geschichte des Westens seit der griechischen Polis bis heute im Wesentlichen die Geschichte des Kampfes um die Freiheit gegen die Übergriffe der Amtsinhaber sei. Und viele andere Dichter und Denker vor ihm wussten dies auch. Dass wir das heute so schwer erkennen können, liegt unter anderem daran, dass uns die Werke dieser Denker meist „verzwergt“ nahegebracht wurden in Bezug auf deren Sinngehalt.
Und nachdem ich Immanuel Kants und Murray Rothbards (1926–1995) Gedanken dargestellt habe, welche Wege denn herausführen aus den „Höllenkreisen“, um es mit Dantes Allegorie auszudrücken, möchte ich heute beginnen, auf ganz praktische Tipps einzugehen, wie man aus der „Infantilität“ (C. G. Jung, 1875–1961) herauskommt oder der „Unmündigkeit“ (Kant) entkommt, wie man also in die geistig-seelischen Höllenkreise hinabsteigt, um dann den „Läuterungsberg“ zu erklimmen, um erwachsen zu werden.
Rothbard sagte sinngemäß, die Menschen würden psychologisch verwirrt, ökonomisch ausgenutzt und sozial unterdrückt. Am Anfang steht also die psychologische Verwirrung, und um das praktische Aufhalten dieser Verwirrung und die „Entwirrung“ soll es im Folgenden gehen.
Haltungsfragen. Warum ticke ich, wie ich ticke?
Wie lernt der Mensch neue Haltungen? Noch vor der bewussten Inkompetenz liegt im Lernprozess die unbewusste Inkompetenz. Man kann etwas nicht, und weiß noch nicht einmal, dass man es nicht kann. Wenn Sie heute Menschen handeln sehen, dann wird deren Handeln von deren Denken und Fühlen bestimmt und dieses wiederum von den – oftmals unbewussten – Haltungen zu sich und der Welt. Wenn Sie einen Menschen beim Handeln beobachten, können Sie daher auf seine unbewussten Haltungen rückschließen. Sie wissen dann unter Umständen mehr über ihn, als er selbst.
Und wenn Sie Ihre eigenen Einstellungen und Überzeugungen kennen lernen möchten, dann müssten Sie zunächst in die – allegorisch gesprochen und ohne moralischen Impetus – „Höllenkreise“ Ihrer eigenen Psyche hinabsteigen, das heißt, Ihre tiefsitzenden Haltungen zu sich und der Welt kennenlernen. Dort liegt der Urgrund für Ihr Denken und Fühlen und damit auch für eventuelle „seelische Qualen“, die Menschen erleiden.
Was sind also Ihre grundlegenden Einstellungen und Überzeugungen? Welches Bild haben Sie von sich und der Welt? Ich habe in meinen vorhergehenden Kolumnen viel über Haltungsfragen geschrieben, und die gebotene Kürze einer Kolumne lässt mich hier zum Verweis auf mein Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“ greifen. Dort finden Sie zu Beginn des Anhangs den „Großen ‚praxeologischen Psycho-Test‘“. Dort können Sie „Einstellungssätze“ lesen, zu denen ich inspiriert wurde von Max Stirner (1806–1856), Frank Herbert (1920–1986), Doris Wolf und Rolf Merkle (1952–2019), Publilius Syrus (erstes Jahrhundert vor Christus) und anderen. Die Einstellungssätze stimmen mit den Schlussfolgerungen der Handlungslogik überein, und wenn sich ein Satz „falsch anfühlt“, besteht die Möglichkeit, dass Sie einer „sabotierenden“ Einstellung auf die Schliche gekommen sind, die Sie irgendwann erlernt haben oder die Ihnen jemand „antrainiert“ hat – und die heute, als Erwachsener, ungünstig sein kann. Auch wie Sie sich neue Einstellungen zulegen können, beschreibe ich dort.
Das ist natürlich nicht der einzige Weg, es ist ein Weg. Sie können auch Dantes „Göttliche Komödie“ als Allegorie in diesem Sinne verstehen und lesen oder sich Richard Wagners Musik-Drama „Parsifal“ ansehen (Parsifal ist der einzige Held in Wagners „weltdeutendem Mythos“, vom „Fliegenden Holländer“ an betrachtet bis eben zum „Parsifal“, der nicht scheitert!) oder woran Sie Freude finden.
Da viele Menschen sich und/oder andere „geringschätzen“, möchte ich an dieser Stelle ein Beispiel geben, wie Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) „die Sache“ für sich sah. Ihm wird der Leitspruch oder die Grundüberzeugung zugeschrieben „Nihil [auch: Nemo] contra Deum, nisi Deus ipse“. Davon gibt es natürlich auch „verzwergende“ Übersetzungen, wie „Niemand darf Gott in Frage stellen außer Gott selbst“, aber eine sinngemäße Übersetzung, die ich einmal aufgeschnappt habe, lautete etwa „Es ist nichts gegen Gott, das nicht auch selbst Gott ist“. Und Goethes Deutung (1810) dieses „Einstellungssatzes“, die zur letzteren sinngemäßen Übersetzung passt, ist wie folgt überliefert:
„Nihil contra Deum, nisi Deus ipse. Ein herrliches Dictum von unendlicher Anwendung. Gott begegnet sich immer selbst, Gott im Menschen sich selbst wieder im Menschen: Daher keiner Ursache hat, sich gegen den Größten gering zu achten.“
Und Max Stirner schrieb (1845): „Wir sind allzumal vollkommen! Denn wir sind jeden Augenblick Alles, was Wir sein können, und brauchen niemals mehr zu sein.“
Die Vorgenannten litten – diese Aussagen betrachtet – auch nicht unter „Größenwahn“, wie einer vielleicht einwenden könnte, sondern ihre Aussagen gelten ja zu jeder Zeit auch für den und die anderen, so dass sie sich nicht größer achteten als die anderen.
Schlussbetrachtung und Ausblick
Die Haltungen, die tiefsitzenden Einstellungen und Überzeugungen sind der Angelpunkt, der unser Denken und Fühlen bestimmt. Sie können natürlich auch beeinflusst werden, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Hierüber mehr und weitere Praxistipps, wie Sie sich und andere beim „Ausgang aus der Unmündigkeit“ unterstützen können, in meiner nächsten Kolumne.
Quellen:
Murray Rothbard: Rechtspopulismus: Eine Strategie für die Paleo-Bewegung
Andreas Tiedtke: Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? Zu Immanuel Kants 218. Todestag
Ludwig von Mises: Die Letztbegründung der Ökonomik
Andreas Tiedtke: Der Kompass zum lebendigen Leben
Johann Wolfgang von Goethe: Nihil contra Deum, nisi Deus ipse
Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum
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