Freiheitsespresso VIII: Unternehmer fördern Massenmigration
Eine bessere Welt braucht Zeit und Unternehmer
von Michael von Prollius (Beendet)
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Die Migration Hunderttausender Menschen nach Deutschland und Europa hat seit 2015 die Debatten über das Fremde und das Eigene noch einmal angeheizt. „Wer kommt, wer darf bleiben?“, sind zwei miteinander verbundene Schlüsselfragen. Diskutiert wird auch, wie die Menschen, insbesondere aus Afrika und Nah-/Mittelost, auf den Kontinent kommen und welche Rolle dabei Schleuser und Retter spielen.
In Deutschland hat staatlichen Angaben zufolge mehr als ein Viertel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund (2019: 26 Prozent). Von diesen rund 21 Millionen Menschen wurde ein Drittel in Deutschland geboren. 2022 wurde der Rekord von 2,665 Millionen nach Deutschland zugezogenen Menschen verzeichnet, davon knapp 2,5 Millionen Nichtdeutsche. 1,2 Millionen Menschen zogen aus Deutschland fort. Die Zuwanderung von ausländischen Staatsangehörigen hatte 1992 mit 1,2 Millionen Menschen einen ersten Höhepunkt erreicht. Diese Marke wurde erst wieder 2014 mit rund 1,3 Millionen und 2015 mit 2,0 Millionen Zuzügen und seitdem nahezu jährlich millionenfach überschritten. Über die Hälfte stammt aus europäischen Staaten. Noch ein paar abschließende statistische Impressionen: Mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Berlin, Hamburg und Bremen sowie im südlichen Hessen und nördlichen Baden-Württemberg hat einen Migrationshintergrund. 34 Prozent der Zugezogenen haben keinen berufsqualifizierenden Abschluss im Vergleich zu neun Prozent der Deutschen.
Migration hat verschiedene Facetten, statistisch und im Lebensalltag. Das war bereits der Fall, als massenhaft Deutsche und Europäer auswanderten und eine bessere Zukunft insbesondere in den USA suchten. Zwischen 1850 und 1930 waren das fünf Millionen deutsche Immigranten und zwischen 1876 und 1910 rund drei Millionen Menschen aus Österreich-Ungarn. Insgesamt verließen über 50 Millionen Menschen Europa allein im 19. Jahrhundert – mit den Deutschen als größter Gruppe nach der Freiheitsrevolution von 1848 und bis zum Auslaufen der Gründerkrise 1890. Viele von ihnen waren qualifizierte Fachkräfte, die, unterbrochen vom Amerikanischen Bürgerkrieg, von der vergleichsweise jungen amerikanischen Volkswirtschaft aufgesogen wurden. Qualifizierte Einwanderer trugen maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wachstum bei. Das Streben nach einem besseren Leben, das Entkommen aus Not wurden erst 1921 einer Quote unterworfen (Emergency Quota Act), aber bereits vorher wurde die Einwanderung gruppenspezifisch restriktiv gehandhabt. So ergingen Verbote für die Einreise von zum Beispiel Kranken und Armen, zeitweise für Anarchisten und Asiaten, national insbesondere für Chinesen und Japaner. Transferleistungen verzerrten damals nicht die Wanderungsanreize. Zeitweise war ein Bürge für die Einreise erforderlich, zum Beispiel in den 1950er Jahren.
Wie unterschiedlich die Schicksale und Reisebedingungen waren, zeigt eindringlich und didaktisch vorbildlich das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven. Ein Beispiel: Jeder Besucher erhält zu Beginn den Namen eines Auswanderers, dessen Lebensgeschichte sich im Laufe der Ausstellung entdecken und vervollständigen lässt. Bei mir wurde aus einem Bäckergesellen, der sich von einem Verwandten in Bremerhaven um 1950 abends das Schweißen beibringen ließ, in den USA rasch ein Ingenieur, Millionär, Gründer eines Stahlunternehmens. Andere hatten weniger Erfolg und doch ein besseres Leben.
Beeindruckt hat mich die Entwicklung der Reisebedingungen für die Emigranten, die sich durch professionelles Unternehmertum geradezu dramatisch verbesserten. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es auf Segelschiffen lediglich ein Zwischendeck, auf dem man in Massenkojen nahezu im Dunkeln und in schlechter Luft die lange Überfahrt unter unhygienischen Bedingungen erdulden musste. Auf dem Rückweg wurden dort Waren transportiert. Spätestens seit den 1860er Jahren waren vom Wetter unabhängige Dampfschiffe verfügbar, die einem Fahrplan folgten, in bis zu zehn Tagen New York erreichten und eine sicherere Überfahrt boten.
Der Norddeutsche Lloyd, 1857 in Bremen gegründet, fuhr von Beginn an nur mit Dampfschiffen, um im zunehmenden Wettbewerb auf der Nordatlantikroute bestehen zu können, und zwar mit Schnelldampfern. Hygiene, Verpflegung und Unterkünfte verbesserten sich sukzessive. Enge, immerhin separate Kojen in Massenunterkünften ersetzten zunächst die Massenlager. Später gab es als Standard in der dritten Klasse sogar Kabinen mit zwei Doppelstockbetten und einer Waschgelegenheit sowie einen Speiseraum mit Bänken. Den Bordalltag der ersten Klasse schildert der Film „Titanic“ anschaulich.
Zwei bis drei Generationen dauerte es, bis Segelschiffe, die Passagiere in die USA und von dort Waren mitnahmen, von Dampf- und dann Linienschiffen nur für Personen abgelöst wurden. Unternehmer ließen die Schiffe bauen, organisierten die Reise, schufen transparente, sichere Reisebedingungen, übernahmen das Risiko. Diese wirtschaftlichen Aktivitäten wurden von den Emigranten bezahlt. Die Nachfrage schuf das Angebot, das die Nachfrage beförderte – eine echte Win-win-Situation als Teil einer allgemeinen Wohlstandsentwicklung. Die Reederei Norddeutscher Lloyd wurde rasch zu einer der bedeutendsten weltweit und hatte maßgeblichen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung zweier Städte: Bremen und Bremerhaven.
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