14. Oktober 2023 13:00

Außenpolitik Das staatliche Geldmonopol und die politische Machbarkeit von Kriegen

Inflationäre Geldpolitik als Treiber von militärischen Konflikten

von Karl-Friedrich Israel (Pausiert)

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Bildquelle: Oleg Golovnev / Shutterstock Napoleon gründete 1800 die Banque de France: Sie sicherte die Finanzierung seiner Feldzüge

Die Geschichte des Geldes ist eng verwoben mit der Geschichte militärischer Konflikte. Wesentliche institutionelle Veränderungen im Geldsystem sind historisch eng korreliert mit kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb von Nationen. Dieser Zusammenhang kann sehr anschaulich anhand der Entstehung von Zentralbanken illustriert werden. Dazu seien drei Beispiele angeführt.

Eine der ersten modernen Zentralbanken entstand in England im Jahr 1694, vier Jahre nachdem England die Seeschlacht von Beachy Head gegen die Franzosen verloren hatte. Die englische Krone wollte daraufhin die eigene Marine aufrüsten, um den Franzosen die Stirn bieten zu können. Man konnte das nötige Kapital aber nicht zu erschwinglichen Zinsen auf den Kapitalmärkten leihen, und Steuern waren damals noch unbeliebter als heute. So entstand die Bank of England durch eine mit Privilegien behaftete Kredittransaktion. Die Eigner der Bank gaben der englischen Krone Bares: 1,2 Millionen Pfund in Silber. Diese wurden zum Aufbau der neuen Flotte verwendet. Als Gegenleistung erhielt die Bank of England die ausschließliche Kontrolle über die Staatsfinanzen und das Recht, gegen die Staatsschulden Banknoten zu emittieren. Die Bank of England war zur damaligen Zeit das erste und einzige Unternehmen mit beschränkter Haftung. Die militärische Expansion des englischen Empire wurde durch diese geldpolitische Innovation befördert. Es gereichte den Engländern zum Vorteil, dass die Franzosen ihr eigenes Papiergeldexperiment unter Federführung John Laws in den 1720ern an die Wand fahren ließen.    

Die Banque de France entstand erst kurz nach der Französischen Revolution im Jahr 1800, als Napoleon einer Gruppe französischer Bankiers das Monopolrecht zur Emittierung von Banknoten übertrug. Unter ihnen waren bekannte Namen der französischen Hochfinanz wie Hottinguer, Robillard, Périer und Hugues de La Garde (auch Hugues-Lagarde). Die Bankiers hatten nach den Schrecken der Revolution Napoleon finanziell unterstützt, um ihn als neuen starken Mann an die Spitze des französischen Staates zu hieven. Belohnt wurden sie mit der Kontrolle über die französischen Staatsfinanzen. Die fortlaufende finanzielle Unterstützung der Banque de France war maßgeblich für die Napoleonischen Kriege von 1803 bis 1815. 

Das amerikanische Zentralbanksystem, kurz Fed, entstand im Dezember 1913 durch einen Kongressbeschluss und tatkräftige Lobbyarbeit einiger einflussreicher Bankiers. Auch hier finden sich bekannte Namen wie Morgan, Schiff, Kuhn und Loeb. Die amerikanische Fed ist bis heute von seiner Eigentumsstruktur wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen aufgebaut. Mitgliedsbanken halten Anteile an der Fed und kassieren Dividenden. Aber die Anteilseigner haben keine Kontrolle über die Entscheidungen der Fed. Die Entscheidungen des Gouverneursrats der Fed sind politischer Natur. Die Fed hält ein staatlich garantiertes Monopol auf die Emittierung des US-Dollars. Etwas mehr als drei Jahre nach ihrer Gründung traten die Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Willen der amerikanischen Bevölkerung in den Ersten Weltkrieg ein. Auch das amerikanische Empire, das sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts gebildet hat, baut auf diesen institutionellen Veränderungen im Geldsystem auf.

Alle drei Beispiele eint eine gemeinsame Tendenz. Die Möglichkeit der ungedeckten Papiergeldschöpfung entbindet die Politik von der Legitimierung durch die Bürger. Eine aggressive und interventionistische Außenpolitik stößt fast nie auf allgemeine Zustimmung. Die Kosten in Form von Menschenleben und Geld werden in der Regel als zu hoch eingeschätzt. Die inflationäre Bezuschussung der militärischen Expansion macht es aber möglich, zumindest kurzfristig über die Geldkosten hinwegzutäuschen. Statt direkt durch Besteuerung das nötige Kapital einzutreiben, was auf noch mehr Ablehnung stieße, kann die Finanzierung durch exzessive Staatsverschuldung erfolgen. Diese wird durch eine expansive Geldpolitik und die künstliche Herabsenkung des Zinsniveaus überhaupt erst möglich. Dadurch verleitet die inflationäre Geldpolitik nicht nur zur Täuschung der Bürger über die wahren Kosten der militärischen Expansion. Die Politik läuft außerdem Gefahr, sich selbst zu täuschen. Sie überschätzt, wozu sie tatsächlich imstande ist. So sind alle militärischen Großmächte am Ende an den inflationsbereinigten Kosten ihrer Expansion und der Aufrechterhaltung ihres Machteinflusses gescheitert.

Wenn der inflationäre Druck zu groß wird, hilft nur die Beendigung der Geldmengenexpansion. Die Schuldenlast, die zuvor wegen der künstlich niedrigen Zinsen noch gestemmt werden konnte, steigt mit dem Zinsniveau. Dem Rückzug aus der Geldmengenexpansion folgt der Rückzug aus der militärischen Expansion – freiwillig oder erzwungen.

Napoleon hatte sein Waterloo. Die Briten mussten spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg einsehen, dass ihr Empire ein buchhalterisches Minusgeschäft war. Und die Amerikaner stehen heute vor der schwierigen Situation, in der die Aufrechterhaltung ihres Machteinflusses in der Welt zu teuer zu werden droht. Man hat sich selbst in zahlreichen militärischen Interventionen, insbesondere im Nahen Osten, überschätzt. Man hat vielerorts nicht wie versprochen Demokratie, sondern noch mehr Chaos und Verwüstung hinterlassen. Die Leidtragenden sind die Menschen vor Ort. Der vieldiskutierte islamische Terrorismus, der sich dieser Tage mit neuer Vehemenz bahnbricht, hat viele Ursachen. Eine von ihnen ist der fehlgeleitete Interventionismus des Westens. Er geschah in der Regel gegen den Willen der Bevölkerung. Aber wer über ein Papiergeldmonopol verfügt, muss nicht um Erlaubnis und Finanzierung bitten. 


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