05. Oktober 2023 16:00

Foto- und hyperrealistische Malerei Wenn die Welt verrücktspielt, tut es gut, sich an echten Werten zu erfreuen

Hinweis auch auf den Schwerpunkt der in der nächsten Woche erscheinenden ef-Ausgabe 237

von André F. Lichtschlag

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Bildquelle: „Banana Lady (Hanoi)“ von Anthony Brunelli, 2011, Öl auf Polyester, 147 x 259 cm Marktgeschehen aus Malerhand: „Banana Lady (Hanoi)“ von Anthony Brunelli

Spüren Sie das auch, verehrte Leser, wie sich die Lage um uns herum gesellschaftlich, ökonomisch und politisch immer weiter zuspitzt? Wie die Spannungen ansteigen, im Inland und weltweit? Wie Politiker und ihre Mittelstrahlmedien immer hemmungsloser gegen Andersdenkende hetzen und unbotmäßige Meinungen kriminalisieren? Wie politmediale Herrscherkasten an vielen Stellen dennoch die Kontrolle verlieren? Wie vor wenigen Jahren noch seltene, ja damals sensationelle Nachrichten sich erst häuften und heute fast täglich auf uns eingehen? Wie die Menschen zunehmend gereizter werden?

In einer solchen Zeit erfordert es die Charakter- und Psychohygiene, wo immer möglich Abstand zu gewinnen, im Privaten, im Philosophischen, im Spirituellen oder Religiösen. Oder bei guter zeitloser Literatur mit einem Buch in der Hand, bei ausgedehnten Wanderungen in der Natur. Oder in und mit anderen Formen und Weisen der Kontemplation, Kultur oder Kunst.

Wenn die Welt da draußen zwangsläufig verrücktspielt, weil die mit Schein- und Schuldgeld überfüllten Blasen zu platzen beginnen, dann muss jeder für sich selbst – am besten gestärkt in und mit einer intakten Familie – dafür Sorge tragen, sich von alledem nicht auch noch mental anstecken zu lassen. Sehr viel innere Kraft werden wir alle nötig haben in zunehmend spannenden Zeiten wie diesen. Nicht zu vergessen: Eine Prise Humor hilft über vieles hinweg. Jetzt lassen sich ja sogar die legendären Witze aus der Endphase der DDR wieder wunderbar recyceln.

Ich selbst habe unter anderem in den letzten Jahren zaghaft und zuletzt intensiver damit begonnen, mich mit einer modernen Form der Kunst zu beschäftigen – der foto- und hyperrealistischen Malerei. Sie ist sicher die aufwendigste, handwerklich anspruchsvollste, ehrlichste Art der Malerei. Und sie ist, wie der Name schon verrät, auch die radikalste Form des künstlerischen Realismus – in der Konsequenz dabei oft visionär, ja – auch hier deutet es der Name an – irgendwie fotorealistisch und hypervisionär.

Kommt Ihnen, verehrte Leser, das bekannt vor: eine radikal-realistische, zutiefst ehrliche Bestandsaufnahme und gleichzeitig ein großer augenöffnender Entwurf? Es ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, die ich zwischen foto- und hyperrealistischer Malerei auf der einen und der Österreichischen Schule der Ökonomie sowie den libertären Ideen auf der anderen Seite entdecken konnte. Auch der Foto- und Hyperrealismus ist zum Beispiel in den USA entwickelt worden, hat aber wie der Libertarismus Wurzeln ausgerechnet in Deutschland. Dabei liegt es mir völlig fern, eine Bewegung der Kunst – die immer für sich selbst steht und nur für sich selbst – politisch oder philosophisch vereinnahmen zu wollen. Ich frage mich lediglich, was zusammenpassen könnte und was sich an welcher Stelle widersprechen muss.

Viel habe ich über die Entsprechung von Formen und Bewegungen der Kunst und Kultur nachgedacht. Als wir vor einigen Jahren mit Lightbeat Radio einen Sender an den Start brachten, konzentrierten wir uns im Musikprogramm auf Schlager, Country und Swing. Irgendwie, dachte ich, sind diese Genres von Musik mit den angedachten libertären Wortinhalten besser zu verbinden als andere. Vielleicht war das zu weit hergeholt. Natürlich gibt es auch libertäre Klassik-Liebhaber oder Heavy-Metal-Fans. Und klar, auch manche freiheitsverachtenden Sozialisten werden Schlager-, Country- oder Swingmusik lieben. Und doch entsprechen die Leichtigkeit, der bodenständige Realismus und oft die gute Laune dieses musikalischen Trios dem libertären Lebensgefühl, wie ich meine, in besonderer Art und Weise.

Anders gesagt: Es ist Zufall, ob ein, sagen wir, Kommunist, ein Nationalkonservativer oder ein Libertärer sich für Fußball interessiert oder für Eishockey. Welche Käsesorte er mag. Welche Farbe sein Auto hat. Kunst und Kultur aber sind milieu- und stilbildend, entsprechende Vorlieben könnten von frühen Erfahrungen und Genen beeinflusst sein wie philosophische oder politische Einstellungen.

Tatsächlich ist die moderne abstrakte Malerei mit kulturmarxistischen Ideen eng verbunden. Sie dekonstruiert und zerstört. Oft ist sie talentbefreit und eine Spielwiese für Nichtskönner. Sie negiert die Realität und zelebriert das Wolkenkuckucksheim. Sie feiert die Falsch- und oft genug auch Hässlichkeit und verabscheut alles Schöne, Wahre und Gute. Und ja, natürlich können dennoch auch Konservative oder Libertäre abstrakte Malerei schätzen und lieben. Vereinzelt.

Nun sind nicht nur marktradikale Libertäre keine Sozialisten. Eine Zuneigung zum klassischen Realismus haben oft auch Konservative. Doch alte Stillleben oder Landschaftsbilder – von der Heroisierung des Soldatischen bei Nationalisten ganz zu schweigen – unterscheiden sich vom modernen Foto- und Hyperrealismus dadurch, dass dieser oft farbenfreudiger und verspielter, ja: besser gelaunt ist und sich auffällig häufig mit der kapitalistischen Waren- und Geschäftswelt, etwa mit schönen und schnellen Autos, bunten und glitzernden Bars und Diners oder leckeren Süßigkeiten in Mega-Übergröße beschäftigt. Und die Porträts der Hyperrealisten suchen nicht das Heroische oder Schwere im Menschen, sondern den jeweils ganz individuellen Liebreiz der Person.

Dabei entstammt der Fotorealismus der Bewegung der Pop-Art und damit auch dem ursprünglich im Zweifel linken Spektrum der Kunst und Kultur, bevor er Ende der 1960er, Anfang der 1970er seinen Weg antrat – eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Libertarismus, der dem Liberalismus und Anarchismus als in der Französischen Revolution ursprünglich linken Ideen entsprang und sich davon schrittweise lossagte.

Last, but not least: In bewegten und zunehmend inflationären Zeiten sind diversifizierte Investitionen in Sachwerte zielführend. Auch aus dieser Perspektive lohnt sich ein Blick auf die foto- und hyperrealistische Malerei als Speicher echter Werte. Gemälde aufstrebender junger Künstler sind bereits für wenige Tausend Euro erhältlich – das oben abgebildete Meisterwerk „Banana Lady (Hanoi)“ des Malers Anthony Brunelli, im Original aus dem Jahr 2011 stolze 147 mal 259 Zentimeter groß, dürfte auf dem freien Markt heute, wenn überhaupt, im sechsstelligen Bereich gehandelt werden. Aber das ist, wie sagt man so schön, „high end“, der große Barren und nicht die kleine Unze. 

Die nächste Woche erscheinende neue Ausgabe der Zeitschrift eigentümlich frei wird sich schwerpunktmäßig mit dieser foto- und hyperrealistischen Malerei beschäftigen. Im Heft werden Interviews zu finden sein, unter anderem mit dem genannten Maler Anthony Brunelli und mit Louis K. Meisel alias „Mr. Fotorealism“. Also mal was „ganz anderes“. Ich bin schon heute sehr gespannt, wie es den Lesern gefallen wird.


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