24. August 2024 10:00

Politik Der Einfluss von Intellektuellen

Friedrich August von Hayek über berufsmäßige Ideenvermittler

von Karl-Friedrich Israel (Pausiert)

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Bildquelle: Andrii Yalanskyi / Shutterstock Sozialisten zeigen Mut zur Utopie: Was wiederum Intellektuelle in ihren Bann zieht

Der Sozialismus war niemals in erster Linie eine Bewegung der Arbeiterklasse. Es waren seit jeher die Intellektuellen, die den Sozialismus propagiert haben. Es hat viel intellektuelle Überzeugungskraft gekostet, bevor ein nennenswerter Teil der Arbeiterklasse sich überhaupt den Sozialismus zur Leitideologie gemacht hat. Friedrich August von Hayek hat diesen Einfluss der Intellektuellen in der Verbreitung der Ideologie des Sozialismus in seinem berühmten Essay von 1949 „The intellectuals and socialism“ eindrücklich beschrieben. Er hielt fest: „In jedem Land, das sich zum Sozialismus entwickelte, ging der Phase, in der er ein bestimmender Faktor der Politik wurde, eine lange Periode voraus, in der die sozialistischen Ideale vor allem das Denken der Intellektuellen beherrschten. In Deutschland war dieses Stadium zu Ende des letzten Jahrhunderts erreicht, in England und Frankreich ungefähr zur Zeit des Ersten Weltkrieges und die Vereinigten Staaten scheinen diese Phase nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht zu haben. Die Erfahrung zeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann die Ansichten, die heute die Intellektuellen vertreten, auch die Tagespolitik beherrschen.“

Die Intellektuellen sind in Hayeks Augen eine sehr viel größere Gruppe, als allgemein angenommen wird. Zu ihr zählen nicht nur Journalisten, Schriftsteller, Künstler und Schauspieler, sondern alle Menschen, die aufgrund ihrer Stellung oder ihren Lebensgewohnheiten früh in den Kontakt mit neuen Ideen kommen und von anderen Menschen mit großem Respekt angehört werden, auch dann, wenn sie sich zu Themen äußern, von denen sie eigentlich nicht viel verstehen und die nicht in ihr eigentliches Spezialgebiet fallen. Nehmen Sie einen Arzt oder Anwalt, der sich zu Fragen des Klimaschutzes äußert. Einfach aufgrund ihrer sonstigen Stellung in der Gesellschaft wird ihre Meinung zu diesem und anderen Themen ernst genommen und hat einen Einfluss. Patienten, Klienten und Mitmenschen werden von ihnen beeinflusst. Sie fungieren als „Vermittler von Ideen“, wie Hayek es ausdrückt.

Diese große Gruppe von Intellektuellen fungiert innerhalb der Gesellschaft als eine Art Sieb. Sie entscheidet darüber, welche Ideen in welcher Form und von welcher Perspektive an die Öffentlichkeit geraten. Sie entscheiden darüber, welche Ideen und Fakten wichtig genug sind, um im öffentlichen Diskurs wahrgenommen zu werden. Langfristig beeinflussen sie die öffentliche Meinung und damit die wichtigen politischen Entwicklungen eines Landes.

Dieser entscheidende Einfluss der Intellektuellen wurde vor allem von der sozialistischen Linken verstanden. Auch wenn sie sich offiziell der Idee verschrieben haben, dass die wichtigen politischen Entscheidungen von der Mehrheit der materiellen Interessen bestimmt werden, haben sie immer so gehandelt, als wären es die Ideen in den Köpfen der geistigen Elite, die entscheidend sind. Ihre Bemühungen haben hauptsächlich darauf abgezielt, die Unterstützung der Intellektuellen zu gewinnen. Konservative und Liberale haben sich hingegen mit einer gewissen Naivität im Hinblick auf die Demokratie direkt an den einzelnen Wähler gewandt und ihren Einfluss graduell verloren.

Was den Sozialisten außerdem bis heute einen entscheidenden Vorteil bringt, ist ihr Mut zur Utopie. Intellektuelle sind ihrer Natur nach radikalen Ideen zugetan, die sich nicht von praktischen Erwägungen einschränken lassen. Eine Vision davon, wie eine zukünftige Welt im Vergleich zur existierenden Welt einmal aussehen könnte, hat einen viel größeren Zauber als kleinschrittige Reformvorschläge, die ein System nur graduell verbessern können, nicht aber revolutionieren wollen. Sobald wir an dem Punkt angelangt sind, dass wir sagen können, unsere Gesellschaft sei eine liberale und freie Gesellschaft, verkommt das Programm des Liberalismus zu einer reinen Verwaltung des Status quo. Er beginnt sich nur noch an dem praktisch Möglichen zu orientieren und wird bald feststellen, dass er die Unterstützung der Intellektuellen verliert. Er malt keine Vision mehr davon, wie es einmal sein kann, und wird deshalb von vielen Intellektuellen als abgedroschen empfunden. Er wird zu einer Apologie der herrschenden Zustände. Dies ist der entscheidende Grund, warum sich moderate Liberale nicht von radikalen Libertären abgrenzen sollten. Es sind gerade die radikalen und oftmals weltfremden Varianten einer Ideologie, die den praktisch orientierten Reformern den nötigen Spielraum verschaffen, um die herrschenden Zustände tatsächlich in die richtige Richtung zu verändern, weil sie einen langfristigen Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen.     

Friedrich Hayek (1949): „Die Intellektuellen und der Sozialismus


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